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Der Einfluss von Aufmerksamkeit und Interferenzkontrolle auf die Verarbeitung visueller Stimuli
(2008)
Gegenstand der vorliegenden Arbeit war die Frage, inwieweit die neuronale Verarbeitung visueller Stimuli durch Prozesse der Aufmerksamkeit und des Arbeitsgedächtnisses moduliert werden kann. Darüber hinaus wurde untersucht, welche „top down“ Prozesse diese Modulation steuern. Dabei wurden zwei konkurrierende Ansichten als mögliche Erklärungsmodelle zugrunde gelegt und überprüft. Zum einen wäre es möglich, dass selektive Aufmerksamkeit zwei qualitativ unterschiedliche Mechanismen beinhaltet. Demnach würde neben dem Fokussieren auf relevante Informationen auch ein aktiver Prozess der Inhibition der Verarbeitung irrelevanter Stimuli existieren. Zum anderen ist es aber auch denkbar, dass aufgrund begrenzter Verarbeitungsressourcen das Fokussieren auf relevante Reize automatisch mit dem Nichtbeachten irrelevanter Stimuli einhergeht und nur ein Mechanismus existiert. In einem ersten Experiment wurde vorab die Alertness als ein grundlegender Prozess der Aufmerksamkeit mit der Nah-Infrarot Spektroskopie (NIRS) untersucht. Mittels eines zweigestuften Studiendesigns wurden in einem ersten Schritt für die Alertness relevante Regionen über fronto-temporalen Hirnarealen definiert. Als relevant erwiesen sich Areale des mittleren und superioren temporalen Kortex der rechten Hemisphäre und der ventrale Teil des inferioren frontalen Kortex der linken Hemisphäre. In einer zweiten Datenerhebung konnte für diese Regionen eine signifikant höhere Aktivierung während der Alertnessbedingung im Vergleich zu einer visuellen und motorischen Kontrollbedingung gefunden werden. Mit dem zweiten Experiment sollten bestehende, mit dem Elektroenzephalogramm (EEG) erhobene, Befunde zur Modulation der neuronalen Verarbeitung visueller Stimuli repliziert werden. Dies geschah mithilfe eines neu entwickelten Untersuchungsparadigmas, einer modifizierten n-back Aufgabe. Wie erwartet fand sich eine erhöhte Verarbeitung aufgaben-relevanter Reize im Vergleich zu einer perzeptuellen Kontrollbedingung. Die Verarbeitung irrelevanter Reize wurde allerdings nicht unterdrückt. Explorativ fand sich ein entsprechendes Korrelat der Aufmerksamkeitslenkung über frontalen Elektroden. In einem dritten Experiment wurde das modifizierte n-back Paradigma an die Anforderungen einer NIRS Messung angepasst, um frontale Effekte der Aufmerksamkeitslenkung direkter erfassen zu können als mit dem EEG. Wie erwartet fand sich bezüglich des Beachtens wie auch des Ignorierens von Stimuli eine Beteiligung frontaler Strukturen. Auf beachtete Stimuli folgte eine bilaterale Aktivierung des dorsolateralen präfrontalen Kortex (DL-PFK) und eine Aktivierung des linken inferioren frontalen Kortex bis hin zum prä- und postzentralen Kortex. Das Ignorieren visueller Stimuli führte zu einer weitläufigen Aktivierung des rechten präfrontalen Kortex (PFK). Eine Beteiligung des linken inferioren frontalen Gyrus an der Interferenzkontrolle konnte nicht wie erwartet nachgewiesen werden. Der Vergleich der beiden Aktivierungsmuster ergab keine signifikanten Unterschiede. Die zugrunde liegenden Prozesse des Arbeitsgedächtnisses und der Interferenzkontrolle führten also zu einer Aktivierung stark überlappender Hirnregionen. Nachdem die Ergebnisse der Experimente 2 und 3 keinerlei Hinweise auf einen aktiven Prozess der Interferenzinhibition nachweisen konnten, wurde im Experiment 4 die bisher genutzte 1-back Aufgabe durch eine schwierigere 2-back Aufgabe ersetzt. Aufgrund der erhöhten Auslastung des Arbeitsgedächtnisses sollte eine stärkere Anstrengung und damit eine verstärkte frontale Aktivierung bei der Interferenzinhibition auftreten. Diese Hypothese wurde mit einer frontalen NIRS Messung überprüft (Experiment 4a). Wie erwartet führte die erhöhte Auslastung des Arbeitsgedächtnisses zu einer verstärkten Aktivierung des PFK bezüglich beachteter Reize. Hinsichtlich ignorierter Reize fand sich allerdings keine frontale Beteiligung. Parallel erhobene EEG Daten zeigten keinen Unterschied zwischen der Verarbeitung beachteter und ignorierter Gesichter. Die Verarbeitung passiv betrachteter Gesichter war im Gegensatz zu beachteten und ignorierten Gesichtern vermindert. Im zweiten Teil der Studie (Experiment 4b) wurden erstmals die okzipitalen Effekte der Aufmerksamkeitslenkung mit der NIRS erfasst. Im Einklang mit den Ergebnissen der ersten EEG Studie (Experiment 2) fand sich zwar eine verstärkte Verarbeitung beachteter, aber keine verminderte Verarbeitung ignorierter Reize. Zusammengenommen sprechen die fehlende aktive Inhibition von Distraktorreizen im okzipitalen Kortex und die vergleichbaren neuronalen Korrelate von Prozessen des Arbeitsgedächtnisses und der Interferenzinhibition im frontalen Kortex für die Hypothese einer Aufteilung von begrenzten Verarbeitungsressourcen zugunsten beachteter Reize.
