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Die Ergebnisse verschiedener in vitro Untersuchungen und Tierstudien deuten darauf hin, dass Anthocyane zur Prävention und Therapie von intestinalen Erkrankungen wie akutem Durchfall oder chronisch entzündlichen Darm¬erkrankungen (CED) sowie Darmkrebs geeignete Naturstoffe sind. Mit bis zu 780 mg/100 g Frischgewicht weisen Heidelbeeren (Vaccinium myrtillus L.) besonders hohe Anthocyan¬¬gehalte auf. In getrockneter Form sind diese Beeren ein bewährtes Therapeutikum in der Volksheilkunde und werden als pharmazeutische Droge Myrtilli fructus zur Unterstützung der Therapie unspezifischer akuter Durchfall¬erkrankungen eingesetzt. Diese traditionellen Anwendungen hat man jüngst in einer Studie am Modell der experimentellen murinen DSS-Colitis aufgegriffen, in welcher ein therapeutischer Effekt von getrockneten Heidelbeeren (gHB) nachwiesen wurde. Ob die Anthocyane oder andere Inhaltsstoffe verantwortlich für die beobachteten Wirkungen sind, ist noch unbekannt. Ein erstes Ziel der vorliegenden Arbeit war es deshalb, gHB zu charakterisieren, indem potentielle Wirkkomponenten anhand analytischer Inhalts-stoffbestimmung identifiziert und bei der Trocknung ablaufende Prozesse untersucht wurden: I. Nach extraktiver Probenaufarbeitung wurden Anthocyanprofil und -gehalt von gHB-Handelsware mittels HPLC-ESI-MS/MS und HPLC-UV/Vis bestimmt. Dabei zeigte sich, dass sich das Anthocyanprofil der untersuchten gHB, die in oben genanntem DSS-Colitis-Modell verwendet worden waren, von dem frischer Wildheidelbeeren (V. myrtillus L.) unterschied. Die gHB wiesen zusätzlich eine Delphinidin-hexose-pentose sowie verschiedene Anthocyanpentosen auf, wie sie für die Heidelbeerart V. arctostaphylos L. charakteristisch sind. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass V. arcto-staphylos L.-Beeren zur Herstellung der gHB verwendet wurden. In den untersuchten gHB wurde ein Anthocyangehalt von 384 ± 39 mg/100g TM bestimmt. Im Vergleich zu frischen V. myrtillus L.- sowie zu V. acto¬staphylos L.-Früchten wiesen die gHB damit einen deutlich geringeren Anthocyan-gehalt auf. II. Als momomere Nicht-Anthocyan-Polyphenole wurden verschiedene phenolische Säuren, Quercetinglycoside sowie das Aglycon Quercetin mittels HPLC-ESI-MS/MS bzw. HPLC-DAD identifiziert und quantifiziert. Chlorogensäure stellte dabei mit 147 ± 5 mg/100 g TM die Haupt¬kompo¬nen-te dar. Der Gesamtgehalt an monomeren Nicht-Anthocyan-Poly¬phenolen von 288 ± 8 mg/100 g TM war mit dem der Anthocyane vergleich¬bar. III. Kondensierte Gerbstoffe (Procyanidine) in gHB wurden mittels Thiolyse erfasst. Mit 2,23 ± 0,05 g/100 g TM war ihr Anteil dreimal höher als die Summe der monomeren Polyphenole, Anthocyane, phenolische Säuren und Flavonole. IV. Mit 44 ± 2 g/100 g TM waren Ballaststoffe die dominierende Nährstoff¬gruppe in gHB. Zur Untersuchung der Zusammensetzung dieser Fraktion wurden nach Hydrolyse Neutralzucker als Alditolacetate mittels HRGC-MS bzw. HRGC-FID analysiert sowie Uronsäuren photo¬metrisch bestimmt. Derart identifizierte Hauptbausteine der Zellwandpolysaccharide waren Glucose, Xylose sowie Uronsäure. Als Rückstand nach Hydrolyse wurde gravi¬-metrisch das sog. Klason-Lignin erfasst. Zellwandpoly¬saccharide und Klason-Lignin waren mit jeweils ca. 36 % in der Ballaststofffraktion enthalten und stellten deren Haupt¬komponenten dar. V. Als Indikator für die thermische Belastung bei Trocknung der gHB wurde 5 Hydroxymethylfurfural mit HPLC-MS/MS und HPLC-DAD nachgewiesen und quantifiziert. Der ermittelte Gehalt von 7,9 ± 0,2 mg/100 g TM lag in einem für getrocknete Früchte üblichen Bereich. VI. Um den Einfluss der Trocknung auf