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Im Gegensatz zu genetisch modifizierten Viren ermöglicht der Einsatz von siRNA zur RNA Interferenz (RNAi) die post-transkriptionelle Inhibition der Gen-Expression zur Analyse von Infektionen mit völlig identischen Viren. Mittels RNase-III hergestellter siRNA wurde die Expression der sechs Masernvirus Gene unterbunden. Ist die siRNA gegen das Nukleokapsid (N)-, das Phospho (P)- oder gegen das Large (L)- Protein gerichtet, kommt es zur effektiven Einschränkung der Replikation und der generellen Gen-Expression. Diese drei Proteine sind für Transkription und Replikation essentiell, da die Genprodukte dieser drei Proteine die RNA-abhängige RNA Polymerase und den Ribonukleoproteinkomplex (RNP) bilden. SiRNA gegen das Fusionsprotein (F) und das Hämagglutinin (H) schränken das Ausmaß der Zell-Zell Fusion ein. Interessanterweise führt die Inhibition der Expression des Matrix-Proteins (M) nicht nur zu einer Verstärkung der fusogenen Aktivität, sondern erhöht gleichzeitig die Expression der übrigen viralen mRNA und genomischer RNA um den Faktor 2-2,5, so dass das Verhältnis mRNA:Genom konstant bleibt. Dieser Befund lässt darauf schließen, dass M als negativer Regulator der viralen Polymeraseaktivität wirkt, und sowohl die Produktion von mRNA wie auch die Genom- Replikation in gleichem Maß beeinflusst. Anschließend wurden synthetische siRNAs gegen die L-mRNA gesucht. Effektive Sequenzen wurden dann, in Form einer shRNA Expressionskassette, in einen lentiviralen Vektor einkloniert. Damit sollen dann lentivirale Partikel hergestellt werden, mit denen Zellen infiziert werden können, so dass diese Zellen dann stabil siRNA exprimieren. Dieser Teil der Arbeit war zum Zeitpunkt der Niederschrift noch nicht beendet.
Für die Replikation des Masernvirus wird den Komponenten des Zytoskeletts eine wichtige Rolle zugeschrieben. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass Aktin in polymerisierter Form vorliegen muss, um das Budding zu ermöglichen. Die Beeinflussung der ersten Schritte des Replikationszyklus konnte für Aktin, vor allem aber für Tubulin nachgewiesen werden, so dass ein Transport des viralen Genoms zum Ort seiner Replikation entlang der Mikrotubuli möglich wäre.
Im Rahmen dieser Dissertation wurde die Bedeutung der Glykoproteine Fusionsprotein (F) und Hämagglutinin (H) des Masernvirus (MV) für die MVinduzierte Immunsuppression analysiert. Die erhöhte Empfänglichkeit von MVinfizierten Kindern für Sekundärinfektionen wird auf die ausgeprägte Immunsuppression zurückgeführt, die während und noch Monate nach einer Infektion beobachtet wird. Isolierte periphere Blutlymphozyten (PBL) von MVinfizierten Personen zeigen in Gegenwart von Mitogenen eine stark reduzierte Proliferation ex vivo, die als Parameter für die Immunsuppression verwendet wird. Die Inhibition der Proliferation wird auf die viralen Glykoproteine F und H zurückgeführt und nur Wildtypviren sind in der Lage, eine klinisch relevante Immunsuppression auszulösen. Die Mechanismen, die dieser Immunsuppression zugrunde liegen, sind jedoch nicht vollständig geklärt. Um den immunsuppressiven Effekt von F und H in einem genetisch und immunologisch gut charakterisiertem Tiermodell näher analysieren zu können, wurde in der vorliegenden Arbeit