100 Philosophie und Psychologie
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Die Rückkehr des Realen
(2020)
We are witnessing a return of the real which philosophy seems illequipped to handle. I argue (1) that this return of the real must be read as a rejection of those philosophical tendencies which were prevalent in the past decades and which I call philosophies of mediation: They supplanted all references to something real by the sole reference to those processes in which reality was supposed to be given or shaped (in interpretations, linguistic structures, historical or social conditions, media…). The current urgency of the question of the real indicates that those philosophies have lost credibility. On the other hand (2), the contemporary attempts to resuscitate philosophical realism cannot be considered satisfactory either. It is curiously the real itself they fail to fully appreciate. All in all (3), the return of the real has to be interpreted as the effect of an event that has little to do with philosophy, namely the return of politics.
Friedrich August von Hayek hat meines Erachtens die elaborierteste Neufassung der liberalen Theorie im 20. Jahrhundert formuliert. Hayek selbst sah die Gefahr für eine liberale Großgesellschaft in der Überschätzung der menschlichen Erkenntnisfähigkeit, die Menschen dazu veranlasst, Gesellschaften zu planen. Die Konsequenz dieses falschen Anspruchs sah er in der Zerstörung der sozialen Strukturen, welche die Menschen kognitiv zur Planung erst befähigen. In dieser Arbeit zeige ich, dass es davon abweichend eine zweite Form des Scheiterns des liberalen Projekts gibt, welche aber selbst als Resultat der konsequenten Umsetzung desselben verstanden werden muss. Die liberale Großgesellschaft beruht auf einer bestimmten Geltung von Werten, welche die Individuen anerkennen. Meine These ist, dass einige dieser starken Werte selbst durch Marktkräfte selektiert werden und die Individuen im falschen Bewusstsein, dass diese Werte für die Marktgesellschaft konstituierend sind, das politische System zu einer antiliberalen Gesetzgebung animieren. Um dies zu plausibilisieren, soll der methodologische Individualismus konsequent angewendet werden. Dann muss aber der Darstellung der sozialen Ordnung ein Diskurs vorgelagert werden, der sich mit der Erkenntnisfähigkeit des Individuums beschäftigt. Die Art und Weise, wie es erkennt und was es über die Welt überhaupt wissen kann, ist grundlegend für die Art sozialer Ordnungen, die es realisiert. Die Soziologie von Hayek kann meines Erachtens nur aus der Perspektive seiner theoretischen Psychologie und Erkenntnistheorie angemessen interpretiert werden. Hier kommt der Referenz auf Hermann von Helmholtz Theorie des unbewussten Schlusses eine überragende Bedeutung zu. Mit diesem Ansatz gelingt der Anschluss der Überlegungen Hayeks an die neueste Interpretation des Gehirns als prediction machine durch Karl Friston. Dies führt zu der Ansicht, dass eine Herrschaft der in der Vergangenheit aufgebauten neuronalen Strukturen über den neu einlaufenden sensorischen Input behauptet werden kann. Das Gehirn ist eine statistische Maschine, die auf Basis eines registrierten Ereignisses die Folgeereignisse prognostiziert. Dies hat zufolge, dass die Wahrnehmung der Gegenwart immer eine Simulation einer möglichen Zukunft darstellt. Wir nehmen die Welt wahr, bevor sie sich gezeigt hat. Dadurch, dass Hayek zugleich eine Variante des Funktionalismus eine Dekade vor Hilary Putnam entworfen hat, und die epistemische Funktion des Marktes hervorhebt, kann der Markt im Sinne der von Clark und Chalmers formulierten These als aktiver Externalismus verstanden werden. Er ist somit als soziales System rekonstruierbar, dass die Wissensgrenze jedes Individuums dadurch erweitert, dass die ihn konstituierenden Prozesse der Außenwelt als notwendiger Teil der intern laufenden kognitiven Prozesse der Individuen verstanden werden. Möglich werden Marktgesellschaften dann, wenn Individuen über ganz bestimmte neuronale Repräsentationen verfügen, die sie zu einem ganz bestimmten Handeln und Urteilen bewegen.
Moritz Geiger war ein Vertreter des Münchener Phänomenologenkreises, der stark von Edmund Husserl inspiriert war, jedoch eine realistische Philosophie anstrebte. In der Philosophiegemeinde fanden Geigers Werke zur Ästhetik die meiste Beachtung, doch diese Arbeit widmet sich seinem Grundprinzip der unmittelbaren Einstellung und wie sich die Realität in ihr darstellt. Im Zuge dessen werden auch die mannigfaltigen Terminologien Geigers zueinander in Beziehung gesetzt. Unter unmittelbarer Einstellung versteht er v.a. die naive Einstellung des gewöhnlichen Lebens, die im Gegensatz zum naturalistischen Modell keine bloße Zweiteilung der Welt in Physisches und Psychisches vornimmt. Stattdessen macht Geiger für die Realität der unmittelbaren Einstellung ganze fünf Objektreiche aus, die jeweils unabhängig voneinander sind: Neben Psyche und körperlicher Welt sind dies die Sphären ideeller, realer geistiger und mentaler Objekte. Geiger macht die unmittelbare Einstellung zudem als Korrelat zu einer von zwei Weltformungen aus. Ihm folgend wäre besagte Realität der unmittelbaren Einstellung also als gleichberechtigt neben der naturalistischen Realität anzusehen. Eine Kombination beider Ansätze muss Geiger zufolge möglich sein, doch seine dahingehenden Versuche dokumentieren v.a. die diesbzgl. Problematiken und können jene nicht gänzlich auflösen.