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Vor fast 100 Jahren postulierte Paul Ehrlich ein körpereigenes System, das in der Lage ist, Tumorentstehung zu erkennen und zu eliminieren. Die Weiterentwicklung dieser Hypothese führte in den Folgejahren zum Modell der „immunosurveillance“, einer angeborenen Wachfunktion des Immunsystems, welche im Regelfall die Entstehung von manifesten Tumoren verhindern kann. Neben zellulären Bestandteilen wie Makrophagen und natürlichen Killerzellen kommt dabei eine entscheidende Bedeutung den B-Lymphozyten mit ihrer Fähigkeit zur Produktion eines variablen Antikörperrepertoires zu. Diese angeborene, IgM-vermittelte, humorale Abwehrfunktion richtet sich insbesondere auch gegen glykopeptidische Oberflächenantigene maligner körpereigener Zellen. Allerdings scheint sich in seltenen Einzelfällen ein Tumorprozess durch Fluchtmechanismen dem Zugriff der Immunabwehr entziehen zu können. Die intensiven Wechselwirkungen von Immunsystem und Tumorwachstum sind Ziel weitreichender Forschung geworden, angetrieben von der Hoffnung, in naher Zukunft neue immunologische Therapieverfahren gegen maligne Tumoren aufbieten zu können. Bisher wenig untersucht ist allerdings die lokale Situation der humoralen Immunität innerhalb von Tumorgewebe. Vor diesem Hintergrund wurde in der vorliegenden Arbeit eine Sequenzanalyse des exprimierten Immunglobulin-Repertoires in situ, also aus gewebeständigen tumorinfiltrierenden B-Lymphozyten und solchen aus tumorfreiem Gewebe vorgenommen. Als Ausgangsmaterial diente Gewebe aus Magenkarzinomen und tumorfreier Magenschleimhaut des Magenantrums von acht Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung. Adenokarzinome des Magens stellen eine multifaktoriell bedingte, weltweit häufig auftretende Tumorentität mit besonders schlechter Prognose dar. In der Tat zeigen sich in den vorliegenden Ergebnissen signifikante Unterschiede zwischen Tumor und Antrum in den variablen Schwerkettengenen der gewebeständigen B-Lymphozyten. Diese betreffen sowohl die IgVH- Familienzugehörigkeit als auch die Mutationsraten und Mutationsmuster der einzelnen Sequenzen. Die entscheidenden Beobachtungen im Rahmen dieser Arbeit sind der in situ- Nachweis von naiven, nicht immunitätsgereiften Immunglobulinen der primären Immunantwort, insbesondere der mit Antitumoraktivität in Verbindung gebrachten IgVH3-Familie innerhalb des untersuchten Antrumgewebes sowie deren Fehlen innerhalb des Tumorprozesses. Der Nachweis affinitätsgereifter Immunglobuline innerhalb des Tumorprozesses legt eine zwar intensive, aber letztendlich ineffektive Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem sich offenbar in diesem Stadium nicht mehr als ausreichend immunogenen erweisenden Tumorprozess nahe. Diese Ergebnisse heben die entscheidende Bedeutung der naiven Immunität für die Verhinderung von Tumoren (Immunüberwachung) hervor. Unklar sind allerdings nach wie vor die Escape-Mechanismen, die es einem Tumor erlauben, sich dieser primären Immunantwort zu entziehen. Weitere Forschungsarbeit im Bereich naiver Immunglobuline mit Antitumoraktivität, wie beispielsweise dem selektiv an Magenkarzinomzellen bindenden und Apoptose auslösenden Antikörper SC-1, könnte dazu beitragen, zukünftig völlig neue adjuvante immunologische Therapieverfahren in der Tumortherapie zu etablieren.
Der humane, monoklonale IgG Antikörper BARB-4 konnte mit Hilfe der Hybridomatechnologie aus einem an Magenkarzinom erkrankten Patienten isoliert werden. BARB-4 stellt aufgrund seiner Keimbahnkodierung einen Bestandteil der innaten Immunität dar und ist eines der wenigen tumorspezifischen IgG Immunglobuline, die diesem Teil des Immunsystems zugeordnet werden können. Innerhalb dieser Arbeit konnte die Zielstruktur des Antikörpers identifiziert und näher charakterisiert werden. Das BARB-4 Antigen wurde hierbei über ein affinitätschromatographisches Verfahren aus Tumorzellmembranextrakten aufgereinigt und anschließend mittels MALDI-MS über die Peptidmassen-Fingerprint Methode analysiert. Das dabei isolierte Protein konnte eindeutig als humanes TAF15 identifiziert werden. Diese auf der Zellmembran von Tumoren exprimierte TAF15 Variante besitzt ein Molekulargewicht von etwa 78 kDa. Sie kommt im Gegensatz zum Wildtyp exklusiv in Tumorzellen vor und konnte nicht in Normalgewebe nachgewiesen werden. Immunhistochemische Untersuchungen mit BARB-4 und Anti-TAF15 Antikörper auf Tumor- und Normalgewebe deuteten dabei auf eine Koexistenz von Wildtyp und tumorspezifischer TAF15-Variante in malignem Gewebe hin und legten somit eine tumorspezifische Modifikation des TAF15BARB-4 nahe. Ein Carbohydrat-Epitop, wie es sehr häufig bei den natürlichen IgM Antikörpern vorkommt, konnte hier jedoch ausgeschlossen werden. In funktionellen Analysen konnte gezeigt werden, dass die Bindung des BARB-4 Antikörpers auf Tumorzellen einen Einfluss auf diverse zelluläre Prozesse ausübt. Durch die Bindung hemmte der Antikörper das Zellwachstum von Tumorzellen und induzierte deren Apoptose. Weitere interessante Eigenschaften des BARB-4, die bei Tumorzellen beobachtet werden konnten, sind vor allem für metastasierende Zellen von Bedeutung. Nach erfolgter Antikörperinkubation konnte bei Tumorzellen eine Inhibierung der Zelladhäsion und der Zellbeweglichkeit nachgewiesen werden. Diese beiden zellulären Prozesse sind wichtig für sich im Körper ausbreitende, maligne Zellen. In allen durchgeführten Analysen handelte es sich um vom Antikörper direkt vermittelte Effekte. Weitere Untersuchungen wurden durchgeführt, um das Bindungsverhalten des Antikörpers genauer charakterisieren zu können. Immunfluoreszenzanalysen zeigten dabei, dass der Antikörper BARB-4 nach der Bindung an die Tumorzellmembran internalisiert wird. Die Erforschung des BARB-4 Antikörpers und seiner Zielstruktur TAF15BARB-4 auf Krebszellen ermöglicht sowohl neue Einblicke in die Funktionsweise der innaten Immunität als auch neue Optionen für die zielgerichtete Tumortherapie. Die Identifizierung einer extrazellulären, tumorspezifischen TAF15 Variante bietet eine neue Möglichkeit für Diagnostik- und Therapieansätze. Durch die exklusive Expression auf Tumorzellen ermöglicht diese TAF15-Variante gezielt maligne Zellen zu attackieren ohne dabei gesunde Zellen zu beeinflussen. Durch das Vorkommen des TAF15BARB-4 in den verschiedensten Tumorentitäten könnte diese Zielstruktur für die Therapie vieler unterschiedlicher, maligner Erkrankungen genutzt werden. Aufgrund seiner funktionellen Eigenschaften, wie der Hemmung der Tumorzellmotilität und Tumorzelladhäsion, könnte der BARB-4 Antikörper besonders für die Prävention einer Metastasierung von Bedeutung sein.