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An der Ausbildung der individuellen Persönlichkeitseigenschaften eines Menschen sowie an der Entstehung von Persönlichkeitsstörungen und anderen psychischen Erkrankungen sind sowohl genetische Faktoren als auch Umwelteinflüsse beteiligt. Mittels Assoziationsstudien kann man prüfen, ob zwischen einzelnen genetischen Varianten und Persönlichkeitsmerkmalen bzw. psychischen Störungen ein Zusammenhang besteht. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden funktionelle Polymorphismen in zwei Kandidatengenen, der Dopamin-β-Hydroxylase (DBH) und der neuronalen NO-Synthase (NOS1), im Hinblick auf eine Assoziation mit Persönlichkeitsvariablen und Persönlichkeitsstörungen untersucht. Diese Enzyme spielen eine wichtige Rolle im noradrenergen bzw. nitrinergen System, die beide an der Steuerung des Verhaltens entscheidend beteiligt sind. Des Weiteren wurde geprüft, ob der Polymorphismus im Promotorbereich des DBH-Gens mit affektiven Störungen assoziiert ist. Die Genotypisierung wurde bei 642 Probanden mit Persönlichkeitsstörungen und 182 Patienten mit affektiven Störungen durchgeführt; die Kontrollgruppen umfassten 387 Personen (DBH-Polymorphismus) bzw. 494 Personen (NOS1-Polymorphismen).
Eine Assoziation des -1021C→T-Polymorphismus des DBH-Gens mit affektiven Störungen ließ sich nicht nachweisen, obwohl Vorbefunde einen Zusammenhang zwischen dem mit einer niedrigen Plasmaaktivität der Dopamin-β-Hydroxylase assoziierten T/T-Genotyp und affektiven Störungen nahegelegt hatten. Diese Assoziation findet sich jedoch möglicherweise nur bei Subgruppen affektiver Störungen wie z. B. Depressionen mit psychotischer Symptomatik. Eine hochsignifikante Assoziation zeigte sich zwischen dem T/T-Genotyp und dem Auftreten von zwei oder mehr Persönlichkeitsstörungen, so dass dieser Genotyp als Risikofaktor für die Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen angesehen werden kann. Des Weiteren ist der T/T-Genotyp mit verschiedenen Subskalen von Neuroticism, Agreeableness und Novelty Seeking assoziiert, die sich auf impulsives, feindseliges und wenig zielgerichtetes Verhalten beziehen. Dies bestätigt die Ergebnisse früherer Studien, die einen Zusammenhang zwischen dem noradrenergen System und impulsiven Verhaltensweisen gezeigt haben.
Zahlreiche Studien weisen auch auf eine Verbindung zwischen Veränderungen des NOS1-Gens und impulsivem, aggressivem Verhalten hin. Im Rahmen dieser Arbeit konnte eine Assoziation beider NOS1-Polymorphismen mit Cluster-B-Persönlichkeitsstörungen beobachtet werden, die Impulsivität als ein gemeinsames Merkmal aufweisen. Es fand sich jedoch keine Assoziation mit Persönlichkeitsdimensionen, die impulsives und aggressives Verhalten widerspiegeln. In einer Weiterführung der vorliegenden Studie mit größeren Probandenzahlen wurde erneut der Zusammenhang zwischen einem dieser NOS1-Polymorphismen, dem Exon-1f-VNTR, und Persönlichkeitsvariablen sowie dem durch gesteigerte Impulsivität gekennzeichneten Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) bei erwachsenen Patienten untersucht. In dieser Studie wurde in der Kontrollgruppe eine nur bei Frauen statistisch signifikante Assoziation des kurzen Allels mit niedrigen Conscientiousness-Werten, die als Anzeichen für ein hohes Maß an Impulsivität verstanden werden können, beobachtet. Auch eine Assoziation des kurzen Allels mit ADHS konnte nachgewiesen werden, was die Bedeutung dieses Polymorphismus bei der Entstehung impulsiver Verhaltensweisen weiter untermauert.
Zur Aufdeckung der genetischen Grundlage von Persönlichkeitseigenschaften und psychischen Erkrankungen bedarf es der Identifizierung weiterer genetischer Risikovarianten und deren Untersuchung in großen Assoziationsstudien mit einer hohen Probandenzahl. Um den Zusammenhang zwischen genetischen Varianten und Persönlichkeit bzw. Verhalten zu erhellen, müssen zudem komplexe Interaktionen verschiedener Gene und der Einfluss von Umweltfaktoren einbezogen werden.
Bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Furcht und Angsterkrankungen stellt, neben der Furchtkonditionierung, die Generalisierung der konditionierten Furcht einen wesentlichen Mechanismus dar. Die der Generalisierung zugrunde liegenden psychologischen und biologischen Prozesse sind jedoch beim Menschen bisher nur wenig untersucht.
