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Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Darstellung und Reaktivität neutraler Diboraarene, wobei im ersten Teil die Synthese neuer Metallkomplexe eines cAAC-stabilisierten (cAAC = cyclisches Alkyl(amino)carben) 1,4-Diborabenzols sowie deren Folgereaktivität im Fokus steht. Im zweiten Abschnitt wird die Reaktivität des Diborabenzols und eines cAAC-stabilisierten 9,10-Diboraanthracens gegenüber Hauptgruppenelementverbindungen untersucht und vergleichend gegenübergestellt. Darauffolgend werden neben der Synthese neuer Metallkomplexe des Diboraanthracens auch weitere Reaktivitätsuntersuchungen der Verbindung behandelt. Der letzte Teil der Arbeit befasst sich mit der Darstellung neuartiger neutraler und cAAC-stabilisierter Diboraacene über eine Modulation des π-Systems. Dabei wird der synthetische Zugang zu einem 1,4-Diboranaphthalin und einem 6,13-Diborapentacen ermöglicht und ausgewählte Reaktivitäten beider Verbindungen demonstriert.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Synthese und Reaktivitat niedervalenter borhaltiger Verbindungen der Oxidationsstufe +I, sowie der Darstellung eines neuen zweizähnigen Carbens. Von zentraler Bedeutung waren dabei Verbindungen aus der Substanzklasse der cAACs, die sowohl als stabilisierende Lewis-Basen der Diborene und Borylene zum Einsatz kamen, als auch das Grundgerüst des neuen Carbens bilden.
Zunächst stand die Synthese eines neuen Diborens im Fokus, wobei Cyclohexylsubstituenten am Pyrrolidingerust des cAACs verwendet wurden. Die Reaktivitätsstudien wurden anschließend am Diboren mit dem methylsubstituierten cAAC-Derivat durchgeführt. Dabei konnte neben der 1,2-Addition von Wasser die Insertion von Acetylen in die BB-Bindung, sowie die Spaltung durch die Reaktion mit diversen Aziden beobachtet werden. Darüber hinaus gelingt die vollständige Separierung beider Boratome in zwei getrennte Moleküle bei der Umsetzung mit Kohlenstoffdioxid in einer Reaktionssequenz aus [2+2]-Cycloaddition und -reversion.
Das dabei erhaltene Hydroborylen wurde im zweiten Teil der Arbeit hinsichtlich seiner Reaktivität untersucht. Gerade die Carbonylfunktionalität erlaubte hierbei den Zugang zu vielfältigen Reaktionsprodukten. Unter anderen kann der Carbonylsubstituent in ein Alkin oder ein Nitril überführt werden. Zudem kann die, aus der Übergangsmetall-Carbonylchemie bekannte, Fischer-Carben Synthese am Borylen reproduziert werden und stellt somit ein metallomimetisches Verhalten der Borylene zur Schau.
Der letzte Teil befasst sich mit der Darstellung eines zweizähnigen Carbenliganden, wobei der Nachweis des freien Carbens indirekt mittels Abfangreaktionen gelang.
Einfach Lewis-Basen stabilisierte Borylene wurden durch Reduktion in situ hergestellt und in Gegenwart von Kohlenstoffmonoxid oder Distickstoff umgesetzt. Die entstandenen Verbindungen wurden mittels NMR-, ESR-, UV/Vis- und IR-Spektroskopie sowie Einkristallröntgenstrukturanalyse charakterisiert. Im Zuge dessen konnten für die erhaltenen Spezies Eigenschaften ermittelt werden, die denen analoger Übergangsmetallkomplexe ähneln. Ferner konnten die zugrundeliegenden mechanistischen Vorgänge der Reaktionen durch gezielte Variation der Reaktionsparameter aufgeklärt werden. Zudem wurden Redoxverhalten und Reaktivitäten der isolierten Produkte in weiterführenden Studien näher untersucht.