den Polyphenolgehalt direkt zu verfolgen, wurden frische Kulturheidelbeeren (V. corymbosum L.) bei 30°C, 50°C und 70°C im Umlufttrocken¬schrank bis zur Gewichtskonstanz ge-trocknet. Vor und nach Trocknung wurden Polyphenole mittels HPLC-MS/MS und HPLC-DAD bzw. HPLC-UV/Vis untersucht. Trocknung bei 30°C führte zu einer leichten Zunahme im Anthocyangehalt, wohingegen der Temperaturanstieg auf 50°C sowie 70°C mit einem deutlichen Anthocyan-abbau verbunden war. Phenolische Säuren und Flavonole erwiesen sich als thermostabiler; ein geringer Abbau wurde nur bei Chlorogensäure beobachtet. VII. Die Stabilität der Anthocyanine Cyanidin-3-galactosid und Cyanidin-3-glucosid wurde in einem in vitro Modell untersucht, das die Bedingungen in der Pflanzenzelle während der Trocknung von Früchten simulierte. Der dabei beobachtete Anthocyanabbau wies eine Reaktionskinetik 1. Ordnung auf. Die Reaktionsgeschwindigkeit war stark von der Temperatur abhängig, der Zuckerrest hatte dagegen keinen Einfluss. Als Abbauprodukt wurde Protocatechusäure mittels HPLC-DAD-MS/MS identifiziert. Neben der Menge der mit der Nahrung aufgenommener Anthocyane ist deren Verfügbarkeit am Wirkort die Grundlage für potentielle Effekte. Während der Passage durch den Gastrointestinaltrakt (GIT) unterliegen Anthocyane bekanntlich einem chemischen und mikrobiellen Abbau, wodurch die effektive Wirkkonzentration stark vermindert wird. Colon-Targeting, bei dem Wirkstoffe durch Verkapselung vor einem chemischen und enzymatischen Abbau im oberen GIT geschützt werden, stellt eine Möglichkeit dar, die Verfügbarkeit von Anthocyanen für direkte Effekte im Dickdarm zu erhöhen. Die Zielsetzung im zweiten Teil der Arbeit beinhaltete daher die Herstellung und Charakterisierung von im Lebens¬mittelbereich zugelassenen Formulierungen für das Colon-Targeting von Anthocyanen. Für diese Studien dienten kommerziell aus Wildheidelbeeren V. myrtillus L. gewonnene Extrakte (Anthocyangehalte von 65 bis 84 g/100g) als Anthocyanquelle. I. Zur Charakterisierung der Freisetzungseigenschaften der hergestellten Colon-Targeting-Formulierungen wurde ein in vitro und ex vivo Modell entwickelt und angewendet, das durch aufeinanderfolgende Inkubation der Materialien in Magen¬saft¬simulanz (3 h bei pH 2) und Ileostomie- (4 h bei pH 6,3) sowie Colo-stomieflüssigkeit (15 h bei pH 6,2) die Passage des humanen GIT simulierte. Freigesetzte Anthocyangehalte wurden mittels HPLC-DAD erfasst. II. Im Labormaßstab wurde der Heidelbeerextrakt mittels Eintropf¬technik nach dem Prinzip der ionotropen Gelierung mit Calciumionen in eine Matrix aus amidiertem Pektin verkapselt. Durch anschließendes hydrophobes Coating mit Schellack wurde die vorzeitige Freisetzung der Pigmente aus den Anthocyan-Pektin-Kugeln (APK) P4BRT im Magensaft¬simulanz deutlich ver¬ringert, sodass mit Schellack gecoateten APK P4BSch im genannten Modell-System ein Anthocyantransport in den Dickdarm erreicht wurde. III. Aufgrund seiner Säureunlöslichkeit wurde auch die Eignung von Kollagen aus dem Meeresschwamm Chondrosia reniformis Nardo als Verkapselungsmatrix unter¬sucht. Es gelang, Heidelbeerextrakt in dieses Material zu verkapseln. Trotz partieller Magensaftresistenz waren die Formulierungen jedoch aufgrund von Degradation im simulierten Dünndarm nicht zum Colon-Targeting geeignet. IV. Zur Bereitstellung von mit Schellack gecoateten APK für in vivo Studien war eine Steigerung der Produktionsrate vom Gramm- in den Kilogramm-Maßstab erforderlich, was durch Einsatz der „Laminar Jet Break-up“-Technologie realisiert wurde. APK P4BG wurden mit dieser Methode ebenfalls durch iono-trope Gelierung einer anthocyanhaltigen Pektinlösung in Gegenwart