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Zum Verständnis der komplexen Wechselwirkungen innerhalb des Klimasystems der Erde sind Kenntnisse über den hydrologischen Zyklus und den Energiekreislauf essentiell. Eine besondere Rolle obliegt hierbei der Evapotranspiration (ET), da sie eine wesentliche Teilkomponente beider oben erwähnter Kreisläufe ist. Die exakte Quantifizierung der regionalen, tatsächlichen Evapotranspiration innerhalb der Wasser- und Energiekreisläufe der Erdoberfläche auf unterschiedlichen zeitlichen und räumlichen Skalen ist für hydrologische, klimatologische und agronomische Fragestellungen von großer Bedeutung. Dabei ist eine realistische Abschätzung der regionalen tatsächlichen Evapotranspiration die wichtigste Herausforderung der hydrologischen Modellierung. Besonders die unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Auflösungen von Satelliteninformationen machen die Fernerkundung sowohl für globale als auch regionale hydrologischen Fragestellungen interessant. Zusätzlich zur Notwendigkeit des Prozessverständnisses des Wasserkreislaufs auf globaler Ebene kommt dessen regionale Bedeutung für die Landwirtschaft, insbesondere in Bewässerungssystemen arider Regionen. In ariden Klimazonen übersteigt die Menge der Verdunstung oft bei weitem die Niederschlagsmengen. Aufgrund der geringen Niederschlagsmenge muss in ariden agrarischen Regionen das zum Pflanzenwachstum benötigte Wasser mit Hilfe künstlicher Bewässerung aufgebracht werden. Der jeweilige lokale Bewässerungsbedarf hängt von der Feldfrucht und deren Wachstumsphase, den Klimabedingungen, den Bodeneigenschaften und der Ausdehnung der Wurzelzone ab. Die Evapotranspiration ist als Komponente der regionalen Wasserbilanz eine wichtige Steuerungsgröße und Effizienzindikator für das lokale Bewässerungsmanagement. Die Bewässe-rungslandwirtschaft verbraucht weltweit etwa 70 % der verfügbaren Süßwasservorkom-men. Dies wird als einer der Hauptgründe für die weltweit steigende Wasserknappheit identifiziert. Dabei liegt die Wasserentnahme des landwirtschaftlichen Sektors in den OECD Staaten im Mittel bei etwa 44 %, in den Staaten Mittelasiens bei über 90 %.
Bei der Erstellung der vorliegenden Arbeit kam die Methode der residualen Bestimmung der Energiebilanz zum Einsatz. Eines der weltweit am häufigsten eingesetzten und vali-dierten fernerkundlichen Residualmodelle zur ET Ableitung ist das SEBAL-Modell (Surface Energy Balance Algorithm for Land, mit über 40 veröffentlichten Studien. SEBAL eignet sich zur Quantifizierung der Verdunstung großflächiger Gebiete und wurde bisher über-wiegend in der Bewässerungslandwirtschaft eingesetzt. Aus diesen Gründen wurde es für die Bearbeitung der Fragestellungen in dieser Arbeit ausgewählt. SEBAL verwendet physikalische und empirische Beziehungen zur Berechnung der Energiebilanzkomponenten basierend auf Fernerkundungsdaten, bei gleichzeitig minimalem Einsatz bodengestützter Daten. Als Eingangsdaten werden u.a. Informationen über Strahlung, Bodenoberflächentemperatur, NDVI, LAI und Albedo verwendet. Zusätzlich zu SEBAL wurden einige Komponenten der SEBAL Weiterentwicklung METRIC (Mapping Evapotranspiration with Internalized Calibration) verwendet, um die Modellierung der ET vorzunehmen. METRIC überwindet einige Limitierungen des SEBAL Verfahrens und kann beispielsweise auch in stärker reliefierten Regionen angewendet werden. Außerdem ermöglicht die Integration einer gebietsspezifischen Referenz-ET sowie einer Landnutzungsklassifikation eine bessere regionale Anpassung des Residualverfahrens. Unter der Annahme der Bedingungen zum Zeitpunkt der Fernerkundungsaufnahme ergibt sich die Energiebilanz an der Erdoberfläche
RN = LvE + H + G. Demnach teilt sich die verfügbare Strahlungsenergie RN in die Komponenten latenter Wärme (LVE), fühlbarer Wärme (H) und Bodenwärme (G) auf. Durch Umstellen der Gleichung kann auf die latente Wärme geschlossen werden.