This work involves the synthesis and reactivity of pseudohalide-substituted boranes and borylenes. A series of compounds of the type (CAAC)BR2Y (CAAC = cyclic alkyl(amino)carbene; R = H, Br; Y = CN, NCS, PCO) were prepared first. The two-electron reduction of (CAAC)BBr2Y (Y = CN, NCS) in the presence of a second Lewis base L (L = N-heterocyclic carbene) resulted in the formation of the corresponding doubly Lewis base-stabilized pseudohaloborylenes (CAAC)(L)BY. These borylenes show versatile reactivity patterns, including their oxidation to the corresponding radical cations, coordination via the respective pseudohalide substituent to group 6 metal carbonyl complexes, as well as a boron-centered protonation with Brønsted acids to boronium cations. Reduction of (CAAC)BBr2(NCS) in the absence of a second donor ligand, led to the formation of boron-doped thiazolothiazoles via reductive dimerization of two isothiocyanatoborylenes. These B,N,S-heterocycles possess a low degree of aromaticity as well as interesting photophysical properties and can furthermore be protonated as well as hydroborated. Additionally, CAAC adducts of the parent boraphosphaketene (CAAC)BH2(PCO) could be prepared, which readily reacted with boroles [Ph4BR'] (R' = aryl) via decarbonylation in a ring expansion reaction. The obtained 1,2-phosphaborinines represent B,P-isosteres of benzene and consequently could be coordinated to metal carbonyl complexes of the chromium triade via η6-coordination, resulting in new half-sandwich complexes thereof.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Synthese, Charakterisierung und Reaktivität von Boryldiazenidokomplexen. Im ersten Abschnitt wird die Synthese von neuartigen Boryldiazenidokomplexen behandelt. Im zweiten Teil werden Studien zu den Reaktivitäten dieser Verbindungen gegenüber Elektrophilen, Lewis-Basen sowie Reaktionen an den Element-Halogen-Bindungen vorgestellt.
Die vorliegende Arbeit umfasst im Wesentlichen Studien über die Reaktivität von Diboracumulenen sowie Dicyanodiborenen gegenüber diversen Substraten verschiedener Substanzklassen, wie z. B. Acetylenen, Aminen, Aziden, Nitrilen, Isonitrilen und Übergangsmetallen. Auf diese Weise sollen zunächst Einblicke in das unterschiedliche Reaktionsverhalten der niedervalenten Borverbindungen ermöglicht sowie ein Verständnis für die erhaltenen, teils neuartigen, Bindungsmodi und Substanzklassen etabliert werden. Die jeweiligen MecAAC- und CycAAC-stabilisierten Verbindungen wurden hierbei auf den Einfluss des sterischen Anspruchs der Liganden in Bezug auf die Reaktivität untersucht. Die aufgeführten Kapitel beziehen sich daher auf die Reaktivität der Diboracumulene wie auch die der Dicyanodiborene gegenüber Verbindungen jeweils einer bestimmten Substanzklasse. Die erhaltenen Produkte werden, soweit möglich, miteinander verglichen.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Synthese und Reaktivität von Phosphan-stabilisierten Diborenen. Der erste Teil beschreibt die Darstellung von Tetrabromdiboran(4)-Addukten mit zweizähnigen (84a–87c) und einzähnigen Phosphanen (43a–c; 88a–89b), welche ausgehend von B2Br4(SMe2)2 (83) in einer Substitutionsreaktion in sehr guten Ausbeuten erhalten wurden. In fast allen Fällen gelang es mithilfe der Molekülstrukturen im Festkörper die Verbindungen näher zu untersuchen. Dabei konnten erstmalig Phosphan-verbrückte Diboran(6)-Verbindungen 86a–87a strukturell charakterisiert werden. Eine Besonderheit stellt in diesem Zusammenhang der PBBP-Torsionswinkel α dar, der die Abwinklung zwischen den Phosphanliganden angibt und welcher mit steigender Sterik zunimmt, was auf attraktive Dispersionswechselwirkungen zwischen den organischen Resten zurückzuführen ist.