ein neues transgenes Mausmodell etabliert. Es wurde ein konditionell transgenes Mausmodell gewählt, in dem die für die Immunsuppression verantwortlichen MV-Glykoproteine eines Wildtypstammes gewebespezifisch und Tetrazyklin-regulierbar exprimiert wurden (Tet-System). Mit Hilfe der Mikroinjektion wurde ein auffällig kleine Anzahl an transgenen Tieren hergestellt. Aus 780 Mikroinjektionen gingen nur vier transgene Mäuse hervor, die F und H unter Kontrolle eines Transaktivator-abhängigen bidirektionellen Promotors in ihrem Genom enthielten. Dies war ein erster Hinweis für eine starke Selektion gegen die Expression von F und H in diesem Tiermodell. Die verschiedenen Mauslinien konnten in dieser Arbeit vollständig charakterisiert werden. Um auch einzelne Kopien des Transgens nachweisen zu können, wurde eine hochsensitive Genotypisierungs-PCR und ein sensitiver Southern-Blot etabliert. Es wurde gezeigt, daß eine der vier Mauslinien eine einzelne Kopie und die restlichen drei Linien ungefähr 10 Kopien in tandemartiger Anordnung in ihrem Genom enthielten. Zusätzlich konnte mit Southern-Blot-Analysen nachgewiesen werden, daß die Integration der Transgene in eine einzige Stelle des Genoms stattgefunden hatte. Es wird angenommen, daß die geringe Anzahl an transgenen Mäusen auf eine schädliche Restexpression von F und H während der Embryogenese zurückzuführen ist, und nur Tiere mit einer starken Expressionskontrolle des Transgens geboren wurden. Dies wird unterstützt durch die Tatsache, daß keine der vier transgenen Mauslinien eine Restexpression von F und H aufwies. Bei der Kreuzung der Mäuse zu homozygoten Linien stellte sich heraus, daß eine Linie in homozygoter Form nicht züchtbar war. Es handelte sich wahrscheinlich um eine Insertionsmutante. Die restlichen drei Linien wurden mit T-Zell-spezifischen Induziermäusen gekreuzt, um doppelt-transgene Mäuse mit Tetrazyklinregulierbarer Expression von F und H in T-Zellen herzustellen. Expressionsanalysen zeigten, daß in zwei doppelt-transgenen Linien das Transgen stumm blieb. In der letzten verbleibenden Linie konnte die Trankription von F- und H-mRNA in Milz (in vitro) und Thymus (in vitro und in vivo) nachgewiesen werden. Die Expression war allerdings so schwach, daß nur ein Tier eine leichte Produktion von H-Protein im Thymus aufwies. All diese Beobachtungen deuten auf eine starke Selektion gegen eine Expression von F und H. In dem neu etablierten Mausmodell wurden die Auswirkungen der Expression von F und H in vivo überprüft. In einzelnen doppelt-transgenen Mäusen der induzierbaren Linie wurde eine schwache MV-spezifische B- und T-Zellantwort nachgewiesen. Allerdings konnte keine Immunsuppression induziert werden, und auch kein Einfluß der Glykoproteine auf die Thymozytenanzahl festgestellt werden. Weiterhin wurden durch eine Langzeit-Expression von F und H über 23 Wochen keine geringen immunsuppressiven Effekte kumulativ über die Zeit sichtbar. Diese geringen Auswirkungen werden auf die schwache Expression der MVGlykoproteine F und H zurückgeführt. Mit Hilfe des in dieser Arbeit etablierten Mausmodells wurde gezeigt, daß die Expression der MV-Glykoproteine F und H einen starken toxischen Effekt auf Mäuse ausübt. Dieser toxische Effekt könnte bei der MV-induzierten Immunsuppression eine Rolle spielen.
