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Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste neurologische Erkrankung, die bei jungen Erwachsenen zu dauerhaften körperlichen Einschränkungen führt. Ein Kennzeichen der MS sind zeitlich und örtlich disseminierte entzündliche Läsionen im zentralen Nervensystem (ZNS). Die Läsionsart, die am häufigsten auftritt, ist u. a. durch Antikörperablagerungen charakterisiert. Die häufigste Verlaufsform der MS tritt in Schüben auf. Im Laufe der Erkrankung bilden sich die Symptome in der Mehrzahl der Patienten unvollständig zurück und es entwickelt sich ein chronischer Verlauf. Trotz intensiver Forschung ist die Ätiologie der MS bisher unbekannt Bis heute gibt es keine Biomarker, um den Therapieerfolg oder das Therapieversagen der MS-Basistherapeutika (Glatirameracetat und β-Interferon) zu bestimmen. Aktuelle Studien, bei denen B-Zellen depletiert wurden, zeigten eine signifikante Reduktion MS-typischer Läsionen und der Schubrate bei der schubförmigen MS. Man vermutet, dass autoreaktive B-Zellen vielfältige Aufgaben in der Pathogenese der MS übernehmen: sie produzieren Autoantikörper, präsentieren autoreaktiven T-Zellen Autoantigene und sezernieren Mediatoren, die zur Aktivierung anderer Immunzellen führen. Es ist noch unklar, welche B-Zell-Untergruppe bei der MS besondere Relevanz hat. Vor kurzem wurden B1-Zellen beim Menschen beschrieben. Eine Studie zeigte, dass die Anzahl der B1-Zellen in unbehandelten MS-Patienten signifikant erniedrigt war. Des Weiteren wurden im ZNS von chronisch erkrankten MS-Patienten B-Zell-Aggregate nachgewiesen. Diese B-Zell-Aggregate ähneln sekundären lymphatischen Organen und könnten zur Progredienz der Erkrankung beitragen. Eine ex vivo-Studie zeigte, dass die B-Zell-Aggregat-Bildung durch das Adhäsionsmolekül CEACAM1-(carcinoembryogenic antigen-related cell adhesion molecule 1) vermittelt wird. Überdies ist die Koexpression von CEACAM1 und TIM-3 (T-cell immunoglobulin- and mucin-domain containing-3) für immunerschöpfte und tolerante T-Zellen charakteristisch. Schließlich konnte unsere Arbeitsgruppe zeigen, dass ZNS-reaktive B-Zellen nur im Blut von Patienten mit einem klinisch isolierten Syndrom und MS-Patienten nachweisbar waren.
In meiner Studie habe ich den Einfluss von MS-Basistherapeutika und einer MS-Eskalationstherapie auf die B-Zell-Untergruppen untersucht. Dabei habe ich die naive B-Zell-, B-Gedächtniszell-, B1-Zell- und Plasmablasten-Zahl von gesunden Probanden sowie unbehandelten und behandelten MS-Patienten miteinander verglichen. Die B-Zell-Untergruppen wurden durchflusszytometrisch untersucht. Die B1-Zell-Zahl war bei behandelten und unbehandelten MS-Patienten signifikant erniedrigt. In einer weiteren Studie konnte ich zeigen, dass die Anwesenheit von ZNS-reaktiven B-Zellen im Blut von glatirameracetat-behandelten MS-Patienten mit dem Therapieerfolg assoziiert war. Die ZNS-reaktiven B-Zellen wurden durch einen ZNS-Lysat-ELISPOT detektiert. Schließlich habe ich in einer dritten Studie die Expression von CEACAM1 und TIM-3 auf B-Zellen bei natalizumab-behandelten MS-Patienten durchflusszytometrisch untersucht. Im Vergleich zu gesunden Probanden zeigte sich, dass im Blut der MS-Patienten die CEACAM1+- und die CEACAM1\(^+\)TIM-3\(^+\)-B-Zell-Zahl signifikant erhöht war. Im Gegensatz dazu waren CEACAM1\(^+\)TIM-3\(^+\)-T-Helferzellen signifikant erniedrigt in behandelten MS-Patienten.