Einige Addukte wurden experimentell auf ihr Redoxverhalten hin untersucht. Obwohl bei vielen Reduktionsversuchen Diboren-typische NMR-Signale beobachtet wurden, sind die meisten Produkte so instabil, dass keine weiteren Beweise für die erfolgreiche Darstellung der jeweiligen Diborene erbracht werden konnten. Nur für 88c gelang die zielgerichtete Reduktion zum Diboren 93c zu reduzieren. Die analysenreine Isolierung von 93c gelang jedoch nicht, sodass es in situ zum Diboren-Übergangsmetall-side-on Komplex 94 umgesetzt wurde. Quantenchemische Untersuchungen der Grenzorbitale zeigten, dass sehr wahrscheinlich die energetische Lage der MOs mit Anteilen auf den σ*-Orbitalen der B‒Br-Bindungen ausschlaggebend für eine erfolgreiche Reduktion von Bisphosphanaddukten zum Diboren ist. Allerdings stellt auch der räumliche Anspruch der Phosphane einen entscheidenden Stabilitätsfaktor für das entstehende Phosphan-stabilisierte Diboren dar.
Weiterhin wurde das Portfolio an Phosphan-stabilisierten 1,2-Diaryldiborenen mit den Ver-bindungen 97a–98b erweitert und die Synthese derartiger Diborene in einer Eintopfsynthese optimiert. Außerdem gelang die erstmalige Darstellung Phosphan-stabilisierter Diborene mit Durylsubstituenten (98a/b), die sich aber, mitsamt ihren Brom-verbrückten Monoadduktvorstufen 96a/b, als unerwartet labil erwiesen. Die Diborene zeigen für diese Verbindungsklasse typische NMR-spektroskopische und röntgenkristallographische Messdaten. Zusätzlich wurden 97a/b mittels UV/Vis-Spektroskopie und quantenchemischen Methoden näher analysiert.
Das Hauptaugenmerk der durchgeführten Forschungsarbeiten lag auf der Untersuchung der Reaktivität des Diborens 48a. Dessen B=B-Bindungsordnung konnte in zwei Reaktionen mit unterschiedlichen Oxidationsmitteln unter Bildung des Radikalkations [100]∙+ herabgesetzt werden. Eine Oxidation der B=B-Bindung gelang auch mit der Umsetzung von 48a mit Chalkogenen und chalkogenhaltigen Reagenzien. Unter anderem gelang mit der Darstellung des 1,2-Dimesityl-1,2-di(phenylseleno)diborans(4) (104) die Synthese eines seltenen Beispiels für ein strukturell aufgeklärtes, selenhaltiges Diboran(4). Dabei konnte außerdem erstmals die vollständige Freisetzung beider Lewis-Basen aus einem Diboren unter gleichzeitiger Reduktion der Bindungsordnung beobachtet werden.
Weiterhin wurde 48a mit stickstoffhaltigen Heteroaromaten umgesetzt. Dabei lassen die spektroskopischen und quantenchemischen Daten ein Pyridin-stabilisiertes Diboren 105 vermuten. In weiteren Versuchen wurde 48a mit 2,2'-Bipyridin untersucht und ein Monoboran und das 1,4-Diaza-2,3- diborinin 106 erhalten. 106 wurde im Festkörper und quantenchemisch näher untersucht. Eine NICS-Analyse bescheinigt dem zentralen B2N2C2-Ring des Diborans(4) ein außer-ordentliches Maß an Aromatizität.
Ferner war 48a in der Lage, Element-Wasserstoffbindungen zu aktivieren (E = B, Si, N, S). Während für die Umsetzungen mit diversen Silanen nur über die Reaktionszusammensetzung spekuliert werden konnte, gelang die Strukturaufklärung zweier Produkte der Reaktion mit HBCat (110 und 111) mittels Einkristallröntgenstrukturanalyse. In diesem Zusammenhang gelang die Darstellung der sp2-sp3-Diborane(5) 112–113b in Umsetzungen von 48a mit einem Thiol bzw. mit Anilinderivaten in guten Ausbeuten. Die NMR-spektroskopischen und kristallographischen Daten der Produkte sind miteinander vergleichbar und liegen im erwarteten Bereich derartiger Verbindungen. Zusätzlich konnte in den stickstoffhaltigen Produkten 113a/b die trans-Konfiguration der B=N-Doppelbindung mittels 1H–1H-NOESY-NMR-Experimenten bestätigt werden.