In der vorliegenden Studie wurde die Ansbacher Masernepidemie der Jahre 1992/93 retrospektiv epidemiologisch ausgewertet und Berechnungen zur Impfwirksamkeit erstellt. Daten über Komplikationen, die Alters- und Geschlechtsverteilung sowie den Impfstatus von 530 an Masern erkrankten Personen wurden über ein Fragebogenverfahren oder durch direkte Befragung von 85 kontaktierten Allgemein- und Kinderärzte anonym gewonnen. Es waren hauptsächlich Kinder und Jugendliche bis 17 Jahren erkrankt, mit einem kontinuierlichen Ansteigen der Inzidenz bis 14 Jahren. Die Epidemie war deutlich mädchenwendig. 18,7% der Patienten waren mit einem Masernlebendimpfstoff geimpft worden. In 16,7% aller Fälle traten Komplikationen auf, am häufigsten waren Otitis media (10,3%) und Pneumonie (5,0%). Ein ungeimpfter 17jähriger Patient verstarb an einer Masernenzephalitis. Sieben Patienten mussten hospitalisiert werden (1,4%). Bis auf die Konstellation „geimpft+männlich+Pneumonie“, die signifikant häufiger auftrat, fanden sich keine Zusammenhänge zwischen Alter, Geschlecht, Impfstatus und Komplikationen. Bei der Berechnung der Impfeffektivität zeigte sich, dass die Impfwirksamkeit bei älteren Patienten deutlich geringer war als bei jüngeren. Über ein weiterentwickeltes mathematisches Modell wurde das Impfversagen in Abhängigkeit von der Zeit seit der Impfung analysiert. Daraus ergab sich ein primäres Impfversagen von ca. 6%. Außerdem ist anzunehmen, dass es bei einem Drittel der Geimpften innerhalb von 14 Jahren zu einem sekundären Impfversagen kam. Letztere Aussage ist jedoch nur zulässig, wenn man annimmt, dass das primäre Impfversagen seit Impfbeginn konstant blieb. Die Ursachen für die Epidemie in Ansbach sind eindeutig die zu geringen Immuni-sierungsraten.
Das Masernvirus (MV) interagiert mit zellulären Rezeptoren auf der Oberfläche von peripheren Blut-Lymphozyten (PBL), die Virus -Bindung und -Aufnahme vermitteln. Wir konnten einen monoklonalen Antikörper mAK 5C6 selektieren, der gegen die Zelloberfläche von B95a Zellen gerichtet ist, die mit MV gut infizierbar sind. Der Antikörper 5C6 inhibiert sowohl die Bindung, als auch die Infektion mit MV Wildtyp- und Vakzine-Stämmen. Ich verwendete eine retrovirale Genbank als Quelle für humane Milz mRNA und Proteine, um ein Screening nach Rezeptoren mit Antikörpern durchzuführen. Mit Hilfe des Antikörpers 5C6 wurde, unter Verwendung von Magnetbeats und FACS-Sortierung, ein erfolgreiches Screening Rezeptor-exprimierender Zellen durchgeführt. Das von mAK 5C6 erkannte Molekül konnte kloniert und als signaling lymphocytic activation molecule (SLAM; CD150) identifiziert werden. Zur Untersuchung der Rezeptorbenutzung verschiedener MV-Stämme wurden CHO-Zellen, die entwe-der rekombinantes CD46 oder SLAM exprimierten, mit 28 Masernvirusstämmen infiziert. Unter den getesteten Viren befanden sich sowohl Vakzine-Stämme, Wildtyp-Stämme mit verschiedener Pass-agierung und rekombinante Viren. Dabei konnte gezeigt werden, dass SLAM ein Rezeptor für MV ist, der sowohl Virusaufnahme und Synzytienbildung für alle getesteten Masernvirusstämme vermittelt. Vor allem Vakzine- und laboradaptierte-Stämme, aber auch eine kleine Fraktion der getesteten Wild-typstämme, konnten sowohl CD46 als auch SLAM verwenden. Durch Verwendung rekombinanter Viren konnte ich zeigen, dass der einzelne Aminosäureaustausch im Hämagglutinin (H) Protein an Position 481 Asn/Tyr (H481NY) determiniert, ob das Virus CD46 verwendet. Der Aminosäureaus-tausch hat keinen Effekt auf die Verwendung von SLAM als Rezeptor was andeutet, dass die Bin-dungsstelle von SLAM und CD46 unterschiedlich ist. Wie bereits für CD46 beschrieben, konnte eine schnelle Rezeptormodulation sowohl auf infizierten als auch uninfizierten Zellen nach Kontakt der MV-Glykoproteine mit SLAM, festgestellt werden. Dabei zeigte sich eine kontaktvermittelte Downregulation nach Vermischung SLAM-positiver Zellen mit per-sistent infizierten BJAB Zellen oder UV-inaktiviertem Virus. SLAM wird schnell von der Zelloberfläche SLAM exprimierender Zelllinien, wie CHO-SLAM, B95a, BJAB, sowie von peripheren Blutlymphozyten (PBL) herunterreguliert. Zusammgefasst: mit SLAM (CD150) wurde ein neuer zellulärer Rezeptor für alle Masernvirusstämme identifiziert.
