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Die ängstliche Depression stellt einen Subtypus der Depression dar, der noch nicht ausreichend erforscht ist und somit eine Herausforderung im klinischen Alltag darstellt. Laut der bisherigen Literatur sind genetische Unterschiede sowie Kindheitstraumatisierungen an der Pathophysiologie von Depressionen beteiligt und mitverantwortlich für die Ausprägung des Subtypus ängstliche Depression.
In dieser Untersuchung wurde erforscht, ob es unterschiedliche Genexpressionslevel des Gens NR3C1 zwischen ängstlich-depressiven und nicht-ängstlich-depressiven Personen gibt. Zusätzlich wurde geprüft, ob Kindheitstraumatisierungen einen weiteren Einfluss auf die Genexpression der beiden Subtypen der Depression haben.
Es zeigte sich, dass ängstlich-depressive Personen in Woche 1 bis 4 höhere HAM-D-Summenwerte erzielten, mit zusätzlichen Kindheitstraumatisierungen wurden die höchsten HAM-D-Werte festgestellt. Diese Gruppe hatte gehäuft Kindheitstraumata im Fragebogen angegeben, die Traumata Emotionale Misshandlung und Körperliche Vernachlässigung kamen signifikant häufiger vor.
Anhand dieser durchgeführten Studie konnten zusammengefasst werden, dass sich die Genexpressionslevel von NR3C1 zwischen den beiden Subtypen als unterschiedlich erwies. Zusätzlich scheinen die beiden Kindheitstraumata Emotionale Misshandlung und Körperliche Vernachlässigung einen weiteren Einfluss auf die Genexpression von NR3C1 zu haben.
Die unterschiedliche Genexpression von NR3C1 deutet auf verschiedene Funktionsweisen des GR zwischen den Subtypen hin. Dies könnte für die Verlaufsbeurteilung und Therapieansätze der Erkrankung von Bedeutung sein. Die häufiger vorkommenden Kindheitstraumatisierungen bei ängstlich-depressiven Personen können als ein pathophysiologischer Baustein für die Entstehung der ängstlichen Depression gesehen werden. Daher ist es umso wichtiger, das Überprüfen von erlebten Kindheitstraumata bei initialer Befragung in den klinischen Alltag mitaufzunehmen. Da auch der Depressionsschweregrad durch Kindheitstraumatisierungen in dieser Studie zunahm, ergeben sich daraus mögliche Konsequenzen für die therapeutische Planung.
Schwangerschaft und Stillzeit gehen mit erheblichen metabolischen Veränderungen des mütterlichen Organismus einher. Bis dato ist über die Pharmakokinetik von Psychopharmaka in dieser Zeit wenig bekannt. In unserer naturalistischen Beobachtungsstudie untersuchten wir 61 Frauen hinsichtlich der Dynamik psychotroper Medikamente innerhalb der Schwangerschaft und Stillzeit im Serum und teils in der Muttermilch. Zudem erhoben wir Eckdaten der Entwicklung der exponierten Kinder innerhalb des ersten Lebensjahres.
Bis auf Citalopram stellten wir bei allen analysierten Medikamenten Spiegelabfälle in der Schwangerschaft fest: vom ersten zum zweiten Trimenon fielen die Spiegel bei Escitalopram, Sertralin, Duloxetin, Amitriptylin, Clomipramin und Quetiapin. Während wir in der Spätschwangerschaft bei Escitalopram, Venlafaxin, Clomipramin, Mirtazapin, Aripiprazol und Quetiapin eine weitere Reduktion der Serumkonzentrationen protokollierten, blieben die Spiegel von Amitriptylin stabil, die Sertralin-Spiegel erholten sich sogar partiell. Citalopram zeigte keine Änderung der Serumspiegel. Direkt postpartal kam es bei allen Medikamenten zu einem Spiegelanstieg. Im postpartalen Verlauf zeigten die einzelnen Medikamente widersprüchliche Dynamiken. Hohe Penetrationsraten in die Muttermilch wiesen Escitalopram und Venlafaxin auf; Duloxetin, Clomipramin und Quetiapin gingen kaum bzw. nicht in die Muttermilch über. Wir fanden keine signifikanten Unterschiede zwischen in utero nicht exponierten zu exponierten Kindern bezüglich Geburtsparametern wie Schwangerschaftswoche, Körpermaße oder APGAR-Wert. Während die nicht exponierten Kinder vermehrt unter leichten Auffälligkeiten direkt postpartal litten, wiesen die exponierten Neugeborenen mehr mittelschwere Auffälligkeiten auf. Hinsichtlich der Entwicklung innerhalb des ersten Lebensjahres (gemessen an groben Entwicklungsmeilensteinen) ergaben sich keine signifikanten Unterschiede.