Das Diboren 48a zeigt auch ein reichhaltiges Reaktivitätsverhalten gegenüber kleinen Molekülen. Nach dem Austausch der Schutzgasatmosphäre gegen N2O oder CO2 konnte die oxidative Zersetzung von 48a zum literaturbekannten Boroxinderivat 114 festgestellt werden.
Gänzlich anders verlief die Reaktion von 48a mit CO, wobei ein interessanter, achtgliedriger Heterocyclus 115 gebildet wurde, der formal aus zwei gespaltenen CO-Molekülen und zwei Diborenen besteht. Die genaue Beschreibung der Bindungssituation innerhalb der BC(P)B-Einheit kann, anhand der Festkörperstruktur von 115 und DFT-Berechnungen, mit literaturbekannten α-borylierten Phosphoryliden verglichen werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit liegt eine Mischform der mesomeren Grenzstrukturen 115-A, 115-B und 115-C vor, da für alle drei Strukturvorschläge experimentelle Hinweise gefunden werden können.
Das Diboren 48a reagierte mit H2 ohne Katalysator, unter thermischer Belastung, erhöhtem Druck und langer Reaktionszeit zu unterschiedlichen Produkten. Erste Umsetzungen führten hierbei zum Produkt 118a, das in folgenden Hydrierungen aber nicht mehr reproduziert werden konnte. Stattdessen wurde die selektive Bildung der Monoborane 119a/b beobachtet. Für beide Reaktivitäten wurde je ein Reaktionsmechanismus quantenchemisch untersucht. Das Schlüsselintermediat ist dabei jeweils ein hochreaktives Intermediat Int3, welches vermutlich für eine Vielzahl an Reaktivitäten von 48a verantwortlich ist.
Das letzte Kapitel widmete sich unterschiedlichen Cycloadditionen von 48a mit verschiedenen ungesättigten Substraten. Die Reaktivität gegenüber Aziden konnte hierbei nicht vollständig aufgeklärt werden. Allerdings gelang es ein PMe3-stabilisiertes Phosphazen 122 als Nebenprodukt nachzuweisen und gezielt in einer Staudinger-Reaktion darzustellen.
Mit Carbodiimiden reagierte das Diboren 48a unter photolytischen Bedingungen zu den 1,2,3-Azadiboretidinen 123a–c, wobei die Reaktionsgeschwindigkeit stark vom sterischen Anspruch des Carbodiimids abhängig war. Das Azadiboretidin 123a konnte im Festkörper näher untersucht werden und stellt ein seltenes Beispiel für einen solchen Heterocyclus dar. Die thermische Umsetzung von 48a mit den Carbodiimiden lieferte hingegen ein noch nicht vollständig aufgeklärtes Produkt. Anhand der spektroskopischen Daten wird die Darstellung eines NHCs mit Diboran(4)-Rückgrat der Art B2Mes2(NiPr)2C: (124a) vermutet. Quantenchemische Untersuchungen sagen für 124a ähnliche Bindungsparameter wie für ein literaturbekanntes π-acides NHC voraus.