von Calcium¬¬¬¬ionen hergestellt. Im Unterschied zum Labormaßstab war der Einsatz von Glycerin als Weichmacher in der Formulierung erforderlich. Das anschlie-ßende Coating der so hergestellten APK P4BG erfolgte mittels Wurster-Technologie unter Verwendung von wässriger Schellack¬lösung. Materialien mit Coatinglevel von 8, 15 bzw. 19 % w/w (P4BGwSch8, P4BwSch15 und P4BwSch19) wurden erzeugt. Die Formulierungen wiesen Anthocyangehalte von 2,2 bis 2,6 g/100g auf. Im vorgestellten in vitro und ex vivo Inkubations-Modell zeigten un¬modifizierte APK P4BG eine vorzeitige Anthocyan-Freisetzung in Magensaft¬simulanz infolge schneller Ablösung der sehr gut wasserlöslichen Pigmente von der Oberfläche. Dieser Effekt wurde durch Coating mit Schellack in Abhängigkeit vom Coatinglevel verringert. Das Material P4BGwSch19 stellte das am besten geeignete Colon-Targeting-System dar, da mit diesem Anthocyane im simulierten Magen und Dünndarm zurückgehalten und im Dick-darm freigesetzt wurden. V. Um das Auflösungsverhalten der Schellackschicht zu optimieren, wurden APK P4BG mit wässriger Schellacklösung gecoatet, welcher der wasserlösliche Poren¬bildner Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC) in Konzen¬trationen von 5 % bzw. 15 % (w/w, bezogen auf Schellack) zugesetzt war. Die so herge¬stell-ten gecoateten APK HPMC5 und HPMC15 zeigten eine verbesserte Magen¬¬saft-resistenz im Vergleich zum nur mit Schellack gecoateten Material. Aufgrund des mit 5 % vergleichweise geringen HPMC-Anteils ähnelte das weitere Freisetzungsverhalten von HPMC5 dem von P4BGwSch19. Mit HPMC15 wurde bei beschleunigter Anthocyan-Freisetzung in Ileo¬stomie¬flüssigkeit ein vollstän¬diger Abbau des Materials in Colostomie¬flüssigkeit erzielt. VI. Der in vivo Effekt des entwickelten anthocyanhaltigen Colon-Targeting-Systems P4BGwSch19 bei entzündlichen Darmerkrankungen wurde am Modell der murinen DSS-Colitis untersucht. Im Gegensatz zur Gabe der identischen Dosis an unverkapseltem Heidelbeerextrakt resultierte die orale Zufuhr der mit Schellack gecoateten APK in keinem signifikanten Unterschied in Colonlänge, histolog¬ischem Score sowie IL6- und IFNγ-Sekretion im Vergleich zu Placebo- und Kontrollgruppen. Eine unzureichende Eignung des verwendeten murinen Modells für Freisetzungsstudien könnte hierfür verantwortlich sein.
Identifizierung und Strukturaufklärung von Anthocyanen und ihrer Metabolite erfolgten mit Hilfe der mittels Hochleistungsflüssigchromatographie-Diodenarray-Detektion-Elektro-spray-Tan¬dem¬massen¬spektrometrie (HPLC-DAD-ESI-MS/MS). Quantitative Analysen wurden via HPLC-DAD durchgeführt. Die hierzu erforderlichen Referenzverbindungen wurden mittels präparativer HPLC aus Heidelbeeren isoliert (Reinheit zwischen 85,8% und 99,4%). Der Gehalt an Anthocyanen in den untersuchten Heidelbeerfrüchten lag bei 6 g/kg. Bezüglich der mengen¬mäßigen Verteilung dominierten Delphinidin- und Cyanidin¬glykoside vor den Glykosiden von Malvidin, Petunidin und Peonidin. Als konjugierte Zucker¬reste kamen vor allem Glukose und Galaktose vor, der Gehalt an Arabinosiden war weit geringer. Bei oraler Aufnahme erfolgt ein erster Kontakt der Anthocyane mit Speichel. Daher wurde dessen Wirkung auf die Heidelbeeranthocyane in ex vivo-Studien über einen (unphysio-logisch langen) Zeitraum von bis zu 30 Minuten untersucht. Dabei konnte wurde ins-besondere der Einfluß des pH-Wertes auf die Stabilität der Anthocyane aufgezeigt werden. Zur Simulation des Verhaltens von Anthocyanen im Magen wurden die einzelnen Heidelbeeranthocyane mit künstlichem Magensaft (pH 1,81) über vier Stunden inkubiert. Hier erwiesen sich alle untersuchten Verbindungen als stabil. Die anschließend von