Gegenstand der vorliegenden Arbeit war der Einfluss von emotionalem Gesichtsausdruck und wahrgenommener Blickrichtung auf die visuelle Aufmerksamkeitsausrichtung bei sozialer Ängstlichkeit. Dabei wurde zum einen die so genannte Hypervigilanz-Vermeidungs-Hypothese getestet (Experimente 1 und 2), wonach Hoch-Sozialängstliche (HSÄ) Personen ärgerliche Gesichter initial häufiger anschauen und im weiteren Verlauf vermeiden. Zum anderen wurde überprüft, ob soziale Ängstlichkeit mit einem Vermeiden von Blickkontakt und gleichzeitiger erhöhter physiologischer Erregung assoziiert ist (Experiment 3). Im ersten Experiment wurde das experimentelle Design zur Messung der visuellen Aufmerksamkeitsausrichtung mittels Eye-Tracking etabliert. HSÄ zeigten beim Betrachten zweier gleichzeitig präsentierter Gesichter (emotional vs. neutral) eine Aufmerksamkeitsverzerrung für emotionale Gesichter, die allerdings noch durch das Geschlecht moduliert wurde. HSÄ schauten initial vor allem häufiger auf weibliche freundliche und auf männliche ärgerliche Gesichter. Außerdem tendierten HSÄ dazu, emotionale Gesichter zwischen 1 s und 1.5 s nach Bild-Onset weniger lange anzuschauen, was auf ein Vermeidungsverhalten hindeuten könnte. Im zweiten Experiment wurde dieses Paradigma um eine emotionale Antisakkadenaufgabe erweitert, mit der die willentliche Inhibition der reflexiven Aufmerksamkeitsausrichtung auf soziale Stimuli überprüft werden sollte. Außerdem erfolgte hier eine Selektion von Probanden anhand der Fragebogenscores in einem Screening zur sozialen Ängstlichkeit, um extremere Gruppen zu erhalten. HSÄ zeigten in der freien Bildbetrachtung einen initialen Aufmerksamkeitsbias für freundliche Gesichter und mehr Fehler in der Antisakkadenaufgabe auf alle Gesichtsausdrücke, was auf eine generell verminderte Fähigkeit, die reflexive Aufmerksamkeit auf soziale Stimuli willentlich zu hemmen, hinweist. Die Befunde deuten zum einen auf einen Aufmerksamkeitsverzerrung hin zu freundlichen Gesichtern bei sozialer Ängstlichkeit hin, was als Konsequenz eine Modifizierung der Hypervigilanz-Vermeidungs-Hypothese notwendig erscheinen lässt. Zum anderen zeigen die Ergebnisse der Antisakkadenaufgabe, dass soziale Ängstlichkeit möglicherweise mit einer grundsätzlich verminderten Aufmerksamkeitskontrolle auf soziale Stimuli assoziiert ist. Im dritten Experiment wurden dynamische Videos von Gesichtern eingesetzt, um die Vermeidungsreaktion auf direkten Blickkontakt bei sozialer Ängstlichkeit zu untersuchen. Zusätzlich wurden die Herzraten- (HR) und Hautleitfähigkeitsreaktion (SCR) als Maße autonomer Aktivierung erhoben. Auch hier wurden anhand eines Screenings gebildete Gruppen untersucht. HSÄ zeigten eine verstärkte HR-Akzeleration auf direkten Blick, was als defensive Reaktion gedeutet werden kann, wie sie bei ängstlichen Probanden häufig in Reaktion auf phobie-relevante Stimuli auftritt. Direkter Blick könnte also tatsächlich ein Angst auslösender Stimulus bei sozialer Ängstlichkeit sein, allerdings resultiert dies nicht zwangsläufig in Vermeidung von Blickkontakt. Zusammen deuten die vorliegenden Studien daraufhin, dass sowohl emotionaler Ausdruck als auch Blickrichtung kritische Variable bei sozialer Ängstlichkeit sind. Weitergehende Untersuchungen sollten insbesondere die Wirkung der Interaktion dieser beiden Variablen auf die visuelle Aufmerksamkeitsausrichtung bei sozialer Ängstlichkeit untersuchen.