Die Reaktion von 48a mit terminalen Alkinen führte zielgerichtet zu PMe3-stabilisierten 1,3-Dihydro-1,3-diboreten 126a–d. In Lösung konnten für 126c/d zusätzlich die jeweiligen Konstitutionsisomere 127c/d mit Anteilen von unter 10% NMR-spektroskopisch beobachtet werden. Im Festkörper wird hingegen nicht das Diboret 126d, sondern ausschließlich das Konstitutionsisomer 127d beobachtet. Die Lewis-Formel der Diborete legt nahe, dass ein elektronenarmes, dreifach koordiniertes Kohlenstoffatom in der BCB-Einheit vorliegt, was im 13C{1H}-NMR-Spektrum mit den entsprechenden Signalen bestätigt wird. Eine elektronische Delokalisation wird mit den ermittelten B‒C-Atomabständen innerhalb der BCsp2B-Einheiten von 126a–c und 127d unterstützt. Die P‒Csp2-Bindung in 127d weist zudem einen kurzen P=C-Bindungsabstand auf, was einen sehr hohen π-Anteil vermuten lässt. Die einmalige Beschreibung des C‒H-Aktivierungsprodukts 131 im Festkörper gibt einen Hinweis auf eine anfängliche [2+2]-Cycloaddition zwischen der B=B-Doppelbindung und dem terminalen Alkin, die über eine 1,3-Umlagerung zur Bildung der 1,3-Diborete führt.
Ferner gelang unter den identischen Reaktionsbedingungen aus 48a und 1,4‐Diethinylbenzol die Darstellung der Mono‐ und Bis(1,3‐dihydro‐1,3‐diborete) 128 und 129, wobei 129 nur im Festkörper genauer untersucht werden konnte. Die Umsetzung von 48a mit 1,3,5‐Triethinylbenzol ergab ein Produktgemisch der Form (B2Mes2(PMe3)HCC)n(C6H3)(CCH)3−n (130-n; n = 1, 2, 3), welches Hinweise auf die zweifache bzw. dreifache Diboretbildung lieferte. DFT-Berechnungen sagen für das Bisdiboret 129 eine Kommunikation zwischen beiden Heterocyclen über den zentralen Benzolring voraus, was die Ursache für die beobachtete Fluoreszenz sein könnte.
Das Diboren 48a reagierte zudem mit Diazabutadienen unter thermischen Bedingungen in inversen Diels-Alder-Reaktionen zu 1,2,3,4-Tetraaryl-1,4-diaza-2,3-diborininen 132a–e. Dies stellt einen neuen Zugang zu dieser Substanzklasse dar. Dabei zeigte sich eine direkte Korrelation zwischen der Reaktionszeit und dem räumlichen Anspruch der Diazabutadiene. Die erfolgreiche Aufarbeitung der 1,4-Diaza-2,3-diborinine ist aufgrund ihrer hohen Löslichkeit in gängigen Lösungsmitteln wesentlich vom Kristallisationsverhalten der Produkte abhängig. Die analoge Umsetzung unter photochemischen Bedingungen gab Hinweise darauf, dass diese Reaktion dem Mechanismus einer inversen [4+2]-Cycloaddition folgt. Bemerkenswert ist die hohe Stabilität der Diborane(4) 132b/c gegenüber Luft und Wasser, die vermutlich auf der kinetischen Stabilisierung durch die ortho- Methylgruppen der Stickstoff-gebundenen Aromaten beruht.
Im Gegensatz dazu wurde bei der Reaktion zwischen 48a und dem Diazabutadien (MesN)2C2Mes2 das 1,2,3,4-Tetramesityl-5,6-dimethyl-1,4-diaza-2,3-diborinin 132e nur in Spuren nachgewiesen. Unter den gewählten Bedingungen wurde stattdessen Verbindung 133 gebildet. Die systematische, experimentelle Untersuchung dieser Reaktivität wurde jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht durchgeführt. Die Schlüsselschritte des Reaktionsmechanismus zur Bildung von 133 führen höchstwahrscheinlich wieder über das Intermediat Int3. Nach einer 1,2-Wanderung eines Mesitylsubstituenten wird das Monophosphan-stabilisierte Zwitterion Int13a gebildet, welches in seiner Grenzstruktur Int13b als Borylen beschrieben werden kann. Eine anschließende intramolekulare C‒H-Aktivierung resultiert im Diboran(5) 133.