Das wesentliche Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Optimierung, Erweiterung und Validierung des ausgewählten SEBAL Verfahrens zur regionalen Modellierung der Energiebilanzkomponenten und der daraus abgeleiteten tatsächlichen Evapotranspiration. Die validierten Modellergebnisse der Gebietsverdunstung der Jahre 2009-2011 sollen anschließend als Grundlage dienen, das Gesamtverständnis der regionalen Prozesse des Wasserkreislaufs zu verbessern. Die Arbeit basiert auf der Datengrundlage von MODIS Daten mit 1 km räumlicher Auflösung. Während die Komponenten verfügbare Strahlungsenergie und fühlbarer Wärmestrom physikalisch basiert ermittelt werden, beruht die Berechnung des Bodenwärmestroms ausschließlich auf empirischen Abschätzungen. Ein großer Nachteil des empirischen Ansatzes ist die Vernachlässigung des zeitlichen Versatzes zwischen Strahlungsbilanz und Bodenwärmestrom in Abhängigkeit der aktuellen Bodenfeuchtesituation.
Ein besonderer Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt auf der Bewertung und Verbesserung der Modellgüte des Bodenwärmestroms durch Verwendung eines neuen Ansatzes zur Integration von Bodenfeuchteinformationen. Daher wird in der Arbeit ein physikalischer Ansatz entwickelt der auf dem Ansatz der periodischen Temperaturveränderung basiert. Hierbei wurde neben dem ENVISAT ASAR SSM Produkt der TU Wien das operationelle Oberflächenbodenfeuchteprodukt ASCAT SSM als Fernerkundungseingangsdaten ausgewählt. Die mit SEBAL modellierten Energiebilanzkomponenten werden durch eine intensive Validierung mit bodengestützten Messungen bewertet, die Messungen stammen von Bodensensoren und Daten einer Eddy-Kovarianz-Station aus den Jahren 2009 bis 2011.
Die Region Khorezm gilt als charakteristisch für die wasserbezogene Problematik der Bewässerungslandwirtschaft Mittelasiens und wurde als Untersuchungsgebiet für diese Arbeit ausgewählt. Die wesentlichen Probleme dieser Region entstehen durch die nach wie vor nicht nachhaltige Land- und Wassernutzung, das marode Bewässerungsnetz mit einer Verlustrate von bis zu 40 % und der Bodenversalzung aufgrund hoher Grundwasserspiegel. Im Untersuchungsgebiet wurden in den Jahren 2010 und 2011 umfangreiche Feldarbeiten zur Erhebung lokaler bodengestützter Informationen durchgeführt.
Bei der Evaluierung der modellierten Einzelkomponenten ergab sich für die Strahlungsbi-lanz eine hohe Modellgüte (R² > 0,9; rRMSE < 0,2 und NSE > 0,5). Diese Komponente bildet die Grundlage bei der Bezifferung der für die Prozesse an der Erdoberfläche zur Verfügung stehenden Energie. Für die fühlbaren Wärmeströme wurden ebenfalls gute Ergebnisse erzielt, mit NSE von 0,31 und rRMSE von ca. 0,21. Für die residual bestimmte Größe der latenten Wärmeströmung konnte eine insgesamt gute Modellgüte festgestellt werden (R² > 0,6; rRMSE < 0,2 und NSE > 0,5). Dementsprechend gut wurde die tägliche Evapotranspiration modelliert. Hier ergab sich, nach der Interpolation täglicher Werte, eine insgesamt ausreichend gute Modellgüte (R² > 0,5; rRMSE < 0,2 und NSE > 0,4). Dies bestätigt die Ergebnisse vieler Energiebilanzstudien, die lediglich den für die Ableitung der Evapotranspiration maßgebenden Wärmestrom untersuchten. Die Modellergebnisse für den Bodenwärmestrom konnten durch die Entwicklung und Verwendung des neu entwickelten physikalischen Ansatzes von NSE < 0 und rRMSE von ca. 0,57 auf NSE von 0,19 und rRMSE von 0,35 verbessert werden. Dies führt zu einer insgesamt positiven Einschätzung des Verbesserungspotenzials des neu entwickelten Bodenwärmestromansatzes bei der Berechnung der Energiebilanz mit Hilfe von Fernerkundung.