Meine Arbeit belegt, dass die B1-Zell-Population unabhängig von der MS-Therapie in MS-Patienten erniedrigt ist. Ungeklärt bleibt, ob diese Erniedrigung eine Folge oder eine Ursache der Erkrankung ist. B1-Zellen sind die Quelle von natürlichen Antikörpern in Mensch und Tier. Sie haben protektive Eigenschaften und sind bei der B-Zell-Toleranzinduktion beteiligt. Die protektiven Funktionen der natürlichen Antikörper könnten durch die Erniedrigung der B1-Zell-Zahl ausbleiben. Zusätzlich waren B-Zellen mit einem immunerschöpften Phänotyp im Blut von MS-Patienten erhöht. Trotz Stimulation konnte kein Phänotyp bei T-Helferzellen induziert werden, der für tolerante und immunerschöpfte T-Zellen beschrieben worden ist. In zukünftigen Studien sollte man die B1-Zell-Zahl und die CEACAM1\(^+\)TIM-3\(^+\)-B- und -T-Zell-Zahl bei Patienten mit einem klinisch isolierten Syndrom im Liquor und im Blut untersuchen. Damit könnte man feststellen, ob B1-Zellen aus der Peripherie bei MS-Patienten in das ZNS migrieren. Die Anwesenheit ZNS-reaktiver B-Zellen im Blut von behandelten MS-Patienten zeigte sich in meiner Arbeit als ein Marker, um den Therapieerfolg zu dokumentieren. Eine weiterführende Querschnittstudie (COPSELECT) wird ZNS-reaktive B-Zellen mittels ZNS-Lysat-ELISPOT als zukünftige Therapie-Biomarker ausführlicher untersuchen. MS-Biomarker wären für den einzelnen Betroffenen von großer Bedeutung und hätten ebenfalls gesundheitsökonomisch eine hohe Relevanz.
Bei der Multiplen Sklerose (MS) handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Abhängig von der betroffenen ZNS-Region kann es zu vielfältigen Symptomen kommen. Neben neurologischen Symptomen verursacht durch ZNS-Läsionen leidet ein Großteil der MS-Patienten auch unter gastrointestinalen Funktionsstörungen. Diese gastrointestinalen Symptome wurden bisher eher auf Läsionen im Rückenmark zurückgeführt und nicht direkt in Verbindung mit der autoimmunen Ätiologie der Erkrankung gebracht.
In dieser Studie wurde das enterische Nervensystem (ENS) in einem B-Zell- und Antikörper-abhängigen Mausmodell der MS untersucht. Dafür wurde der Autoimmunprozess durch Immunisierung mit MP4, einem Fusionsprotein aus dem Myelin-Basischen-Protein (MBP) und dem Proteolipid-Protein (PLP), ausgelöst. Das ZNS und ENS wurden in den unterschiedlichen Erkrankungsstadien immunhistochemisch und elektronenmikroskopisch analysiert. Neben der Immunpathologie des ZNS konnte dabei eine Degeneration des ENS schon vor dem Einsetzen der ersten neurologischen Defizite nachgewiesen werden. Die ENS-Pathologie war antikörper-mediiert und ging einher mit einer verringerten gastrointestinalen Motilität sowie mit einer Gliose und Neurodegeneration des ENS.
Mithilfe von Immunpräzipitation und Massenspektrometrie konnten im ENS vier mögliche Zielstrukturen des Autoimmunprozesses identifiziert werden, was auf sog. epitope spreading hindeutet. Auch im Plasma von MS-Patienten konnten Antikörper gegen drei dieser Antigene nachgewiesen werden. Des Weiteren zeigten sich in Kolon-Resektaten von MS-Patienten erste Ansätze einer Neurodegeneration und Gliose des ENS.
In dieser Studie wurde zum ersten Mal ein direkter Zusammenhang zwischen der Autoimmunreaktion gegen das ZNS und einer simultanen Reaktion gegen das ENS gezeigt. Dies kann einen Paradigmenwechsel im Verständnis der Immunpathogenese der MS anstoßen und neue therapeutische und diagnostische Ansätze initiieren.