Ziel dieser Arbeit war, anhand eines neu entwickelten experimentellen Paradigmas den Einfluss eines psychometrisch bestimmbaren angstspezifischen Faktors sowie der mit Furcht und Angst assoziierten Genotypen Stathmin1, COMT Val158Met und BDNF Val66Met auf die Furchtkonditionierung und Generalisierung konditionierter Furcht zu untersuchen und somit mögliche Risikofaktoren für die Entstehung von Angsterkrankungen zu bestimmen. Hierfür wurden N = 126 gesunde Versuchspersonen (n = 69 weiblich; mittleres Alter M = 23.05, SD = 3.82) für die genannten Polymorphismen genotypisiert und zu ängstlichen und affektiven Symptomen befragt. In einer Akquisitionsphase wurden den Probanden zwei neutrale weibliche Gesichter präsentiert (CS), von denen eines mit einem Schrei sowie einem ängstlichen Gesichtsausdruck (UCS) gepaart wurde. Der sich anschließende Generalisierungstest erfolgte anhand von vier Gesichtern, die in der Ähnlichkeit zwischen den beiden CS schrittweise übergingen. Die Furchtreaktion wurde über die Bewertung von Valenz, Arousal und Kontingenzerwartung sowie über die Hautleitfähigkeitsreaktion (SCR) erfasst.
Die Analyse der Fragebögen anhand einer Hauptachsenanalyse und anhand von Strukturgleichungsmodellen erbrachte eine zweifaktorielle Lösung, die die Konstrukte Depression und Angst abbildete. Nur der Faktor Angst war mit einer veränderten Furchtkonditionierung und Furchtgeneralisierung assoziiert: Hoch Ängstliche zeigten eine stärkere konditionierte Furchtreaktion (Arousal) und wiesen eine stärkere Generalisierung der Valenzeinschätzung und Kontingenzerwartung auf. Für den Stathmin1 Genotyp ergaben sich geschlechtsspezifische Effekte. Bei den männlichen Versuchspersonen zeigte sich in Folge der Akquisition ein stärkerer Abfall der Valenz für den CS+ in der Gruppe der Stathmin1 T Allelträger, die ebenfalls eine stärkere Generalisierung der Furchtreaktion, abgebildet in allen verbalen Maßen, aufwiesen. Ein gegenteiliger Befund ergab sich für die Gruppe der Frauen, insofern eine mit dem Stathmin1 C Allel assoziierte höhere Generalisierung der Valenz, des Arousals und der Kontingenzerwartung festgestellt werden konnte. Für den COMT Val158Met Genotyp ergaben sich keine Einflüsse auf die Akquisition der konditionierten Furcht. Für Träger des COMT 158Val Allels zeigte sich jedoch eine stärkere Generalisierung der Valenz und der Kontingenzerwartung. Auch für den BDNF Val66Met Genotyp konnte keine Veränderung der Furchtakquisition beobachtet werden. Es ergaben sich jedoch Hinweise auf eine erhöhte Generalisierung der Kontingenzerwartung in der Gruppe der BDNF 66Val Homozygoten. Für keinen der beschriebenen Faktoren konnte ein Einfluss auf die Furchtkonditionierung oder deren Generalisierung anhand der SCR abgebildet werden.
Unsere Ergebnisse weisen auf einen psychometrisch erfassbaren Faktor und genetische Einflüsse hin, die über den Prozess einer stärkeren Generalisierung der konditionierten Furcht das Risiko für die Entstehung von Angsterkrankungen erhöhen können. Jedoch sollten die Befunde in größeren Stichproben repliziert werden. Neben der frühzeitigen Identifikation von Risikofaktoren sollten in zukünftigen Studien darüber hinaus wirksame Maßnahmen zur Prävention und Intervention entwickelt werden, um diesem Risiko entgegen zu wirken.
Die Auswirkung der ADHS Erkrankung auf die Bearbeitung einer kognitiven „Set Shifting“ Aufgabe
(2021)
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Untersuchung der Impulsivität bei adulten Patienten mit ADHS. Es wurden 19 adulte Patienten mit ADHS und 20 gesunde Kontrollprobanden, die nach Alter, Geschlecht und Schulabschluss vergleichbar waren, untersucht.
Wir nutzten ein kognitives Set Shifting Paradigma und erfassten die Verhaltensdaten (Reaktionszeit und Fehler) sowie hirnphysiologische Änderungen mittels funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS). Als „Region of Interest“ (ROI) legten wir den dorsolateralen präfrontalen Kortex (dlPFC) fest. Zusätzlich erfolgte eine Selbsterfassung der Impulsivität mittels BIS 11, SPSRQ und UPPS Fragebogen.