Im klinischen Alltag trägt das Therapeutische Drug Monitoring als indirekte Methode zur Kontrolle aller an der Metabolisierung beteiligten Faktoren enorm zur Steigerung der Sicherheit und Effektivität der individuellen Pharmakotherapie bei. Die pharmakokinetische Dynamik fällt bei manchen Medikamenten jedoch interindividuell sehr unterschiedlich aus (insbesondere bei Sertralin); hier stellt eine initiale Genotypisierung der Cytochrom-P450-Enzyme ein großes Potential dar, um bereits zu Beginn einer Schwangerschaft über die voraussichtliche pharmakokinetische Dynamik im Bilde zu sein und möglicher Unter- bzw. Überdosierung mit potentiell fruchtschädigender Wirkung vorbeugen zu können.
Auswirkungen der Genpolymorphismen ASIC1, BDNF und NPSR1 auf die Antizipationsphase aversiver Reize
(2024)
In dieser Arbeit wurden einerseits die Antizipationsphasen von aversiven gegenüber neutralen Reizen anhand von Messungen der Hautleitfähigkeit und der Startle-Reaktion untersucht. Andererseits wurde die Hautleitfähigkeit auch während der Präsentation aversiver und neutraler Reize mit dem Ziel gemessen, signifikante Unterschiede festzustellen. Insbesondere wurden die Auswirkungen der Allele der Gene ASIC1 und der Interaktion der Genallele BDNF und NPSR1 betrachtet.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, den Einfluss der Risikogene auf die physiologische Angstreaktion und die subjektive Angstwahrnehmung zu untersuchen. Hierzu wurden den genotypisierten Probanden aversive und neutrale Videos präsentiert. Vor jedem Video erfolgte die Ankündigung, ob es sich um ein neutrales oder aversives Video handelt, wodurch bei Letzterem im Allgemeinen antizipatorische Angst – Erwartungsangst – hervorgerufen wird.
Im Vergleich der Antizipationsphase vor Darbietung aversiver Videos mit der Antizipationsphase vor neutralen Videos konnte eine erhöhte Startle-Amplitude gemessen werden. Jedoch konnte weder anhand der Veränderung der Hautleitfähigkeit noch anhand der Startle-Amplitude ein signifikanter Unterschied bei Trägern und Nicht- Trägern der Risikogenallelen in der Antizipationsphase festgestellt werden. Während der Präsentation der Videos konnte für die aversiven Videos im Vergleich zu den neutralen eine erhöhte Hautleitfähigkeit gemessen werden. Ebenfalls konnte bei der Darbietung von aversiven Videos bei den Trägern der Genallel-Interaktion NPSR1 AT/TT * BDNF GG und den Trägern des Risikogenallels ASIC1TT eine erhöhte Hautleitfähigkeit gemessen werden. So konnte mit den Ergebnissen dieser Arbeit belegt werden, dass Antizipationsangst auslösbar und anhand der Startle-Amplitude messbar ist.
Um Antizipationsangst festzustellen oder diese bei Risikogenallel-Träger zu untersuchen, waren die Ergebnisse bezüglich der Hautleitfähigkeit jedoch weniger aussagekräftig als erwartet.
Allgemein konnte die Interaktion NPSR1 AT/TT * BDNF GG und ASIC1 TT als Risikogenallele bezüglich einer verstärken Reaktion auf aversive Reize bestätigt werden. Weitere Studien sind notwendig, um die genetische Komponente von Angst und damit auch von Angsterkrankungen näher zu beleuchten, damit zukünftige Diagnostik- und Therapieansätze präzise entwickelt werden können.