Trotz der Existenz einer Lebendvakzine gegen Masernvirusinfektionen erkranken jährlich 30-40 Millionen Menschen an Masern und mehr als 1 Million versterben daran. Besonders Kleinkinder besitzen innerhalb des ersten Lebensjahres ein hohes Risiko an Masern zu erkranken und der Anteil an schweren Krankheitsverläufen mit letalem Ausgang ist in dieser Altersgruppe besonders hoch. Aus diesem Grund wäre es sehr wichtig, wenn man Säuglinge bereits in den ersten Lebensmonaten erfolgreich immunisieren könnte. Da eine Immunisierung mit dem derzeitigen MV-Impfstoff in den ersten Lebensmonaten durch maternale MV-spezifische Antikörper inhibiert wird, hat die WHO dazu aufgerufen neuartige Impfstoffe zu entwickeln, die in Gegenwart maternaler Antikörper effektiv sind. Zur Entwicklung und Erprobung von alternativen Impfstoffen in Gegenwart maternaler Antikörper konnte bislang nur das Affenmodell benutzt werden, welches durch das geringe Angebot an Tieren und aus praktischen Gründen nur beschränkt einsetzbar ist. In der hier vorgestellten Dissertation wurde gezeigt, daß Baumwollratten (Sigmodon hispidus) alternativ zum Affen ein hervorragendes Tiermodell sind, um die Immunogenität potentieller Impfstoffvektoren und ihre Effektivität in Gegenwart maternaler Antikörper zu testen. Baumwollratten sind das einzige Nagetiermodell, in dem das Masernvirus wie beim Menschen im Respirationstrakt replizieren und auch in der Peripherie nachgewiesen werden kann. Nach Immunisierung mit MV-Impfstämmen entwickeln Baumwollratten wie der Mensch eine MV-spezifische Immunantwort und sind gegen eine anschließende Infektion mit MV-Wildtypstämmen geschützt. Um zu überprüfen, ob maternale Antikörper wie bei Säuglingen auch bei Baumwollratten die Vakzine-induzierte Serokonversion inhibieren, wurden zwei Modellsysteme für maternale Antikörper entwickelt. MV-immune Weibchen übertragen MV-spezifische maternale Antikörper auf ihre Jungtiere und stellen ein Modell für natürliche maternale Antikörper dar. Im zweiten Modell können nach Injektion eines humanen MV-spezifischen Serums in Baumwollratten maternale Antikörper simuliert werden. Die Vakzine-induzierte Serokonversion wurde sowohl durch natürliche maternale Antikörper, als auch durch passiv transferierte humane MV-spezifische Antikörper inhibiert. Die Verwendung eines heterologen Serums als Modell für maternale Antikörper bietet drei Vorteile: die Gabe von Humanserum ist gut reproduzierbar, humane MV-spezifische Antikörper werden schneller abgebaut, als natürliche maternale Antikörper und passiv transferierte (“maternale”) Antikörper können im ELISA von aktiv induzierten Antikörpern unterschieden werden. Mit Hilfe der DNS-Immunisierung konnte gezeigt werden, daß das MV-Hämagglutinin, das Fusionsprotein und das Nukleokapsidprotein (MV-Hauptantigene) in der Baumwollratte MV-spezifische