uns mit simuliertem Duodenalsekret (pH 7,2) über einen Zeitraum von 24 Stunden durchgeführten Studien zeigten, dass die Anthocyane unterschiedlich starken Modifizierungen unterlagen. Unter den schwach alkalischen Bedingungen wurden vor allem die Glykoside des Delphinidins schnell abgebaut, aber auch die übrigen Anthocyane erwiesen sich unter diesen Bedingungen als nicht stabil; nach 24 h war kein Anthocyan mehr nachweisbar. Um die Metabolisierungsvorgänge der Anthocyane im Dünn- und Dickdarm zu untersuchen, wurden ex vivo-Inkubationen jeweils mit frischem Ileo- bzw. Kolo¬stoma-beutel¬inhalt durchgeführt. Während die Abbaugeschwindigkeit in der ilealen Flüssigkeit vor allem von der pH-Stabilität des Aglykons abhänig war, konnten im Dickdarm einzig die Arabinoside nach einer Stunde noch alle in geringen Konzentrationen identifiziert werden. Die meisten Glukoside und Galaktoside waren zu diesem Zeitpunkt schon vollständig abgebaut. Da im Darm von einer hydrolytischen Spaltung der Anthocyane in Anthocyanidin und Zucker ausgegangen wird, wurde die Metabolisierung von Anthocyanidinen unter physio-logischen pH-Bedingungen untersucht. Neben der jeweiligen Spaltung in das Benzoe¬säure-derivat des B-Ringes sowie Phloroglucinessigsäure traten verschiedene Poly¬merisierungs¬-produkte auf, deren Strukturen nicht aufgeklärt werden konnten. In einer weiteren Versuchsreihe wurde die renale Ausscheidung von Anthocyanen bei Ileostomieprobanden nach oraler Applikation von 300 g Heidelbeeren über einen Zeitraum von acht Stunden untersucht. Es zeigte sich, dass ein Stoma des terminalen Ileums keinen Einfluss auf die Absorption und Metabolisierung der Anthocyane hatte. Die Bilanzierung der Anthocyane im Urin erfolgte als Äquvalente von Malvidin-3-O-glukosid, da nicht alle Anthocyanmetabolite zur Verfügung standen. Der Zeitpunkt der maximalen renalen Anthocyanausscheidung sowie die Menge der ausgeschiedenen Anthocyane waren starken interindividuellen Schwankungen unterworfen. Das Aus¬sscheidungs¬maximum (tmax) lag zwischen 0,5 und zwei Stunden. Bei der ausge¬schiedenen Menge wurden Werte zwischen 0,007% und 0.019% der auf¬ge¬nommenen Anthocyane ermittelt. Aufgrund der literaturbekannten Unterschiede zwischen den in Serum und Urin gefunden Anthocyanmengen ist davon auszugehen, dass es nach Anthocyanverzehr zu Inter-aktionen mit Proteinen in Blut oder Geweben kommt. Mittels Blutfraktionierung wurde das humane Serumalbumin (HSA) als wichtigster Bindungspartner der Anthocyane im Blut identifiziert. Anhand spektroskopischer Methoden war es möglich, die Bindungs¬parameter zu berechnen. Als Bindungsort wurde der hydrophile Eingang der lipophilen Warfarin-Bindungstasche in der Subdomäne IIA des HSA-Moleküls mittels "molecular modelling" identifiziert. Nasschemische Untersuchungen ergaben, dass die Bindung der Anthocyane an HSA diese vor ihrem pH-abhängigen Abbau schützt. Eine signifikante Herab¬setzung der chemischen Abbaugeschwindig¬keit konnte auch für bovines Serumalbumin beobachtet werden. Diese Erkenntnis ließ sich auf andere, mit dem HSA-Molekül nicht strukurverwandte lebensmittelrelevante Albumine übertragen. So zeigten Anthocyane große Stabilität in Milch und Eiklar, wobei die Stabilisierung auf eine Wechselwirkung mit den Proteinen Laktalbumin und Ovalbumin zurückgeführt werden konnte. Die in dieser Arbeit erlangten Erkenntnisse hinsichtlich Absorption, Metabolisierung und systemischer Verfügbarkeit im menschlichen Organismus leisten einen Beitrag zum besseren Verständnis der Wirkungen von Anthocyanen. Die neuen Erkenntnisse der Protein¬bindung sind vor allem für die Bewertung der Verfügbarkeit der Anthocyane in humanem Gewebe relevant.