Auf der Verhaltensebene zeigten die Patienten mit ADHS im Vergleich zu den gesunden Kontrollprobanden eine verlängerte Reaktionszeit. Die Bearbeitung einer Shift Aufgabe führte bei beiden Probandengruppen zu einer verlängerten Reaktionszeit sowie einer erhöhten Fehlerzahl im Verhältnis zu einer No Shift Aufgabe. In der Erhebung der funktionellen Daten konnten wir einen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen im Bereich der ROI feststellen. Die gesunden Kontrollprobanden wiesen eine erhöhte Hirnaktivität im dlPFC auf. In den Fragebögen zur Selbsterfassung der Impulsivität erreichten die Patienten in den meisten Unterskalen Werte, die mit erhöhter Impulsivität einhergehen.
Neben Stimmungsschwankungen leiden viele bipolare Patienten unter kognitiven Beeinträchtigungen. Dies ist von hoher Relevanz, da neuropsychologische Defizite zur Aufrechterhaltung der bipolaren Störung beitragen können. Unsere Studie widmete sich zum einen der Untersuchung verzerrter Aufmerksamkeitsprozesse als auch der Erfassung dysfunktionaler Emotionsregulationsstrategien in der bipolaren Störung. Da es uns besonders interessierte, ob diese dysfunktionalen Prozesse im euthymen Intervall bestehen bleiben, rekrutierten wir akut depressive als auch euthyme bipolare Patienten. Weiterhin untersuchten wir, ob der Aspekt der prädominanten Polarität einen Einfluss auf die Informationsverarbeitung und Emotionsregulation haben könnte.
Zur Erfassung selektiver Aufmerksamkeitsprozesse verwendeten wir eine Dot-Probe-Aufgabe. In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass bei den akut depressiven bipolaren Patienten deutliche Defizite im Reaktionsvermögen vorlagen. Bei den euthymen Patienten mit manischer Polarität fand sich überraschenderweise ein Bias weg von positiven Stimuli, was möglicherweise als Schutzmechanismus vor potentiellen Triggern einer Manie interpretiert werden kann.
Um zu testen, ob sich bipolare Patienten in den Emotionsregulationsstrategien von gesunden Kontrollpersonen unterscheiden, wurden zwei verschiedene Fragebögen eingesetzt. In der Auswertung zeigte sich, dass nicht nur akut depressive Patienten, sondern auch remittierte Patienten zu dysfunktionalen Emotionsregulationsstrategien neigten und dass die euthymen Probanden mit depressiver bzw. manischer Polarität in unterschiedlichen Emotionsregulationsstrategien von gesunden Probanden abwichen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Defizite in der selektiven Aufmerksamkeit und in der Emotionsregulation nicht nur in der akuten Krankheitsphase, sondern auch im „gesunden Intervall“ vorhanden sind. Darüber hinaus liefert die Studie erste Hinweise darauf, dass sich Patienten mit depressiver und manischer Polarität in der Informationsverarbeitung emotionaler Stimuli als auch in Emotionsregulationsstrategien unterscheiden.
Bereits in vorausgegangenen Studien konnte nachgewiesen werden, dass das Stathmin-Gen eine entscheidende Rolle im Hinblick auf erlernte und angeborene Angstreaktionen spielt. So konnte Frau Dr. Julia Katharina Heupel in ihrer Arbeit aus dem Jahr 2013 eine Assoziation eines (TAA)n-Polymorphismus, welcher sich ca. 2 kb upstream des ersten Exons des Stathmin-Gens und ca. 4 kb upstream des Translationsstarts befindet, mit Cluster-C-Persönlichkeitsstörungen belegen.
Sie vermutete, dass eine Hochregulation der Expression des Stathmin-Gens ein Risikofaktor für die Entstehung von Cluster C Persönlichkeitsstörungen darstellen könnte.
Da sich der beschriebene Polymorphismus in der Promotor-Region des Stathmin-Gens befindet, ist eine allelspezifische Auswirkung auf die Genexpression vorstellbar. Um diese Vermutung zu stützen, wurde in dieser Arbeit die Auswirkung zweier Allele des STR-Polymorphismus im Bereich der Promotorregion des Stathmin-Gens im Hinblick auf die Promotoraktivität untersucht.
Hierzu wurde die zu untersuchende Sequenz zunächst mittels Polymerase-Ketten-Reaktion vervielfältigt und anschließend in einen pGL4.23.Vektor kloniert.
Im Anschluss daran erfolgte die Untersuchung der Promotoraktivität mittels eines Luciferase-Assays in der humanen Neuroblastomzelllinie SH-SY5Y.
Nach statischer Auswertung der Messreihen zeigte sich eine signifikant höhere Luciferase-Aktivität des STR-Polymorphismus (TAA)12 im Vergleich zu dem STR-Polymorphismus (TAA)13.
Hierdurch kann von einer höheren Promotoraktivität bei dem Genotyp (TAA)12 gegenüber dem Genotyp (TAA)13 ausgegangen werden.
Zusammenfassend unterstützen die Ergebnisse dieser Arbeit die These, dass es sich bei dem Stathmin-Gen um ein Suszeptibilitätsgen für die Entstehung von Cluster C Persönlichkeitsstörungen handeln könnte.