The investigation of the Earth system and interplays between its components is of utmost importance to enhance the understanding of the impacts of global climate change on the Earth's land surface. In this context, Earth observation (EO) provides valuable long-term records covering an abundance of land surface variables and, thus, allowing for large-scale analyses to quantify and analyze land surface dynamics across various Earth system components. In view of this, the geographical entity of river basins was identified as particularly suitable for multivariate time series analyses of the land surface, as they naturally cover diverse spheres of the Earth. Many remote sensing missions with different characteristics are available to monitor and characterize the land surface. Yet, only a few spaceborne remote sensing missions enable the generation of spatio-temporally consistent time series with equidistant observations over large areas, such as the MODIS instrument.
In order to summarize available remote sensing-based analyses of land surface dynamics in large river basins, a detailed literature review of 287 studies was performed and several research gaps were identified. In this regard, it was found that studies rarely analyzed an entire river basin, but rather focused on study areas at subbasin or regional scale. In addition, it was found that transboundary river basins remained understudied and that studies largely focused on selected riparian countries. Moreover, the analysis of environmental change was generally conducted using a single EO-based land surface variable, whereas a joint exploration of multivariate land surface variables across spheres was found to be rarely performed.
To address these research gaps, a methodological framework enabling (1) the preprocessing and harmonization of multi-source time series as well as (2) the statistical analysis of a multivariate feature space was required. For development and testing of a methodological framework that is transferable in space and time, the transboundary river basins Indus, Ganges, Brahmaputra, and Meghna (IGBM) in South Asia were selected as study area, having a size equivalent to around eight times the size of Germany. These basins largely depend on water resources from monsoon rainfall and High Mountain Asia which holds the largest ice mass outside the polar regions. In total, over 1.1 billion people live in this region and in parts largely depend on these water resources which are indispensable for the world's largest connected irrigated croplands and further domestic needs as well. With highly heterogeneous geographical settings, these river basins allow for a detailed analysis of the interplays between multiple spheres, including the anthroposphere, biosphere, cryosphere, hydrosphere, lithosphere, and atmosphere.
In this thesis, land surface dynamics over the last two decades (December 2002 - November 2020) were analyzed using EO time series on vegetation condition, surface water area, and snow cover area being based on MODIS imagery, the DLR Global WaterPack and JRC Global Surface Water Layer, as well as the DLR Global SnowPack, respectively. These data were evaluated in combination with further climatic, hydrological, and anthropogenic variables to estimate their influence on the three EO land surface variables. The preprocessing and harmonization of the time series was conducted using the implemented framework. The resulting harmonized feature space was used to quantify and analyze land surface dynamics by means of several statistical time series analysis techniques which were integrated into the framework. In detail, these methods involved (1) the calculation of trends using the Mann-Kendall test in association with the Theil-Sen slope estimator, (2) the estimation of changes in phenological metrics using the Timesat tool, (3) the evaluation of driving variables using the causal discovery approach Peter and Clark Momentary Conditional Independence (PCMCI), and (4) additional correlation tests to analyze the human influence on vegetation condition and surface water area.
These analyses were performed at annual and seasonal temporal scale and for diverse spatial units, including grids, river basins and subbasins, land cover and land use classes, as well as elevation-dependent zones. The trend analyses of vegetation condition mostly revealed significant positive trends. Irrigated and rainfed croplands were found to contribute most to these trends. The trend magnitudes were particularly high in arid and semi-arid regions. Considering surface water area, significant positive trends were obtained at annual scale. At grid scale, regional and seasonal clusters with significant negative trends were found as well. Trends for snow cover area mostly remained stable at annual scale, but significant negative trends were observed in parts of the river basins during distinct seasons. Negative trends were also found for the elevation-dependent zones, particularly at high altitudes. Also, retreats in the seasonal duration of snow cover area were found in parts of the river basins. Furthermore, for the first time, the application of the causal discovery algorithm on a multivariate feature space at seasonal temporal scale revealed direct and indirect links between EO land surface variables and respective drivers. In general, vegetation was constrained by water availability, surface water area was largely influenced by river discharge and indirectly by precipitation, and snow cover area was largely controlled by precipitation and temperature with spatial and temporal variations. Additional analyses pointed towards positive human influences on increasing trends in vegetation greenness. The investigation of trends and interplays across spheres provided new and valuable insights into the past state and the evolution of the land surface as well as on relevant climatic and hydrological driving variables. Besides the investigated river basins in South Asia, these findings are of great value also for other river basins and geographical regions.