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Der Einfluß von Virusinfektion und Impfung auf autoreaktive T-Lymphozyten bei der Multiplen Sklerose
(2002)
In der sogenannten ViMS-Studie, bei der MS-Patienten und gesunde Kontrollpersonen mit einer Influenza-Spaltvakzine geimpft und für einen zum Teil viermonatigen Zeitraum im Verlauf nachbeobachtet wurden, ergab sich weder mit dem sensitiven IFNg-ELISPOT noch mit der quantitativen RT-PCR ein Anhalt für erhöhte Autoimmunreaktivität gegen die zwei untersuchten Myelin-Antigene MBP und MOG. Im Gegensatz dazu konnten mit dem IFNg-ELISPOT-Assay bei einigen gesunden Spendern und MS-Patienten nach natürlichen Atemwegsinfektionen eine erhöhte Frequenz autoreaktiver MBP-spezifischer T-Lymphozyten beobachtet werden. Im zweiten Teil dieser Arbeit konnten durch Zellkulturinfektionen mit Influenzavirus oder HHV-6 weder an Primärzellkulturen noch in einem etablierten in vitro-Modell für MS-Autoimmunität an MBP-spezifischen T-Zellen eine immunstimulierende Wirkung gezeigt werden. Bei niedrigen Infektionsdosen kam es zur Proliferation einer wahrscheinlich virus-spezifischen Zellpopulation, bei höheren Dosen wurde dieser Effekt durch die bekannte Immunsuppression der in vitro-Infektion mit HHV-6 übertroffen. In einer umfassenden Untersuchung von Serumproben von gesunden Spendern und MS-Patienten in unterschiedlichen Krankheitsphasen wurden trotz sensitiver Nachweismethoden keine erhöhten Antikörper-Titer (IgG/IgM) gegen HHV-6 oder HHV-6-DNA nachgewiesen, woraus geschlossen werden darf, daß die untersuchten Viren keine intrinsische Pathogenität für die Entstehung von Autoimmunität bei der MS aufweisen. Im Vergleich zu der Kontrollgruppe erhöhte Anti-HHV-6-IgG-Titer bei PTX-behandelten MS-Patienten lassen sich als mögliches Epiphänomen durch die immun-modulatorische (Th2-vermittelte) Wirkung des Medikaments deuten. In Zusammenschau aller Ergebnisse dieser Arbeit lassen sich die anfangs angedeuteten Modelle einer virusvermittelten Autoimmunpathogenese der MS nicht eindeutig ein-ordnen. Die Ergebnisse der ViMS-Studie, unterstützt durch zahlreiche Untersuchungen anderer Gruppen, weisen in Bezug auf Schubauslösung oder Verschlechterung auf einen generellen immunaktivierenden Mechanismus im Sinne einer unspezifischen Begleitreaktion durch Infektion aber nicht durch Influenzaschutzimpfung hin. Dabei spielt wohl nicht eine einzelne Virusinfektion die maßgebliche Rolle in einem schon auf immunologischer Ebene recht komplexen Netzwerk, sondern können prinzipiell verschiedene (beliebige) Viren zum Anstoßen einer Autoimmunkaskade beitragen, wenn sie auf einen konstitutionell oder temporär empfänglichen Wirtsorganismus treffen. Dies ist auch vom Infektionsort und –milieu abhängig. Bei der vorliegenden Multifaktorialität und Heterogenität der Subpopulatio-nen sind monolineare Erklärungsansätze bislang zum Scheitern verurteilt gewesen. Aber aus dem Fehlen eines Beweises kann nicht der Beweis für das Fehlen eines Zusammen-hangs zwischen Virusinfektionen und Autoimmunreaktionen geschlossen werden.
In dieser Arbeit wurde durch das immunhistochemische Anfärben von nodalen (Natriumkanäle, NF), paranodalen (Caspr, NF) und internodalen (MBP) Proteinen der in Fingerhautbiopsien vorhanden Nervenfasern untersucht, ob eine Veränderung der typischen Verteilungsmuster dieser Proteine, eine demyelinisierende Polyneuropathie anzeigen kann. Dazu wurden am Universitätsklinikum Würzburg prospektiv 93 Polyneuropathie-Patienten und 25 Kontrollpersonen rekrutiert. Bei allen Patienten wurden Hautstanzbiospien am Zeigefinger durchgeführt. Bei 35 Patienten mit schweren oder unklaren Verläufen, wurden konsiliarisch Nervus suralis Biopsien durchgeführt. Aus einem Abschnitt von 27 dieser Biopsien, konnten im Rahmen dieser Arbeit Zupfnervenpräparate angefertigt und analog zu den Hautbiopsien ausgewertet werden. Aus der Routinediagnostik der Klinik flossen weiterhin die Ergebnisse der elektrophysiologischen Routinediagnostik und der Histologiebefund der Nervus suralis Biopsien in die Auswertung ein.
Zusammenfassend kamen veränderte Natriumkanalbanden in Fingerhautbiopsien signifikant häufiger bei Patienten mit elektrophysiologisch als demyelinisierend befundeten Polyneuropathien, als bei Patienten mit elektrophysiologisch als axonal befundeten Polyneuropathien vor. Vielfach fanden sich veränderte Natriumkanalbanden inmitten para- und internodal unauffälliger Schnürringe und umgekehrt. Diese Beobachtung stützt die bereits in Vorarbeiten vorgeschlagene und in der aktuellen Leitlinie zur Diagnostik für Polyneuropathien aufgegriffene Entität der Paranodopathien (Uncini, Susuki, & Yuki, 2013). Möglich wäre, dass eine veränderte Verteilung der Natriumkanäle die schnelle Leitfähigkeit beeinträchtigen und somit trotz intakter Bemarkung, elektrophysiologisch das Bild einer demyelinisierenden Neuropathie vermittelt. Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Auftreten von doppelten und verlängerten Natriumkanalbanden und einzelnen Messwerten (z.B. Amplituden und Latenzzeiten) fand sich nicht. Auch in den Zupfnervenpräparaten der Nervus suralis Biopsien, konnten o.g. Verteilungsmuster untersucht werden. Deren Vorkommen zeigte sich als unabhängig vom elektrophysiologischen und histologischen Befund, von der Ätiologie der PNP und von den gefundenen Veränderungen in den Hautbiopsien des betreffenden Patienten.