Antikörper und eine MV-spezifische T-Zellantwort induzieren. Aber nur die beiden Glykoproteine F und H konnten im Gegensatz zum Nukleokapsidprotein MV-neutralisierende Antikörper induzieren und gegen eine Infektion des Respirationstraktes schützen. In Gegenwart maternaler Antikörper führte diese Form der Immunisierung nicht zu einer Vakzine-induzierten Serokonversion und zu Protektion. Um in Gegenwart maternaler Antikörper MV-neutralisierende Antikörper und Schutz gegen eine Infektion mit MV zu induzieren, wurde ein rekombinantes vesikuläres Stomatitis Virus (VSV-H) verwendet, welches das MV-Hämagglutinin (Hauptantigen für MV-neutralisierende Antikörper) in der Hülle von VSV exprimierte. Eine alternative MV-Vakzine muß die beiden MV-Glykoproteine (Hämagglutinin- und Fusionsprotein) enthalten, da sie sonst die atypischen Masern (eine schwere Verlaufsform der akuten Masern) in immunisierten Individuen nach Infektion mit dem Wildtypvirus induzieren kann. Da VSV das Fusionsprotein nicht stabil exprimiert, kann VSV nicht als Impfvektor bei Patienten eingesetzt werden. Im Baumwollrattensystem ließen sich mit diesem Vektorsystem jedoch wichtige Untersuchungen zur Immunisierung in Gegenwart maternaler Antikörper duchführen. Das MV-Hämagglutinin ist als zusätzliches Protein ("passenger protein") in die Hüllmembran von VSV inkorporiert und hat keine funktionelle Bedeutung für die virale Replikation. In vitro konnte gezeigt werden, daß VSV-H im Gegensatz zu MV durch MV-spezifische Antikörper nicht neutralisiert werden kann. Eine Immunisierung mit VSV-H induzierte sehr schnell hohe Titer an MV-neutralisierenden Antikörpern, die höher waren als nach Immunisierung mit MV. In vivo konnte bestätigt werden, das VSV-H durch maternale Antikörper nicht neutralisiert wird und auch in Gegenwart maternaler Antikörper MV-neutralisierende Antikörper und Schutz gegen eine respiratorische MV-Infektion induziert. Hierbei ist die Stimulation des mukosalen Immunsystems sehr wichtig, da VSV-H nur nach intranasaler und nicht nach intraperitonealer Immunisierung maternale Antikörper umgehen kann. Die Replikationsfähigkeit von VSV-H ist ebenfalls essentiell, da Immunisierungsversuche mit UV-inaktiviertem VSV-H bzw. mit VSV-H Deletionsmutanten, die eine stark verminderte Replikationsfähigkeit aufweisen, nicht zu Vakzine-induzierter Serokonversion und zu Schutz in Gegenwart maternaler Antikörper führten. An alternative Vektorsysteme muß deshalb die Forderung gestellt werden, daß sie das Schleimhaut-assoziierte Immunsystem stimulieren, Masernvirusproteine als akzessorische Proteine exprimieren und eine gewisse Restvirulenz aufweisen. Für die Untersuchung derartiger Vakzine-Kandidaten auf die Induktion der Serokonversion in Gegenwart maternaler Antikörper und Schutz gegen MV Infektion ist das Baumwollrattenmodell hervorragend geeignet.