Hintergrund: Depressionen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Depressive Symptome umfassen beeinträchtigte kognitive Funktionen, vegetative Beschwerden und ein verändertes emotionales Erleben. Die defizitäre Wahrnehmung interner körperlicher Signale wird sowohl mit der Pathogenese der Depression als auch mit Angststörungen in Verbindung gebracht. Interozeptive Genauigkeit (IAc) beschreibt dabei die Fähigkeit, körperliche Empfindungen wie den eigenen Herzschlag akkurat wahrzunehmen und wird mit einer Herzwahrnehmungsaufgabe erfasst. In bildgebenden Verfahren wie der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) war eine niedrigere IAc mit einer verringerten Inselaktivität assoziiert. Während der Ruhezustandsmessung des Gehirns (resting-state fMRT) kann in Abwesenheit einer Aufgabe die intrinsische Aktivität des Gehirns gemessen werden. Dies ermöglicht die Identifizierung von kortikalen Netzwerken. Depressive Patienten weisen eine veränderte funktionelle Konnektivität innerhalb und zwischen einzelnen Netzwerken wie dem Salience Network (SN), welchem die Insel zugerechnet wird, und dem Default Mode Network (DMN) auf. Bisherige Studien, in denen überwiegend jüngere depressive Patienten untersucht wurden, kamen jedoch hinsichtlich der IAc und den kortikalen Netzwerken zu inkonsistenten Ergebnissen. Insbesondere ist unklar, inwieweit sich die IAc nach einem Therapieansprechen verändert, von der Herzratenvariabilität (HRV) moduliert wird und welche Auswirkungen dies auf die funktionelle Konnektivität kortikaler Netzwerke hat.
Ziele: Eine veränderte IAc und HRV wie auch funktionelle Konnektivitätsunterschiede im DMN und SN könnten Biomarker der Depression darstellen. Im Rahmen einer Längsschnittuntersuchung wurde getestet, ob ältere depressive Patienten über eine verringerte IAc, eine geringere HRV und über eine veränderte funktionelle Konnektivität im SN sowie DMN verfügen. Darüber hinaus sollte erforscht werden, in welchem Ausmaß sich Patienten, die auf die Behandlung ansprachen (Responder), von sogenannten Non-Respondern in Bezug auf die IAc, die HRV, das SN und das DMN unterschieden.
Methoden: In Studie 1 (Baseline) wurden 30 größtenteils medizierte, schwer depressive Patienten (> 50 Jahre) und 30 gesunde Kontrollprobanden untersucht. Die IAc wurde in einer Herzwahrnehmungsaufgabe ermittelt und die HRV bestimmt. Zusätzlich wurde eine resting-state fMRT durchgeführt. Eine funktionelle Konnektivitätsanalyse für Saatregionen im SN und DMN wurde mit einem saatbasierten Ansatz (seed-to-voxel) durchgeführt. Für eine Subgruppenanalyse wurde die Patientengruppe in ängstlich-depressive und nicht-ängstlich depressive Patienten unterteilt.
In Studie 2 (sechs Monate Follow-up) wurde die Studienkohorte nochmals untersucht. Es nahmen 21 Personen der Patientengruppe und 28 Probanden der Kontrollgruppe teil. Wiederum wurden die IAc und die HRV bestimmt. Außerdem fand eine resting-state fMRT-Messung statt. Die Patientengruppe wurde unterteilt in depressive Responder und Non-Responder.
Ergebnisse: In Studie 1 zeigten depressive Patienten eine funktionelle Hypokonnektivität zwischen einzelnen Saatregionen der Insel (SN) und Teilen des superioren frontalen Gyrus, des supplementärmotorischen Cortex, des lateralen okzipitalen Cortex sowie des Okzipitalpols. Zudem wiesen depressive Patienten zwischen der Saatregion im anterioren Teil des DMN und der Insel sowie dem Operculum eine erhöhte funktionelle Konnektivität auf. Die Gruppen unterschieden sich nicht in der IAc und der HRV. Ängstlich-depressive Patienten zeigten eine höhere funktionelle Konnektivität innerhalb der Insel als nicht-ängstlich depressive Patienten, jedoch zeigten sich keine Unterschiede in der IAc und der HRV.
In Studie 2 wiesen depressive Non-Responder im Vergleich zu Respondern eine Hyperkonnektivität zwischen dem posterioren DMN und dem Frontalpol sowie zwischen dem posterioren DMN und temporalen Arealen im SN auf. Keine funktionellen Konnektivitätsunterschiede zeigten sich für die Saatregionen im SN. Depressive Responder, Non-Responder und die Kontrollprobanden unterschieden sich in ihrer IAc und HRV nicht.
Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse der Studien unterstreichen, dass bei depressiven Patienten, Respondern und Non-Respondern Unterschiede in der intrinsischen Gehirnaktivität funktioneller Netzwerke bestehen, jedoch nicht in der akkuraten Wahrnehmung des eigenen Herzschlages und der HRV. Therapeutische Interventionen, die auf eine Verbesserung der IAc abzielen, könnten insbesondere für Non-Responder dennoch eine zusätzliche Behandlungsmöglichkeit darstellen. Für eine personalisierte Medizin könnte die weitere Erforschung von kortikalen Netzwerken einen wesentlichen Beitrag leisten, um ein individuelles Therapieansprechen zu prädizieren.