Mit dieser Arbeit ist es gelungen, neue Erkenntnisse über die Chemie Phosphan-stabilisierter Diborene zu erhalten. Die labil gebundenen Phosphane eröffnen diesen Diborenen eine einzigartige Reaktivität, die bei den NHC-Vertretern nicht gefunden wird. In der Zukunft könnten neue Konzepte entwickelt werden dieses Reaktionsverhalten weiter zu nutzen. Wünschenswert wäre es die Diboren-Monomere miteinander zu Ketten zu verknüpfen.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte eine Reihe symmetrischer und asymmetrischer Tetrahalogendiboran(4)-Addukte realisiert werden. Die symmetrischen Brom-substituierten Vertreter 19 und 102–107 waren durch quantitativen Ligandenaustausch der schwach gebundenen Lewis-Base SMe2 von 101 zugänglich. Im Falle der IDip-stabilisierten Addukte 108 bzw. 109a/b gelang die Darstellung in sehr guten Ausbeuten durch direkte Umsetzung von freiem Carben mit den Tetrahalogendiboran(4)-Vorstufen 1 (X = Cl) bzw. 2 (X = I). Die asymme¬trischen Vertreter 113a–116b konnten durch sukzessive Adduktbildung ausgehend von 1 bzw. 6 mit cAAC und dem jeweiligen NHC bei tiefen Temperaturen (−78 °C) in moderaten bis guten Ausbeuten dargestellt werden.
Nachfolgende Reduktionsversuche der asymmetrischen Addukte 113a/b und 114b–116b waren von mäßigem Erfolg geprägt. Als Reduktionsmittel wurden Alkali- bzw. Erdalkalimetalle, Interkallationsverbindungen und Übergangsmetallkomplexe eingesetzt. Zwar war in allen Fällen eine deutliche Farbänderung beobachtbar, die, zusammen mit den beobachteten Resonanzen in den 11B-NMR-Spektren, die Synthese von asymmetrischen Diborenen nahelegten, jedoch gelang die Isolierung der Diborene nicht. Hierbei gestaltete sich die Abtrennung der gebildeten Nebenprodukte als problematisch.
Deutlich selektiver verliefen hingegen die Reduktionen der symmetrischen Tetrahalogen-diboran(4)-Bis(Addukte) mit NaNaph bei tiefen Temperaturen (−78 °C). Hierbei gelang es, das Portfolio der bereits bekannten Vertreter dieser Substanzklasse zu erweitern. So konnten die Brom-substituierten Diborene 126–128 erstmals vollständig charakterisiert werden. Der Einfluss der Halogenatome auf die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Diborene wurde ferner an zwei Beispielen der IDip-stabilisierten Diborene 129 und 130 untersucht.
Bei identischem NHC, aber unterschiedlichen Halogenen, konnten die Eigenschaften der Diborene 21, 129 und 130 näher untersucht und miteinander verglichen werden. Besonders deutlich werden die Redoxeigenschaften der Diborene von der Art des gebundenen Halogens beeinflusst, wie cyclovoltammetrische Untersuchungen belegen. Alle NHC-stabilisierten 1,2 Dihal¬ogen¬diborene konnten ferner anhand ihrer physikalischen Eigenschaften eingeordnet und miteinander verglichen werden.
Neben der Synthese und Charakterisierung neuartiger Diborene wurden auch verschiedene Reaktivitätsstudien durchgeführt. So konnten die Diborene 21, 123, 126 und 129 mit CO2 unter milden Bedingungen umgesetzt werden, wobei verschiedene Reaktionsprodukte nachgewiesen wurden. Der initiale Schritt umfasste in allen Fällen eine [2+2]-Cycloaddition die zu den Dibora-β-Lactonen 131a–134a führte, von denen 131a und 132a vollständig charakterisiert werden konnten. Im weiteren Reaktionsverlauf wurden jedoch Isomerisierungsreaktionen von 132a–134a bei Raum¬temperatur beobachtet, wobei die 2,4 Diboraoxetan 3 one 132b–134b isoliert wurden.