Masernvirus (MV) ist ein negativ-strängiges RNA-Virus, das im Menschen und im Nagermodell zu akuten und subakuten Enzephalitiden führen kann. Es wurde beschrieben, dass bestimmte Antikörperescape-Mutanten des MV neurovirulent, andere nicht neurovirulent sind (Liebert et al., 1994). Mit Hilfe von rekombinanten Masernviren, konnte ich diejenigen Aminosäuren charakterisieren, die einerseits für die Bindung monoklonaler, neutralisierender anti-MV-H-Antikörper (K29, K71, Nc32 und L77) und andererseits für die Neurovirulenz verantwortlich sind. Bei den rekombinanten MV wurde das von Duprex et al. (1999) als Neurovirulenz vermittelnd beschriebene H-Gen des nagerhirnadaptierten neurovirulenten CAM/RB-Stammes in das Grundgerüst des nicht neurovirulenten Edtag (molekularer Klon des Vakzinestammes Edm) kloniert. Über gerichtete Mutagenese wurden die jeweiligen Mutationen in dieses CAM/RB H-Gen eingefügt. Mittels der FACS-Analyse konnten die Aminosäureänderungen identifiziert werden, die für die Bindung der jeweiligen Antikörper verantwortlich sind. Sie befinden sich nach einem Strukturmodell der H-Proteine (Langedijk et al., 1997) im Membran-distalen Teil, den so genannten Propellern. Im Einzelnen sind folgende Aminosäureänderungen im Hämagglutinin-Protein für den Escape verantwortlich: L77 – 377 Arg -> Gln und 378 Met -> Lys; Nc32 – 388 Gly -> Ser; K71 – 492 Glu -> Lys und 550 Ser -> Pro; K29 – 535 Glu -> Gly. Es konnte ferner gezeigt werden, dass die beiden Aminosäureveränderungen an den Positionen 195 und 200 gemeinsam für die Neurovirulenz verantwortlich sind und nicht assoziiert sind mit den Mutationen für den Antikörperescape. Der Aminosäureaustausch an Position 200 bei neurovirulenten Viren führt zum Verlust einer benutzten Glykosylierungsstelle. Diese Mutation ist jedoch nicht alleine für das unterschiedliche Neurovirulenzverhalten der Viren verantwortlich, sondern es muss gleichzeitig der Austausch an Position 195 vorhanden sein, der eine positive Ladung im H-Molekül entfernt. Diese beiden Mutationen sind nach dem Strukturmodell nach Langedijk im Stamm2-Bereich angesiedelt. Sind im H-Protein an Stelle 195 und 200 die Aminosäuren Gly und Ser vorhanden, so findet im Gehirn neugeborener Lewis-Ratten eine verstärkte Virusvermehrung und Ausbreitung statt, die die akute Enzephalitis mit Expression typischer proinflammatorischer Zytokine zur Folge hat. Werden an Stelle 195 und 200 die Aminosäuren Arg und Asn exprimiert, so ist der Verlauf der Infektion inapparent. In dieser Arbeit wurde auch ein Zellkultursystem gemischter Hirnzellen neugeborener Lewis-Ratten etabliert, das die Unterschiede der Virusausbreitung in vivo reflektiert und mit dem weitere Untersuchungen zum Mechanismus der Neurovirulenz durchgeführt werden könnten. Anhand der durchgeführten Untersuchungen mit Ratten des CD46 transgenen Lewis-Modells konnte gezeigt werden, dass die Anwesenheit des Rezeptors CD46 das Virulenzverhalten der getesteten Viren nicht beeinflusst. Weder mit dem Vakzinestamm Edm noch mit einem nicht an Nager adaptierten Wildtypstamm, konnte nach intracerebraler Injektion eine akute Enzephalitis induziert werden. Die Untersuchungen zeigen, dass die Neurovirulenz des an Nager-adaptierte MV-Stammes CAM/RB essentiell von den Aminosäuren Gly und Ser an Position 195 und 200 im H-Protein abhängt und nicht durch die transgene Expression zellulärer Rezeptoren für MV vermittelt werden kann.