Bedingt durch die verhältnismäßig langsame Umsetzung von 21 zu 132a konnte die [2+2] Cyclo¬addition mittels 1H-VT-NMR-Spektroskopie verfolgt werden, wobei die Rückgrat¬protonen der NHCs als selektive Sonde dienten. Eine bemerkenswert hohe Stabilität konnte für 131a bei Raumtemperatur beobachtet werden, bei der keine Anzeichen einer Umlagerung nachweisbar waren. Die angefertigten quantenchemischen Untersuchungen zum Reaktions¬mechanismus legen eine höhere Energiebarriere des Schlüsselschrittes der Umlagerungs¬reaktion für 131a als für 132a nahe, womit die Stabilität von 131a erklärbar ist. Ferner konnten beim Erhitzen von 131a für 16 Stunden auf 60 °C kurzlebige Intermediate in Form eines Oxoborans und Borylens, die im Laufe der Isomerisierungsreaktion der Dibora-β-Lactonen zu den 2,4 Diboraoxetan 3 onen auftreten, 11B NMR-spektroskopisch nachgewiesen werden. Hierdurch wurde ein weiteres Indiz gewonnen, dass die Richtigkeit des postulierten Reaktionsmechanimus verdeutlicht.
Die reduzierende Wirkung der Diborene konnte mit der Darstellung von Radikalkationen demonstriert werden. Hierbei erfolgte die Umsetzung der Diborene 21, 123–126 und 128 mit [C7H7][BArF4] zu 138–143 in guten bis sehr guten Ausbeuten. Die gebildeten Radikale konnten vollständig charakterisiert werden und sind wegen ihrer Eigen¬schaften gut mit bereits literaturbekannten Vertretern dieser Substanzklasse vergleichbar.
Versuche die Radikalkationen durch Umsetzung der Diborene mit [C7H7][BF4] darzustellen scheiterten an der Zersetzung während der Aufarbeitung, wodurch die Wichtigkeit des schwach koordinierenden Anions verdeutlich wird. Entgegen der Erwartungen wurden beim Vergleich der ESR-Spektren der dargestellten Radikalkationen mit bekannten Analoga deutlich unterschiedliche giso-Werte ermittelt, die auf den starken Einfluss der Bromatome zurückzuführen sind. Des Weiteren war es möglich, eine Korrelation zwischen den Strukturparametern in der Festphase und den UV/Vis-Absorptionsmaxima in Lösung nachzuweisen, wonach für diejenigen Radikale die stärkste Blauverschiebung beobachtet wurde, die den größten Diederwinkel α, zwischen den B2Br2-Ebenen und den CN2C2-Carben-ebenen, aufwiesen.
In weiteren Studien wurden die Redoxeigenschaften der Diborene durch Umsetzung von
21 und 123–125 mit elementaren Chalkogenen unter milden Reaktionsbedingungen untersucht. So konnten durch Umsetzung der Diborene mit elementarem Schwefel die Diborathiirane
144–147 in moderaten bis guten Ausbeuten erhalten werden. Trotz eines großen Überschusses an Schwefel wurde aber keine vollständige BB-Bindungsspaltung beobachtet. Auf analoge Weise wurden die Diboraselenirane 148, 150 und 151 durch Umsetzung mit rotem Selen in moderaten bis guten Ausbeuten synthetisiert. Deutliche Unterschiede zeigten sich aber beim IDep-stabilisierten Diboren 123, das ein radikalisches Seleniran ausbildete. Überschüs¬siges Selen begünstigt vermutlich eine Folgeoxidation des in situ gebildeten Diboraselenirans, die jedoch für die anderen Verbindungen dieser Substanzklasse nicht beobachtbar war. Interessanterweise wurde bei allen Dipp-substituierten Verbindungen (Diborathiirane 144 und 146 sowie Dibora¬selenirane 148 und 151) das Fehlen einer Dipp-Gruppe der stabilisierten NHC-Basen im 1H NMR-Spektrum nachgewiesen. Dieser Umstand konnte durch eine eingeschränkte Rotation um die BC-Bindungsachse mittels 1H-VT-NMR-Spektrum aufgeklärt werden, wobei die Rotationsbarriere exemplarisch für 144 13.9 ± 1 kcal/mol beträgt.
Eine bemerkenswerte Reaktivität der 1,2-Dibromdiborene 21 und 123–126 wurde gegenüber hetero¬aroma¬tischer Stickstoffbasen beobachtet. Mit einem großen Überschuss an Pyridin konnte ein Bromidanion aus den Diborenen verdrängt werden, wodurch die Diborenkationen 154–158 in moderaten bis guten Ausbeuten erhalten wurden. Die Abtrennung der dabei unvermeidlich gebildeten NHC-Salze gestaltete sich als schwierig, allerdings gelang es, nach einer in situ Deprotonierung mit NaHMDS die freien NHCs zu entfernen. Versuche der Deri-vatisierung mit anderen aromatischen Basen wie 2- bzw. 4-Picolin, Chinolin oder 2,2’-und 4,4’-Bipyridin scheiterten. Erfolgreich konnte DMAP eingesetzt werden, wodurch es möglich war, die Diborenkationen 160–162 in guten bis sehr guten Ausbeuten zu erhalten. Interessanterweise zeigen 154–158 teils deutliche solvatochrome Absorptions¬eigenschaften in den UV/Vis-Spektren. Im Laufe der Umsetzung von 125 mit Pyridin konnte durch angepasste Reaktions¬bedingungen das Dikation 159 in moderaten Ausbeuten isoliert werden. Dessen bemerkenswerte Stabilität zeigte sich durch eine ausgeprägte Widerstands¬fähigkeit gegenüber Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit über mehrere Wochen. Weiterführende Unter¬suchungen der Festkörperstruktur von 159 zeigen Bindungsparameter, die trotz der ionischen Natur der Verbindung, nur geringfügig von denen des neutralen Diborens 125 abweichen. Mittels Raman-Spektroskopie konnten des Weiteren die BB-Bindungsstärke in 159 näher bestimmt werden, die mit einer Kraftkonstante von 470 N/m nahezu identisch zu der des neutralen Dibores (465 N/m) ist, was Rückschlüsse auf die Lokalisierung der positiven Ladungen auf den Pyridinringen zulässt. Aus diesem Grund kann Verbindung 159 als bis dato einziges Beispiel eines luft- und feuchtigkeitsstabilen Diborens bezeichnet werden.
Die ersten Beispiele für Lewis-Basen-Addukte des Stammboraphosphaketens H\(_{2}\)B-PCO und ihre cyclischen Dimere wurden hergestellt. Eines dieser Addukte zeigt unter milden Bedingungen eine Decarbonylierung und anschließende Insertion des Phosphinidens in die B-C-Bindung eines Borols, was in der Bildung sehr seltener Beispiele für 1,2-Phosphaborinine, B,P-Isostere von Benzol, resultiert. Die starken Donoreigenschaften dieser 1,2-Phosphaborinine wurden durch die Synthese ihrer π-Komplexe mit Metallen der Gruppe 6 bestätigt.
Geringe HOMO-LUMO-Abstände und eine hohe Ladungsträgermobilität prädestinieren die höheren Acene für Anwendungen im Bereich der Organoelektronik. Die Leistungsfähigkeit derartiger Verbindungen steigt hierbei dramatisch mit der Anzahl anellierter Benzolringe. Größere Acenmengen sind synthetisch bisher jedoch nur für Acene bis Heptacen verlässlich zugänglich. Theoretischen Studien zufolge besitzen (Oligo)acene offenschalige Singulettbiradikal- und (Poly)acene polyradikalische Grundzustände. Eindeutige experimentelle Belege für diese Vorhersagen sind hingegen äußerst selten. Durch den Einbau von zwei Boratomen in das Anthracengrundgerüst konnten wir den HOMO-LUMO-Abstand von Acenen dramatisch verringern und zwar ohne die Notwendigkeit einer Ausweitung des konjugierten π-Systems. Stabilisierung der Borzentren durch cyclische (Alkyl)(amino)carbene lieferte hierbei neutrale 9,10-Diboraanthracene mit disjunkten, offenschaligen Singulettbiradikal-Grundzuständen.