610 Medizin und Gesundheit
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Das multiple Myelom muss trotz aller Therapierfolge in den letzten drei Jahrzehnten seit Einführung der Melphalan-basierten Hochdosistherapie mit autologer Stammzell-Transplantation als eine unheilbare maligne hämatologische Systemerkrankung angesehen werden. Trotz einer großen Anzahl vielversprechender neuer Therapieoptionen im Bereich von IMiDs, PIs und gänzlich neuer immuntherapeutischer Behandlungsansätze stellt dabei die Behandlung eines Myelom-Patienten im späten Krankheitsrezidiv nach Versagen von Lenalidomid und Bortezomib eine therapeutische Herausforderung dar. Daneben erweisen sich dabei im klinischen Alltag mit zunehmender Zahl an Vortherapien insbesondere auch Behandlungs-assoziierte Toxizitäten als den Behandlungserfolg limitierende Faktoren.
Diese retrospektive Analyse zeigt, dass eine dritte Melphalan-Hochdosistherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation in dieser Situation eine wirkungsvolle Therapieoption darstellt, die zum einen ein überzeugendes Ansprechen (ORR 59 %) bewirkt, und über diese unmittelbare Wirksamkeit hinaus zu einem Zugewinn Progressions-freier Überlebenszeit von im Mittel 9 Monaten führt. Zudem kann insbesondere auch die neuerliche autologe Transplantation durch eine Verbesserung der häufig Therapie-assoziiert erschöpften hämatopoetischen Funktion dazu beitragen, dass Patienten im nahezu unweigerlich auftretenden neuerlichen Rezidiv durch bessere Therapieadhärenz und höhere Therapieintensität maximal von Folgetherapien profitieren. Dieser Effekt spiegelt sich in einem gemessen an einem trotz intensiv vortherapierter Patienten langen mittleren Überlebens von 26 Monaten wider.
Trotz hoher Therapieeffektivität zeigt sich dabei ein günstiges Sicherheitsprofil mit einer Therapie-assoziierten Mortalität von 4,9 %. Daneben konnte diese Arbeit in einer großen Kohorte bestätigen, dass eine lange Kryokonservierung autologer Stammzellen nicht nur in vitro sondern auch in vivo nicht zu einem Qualitätsverlust und somit beeinträchtigtem Stammzell-Engraftment führt.
Insgesamt kann sich die ASCT3 im späten Krankheitsrezidiv in ihrer Wirksamkeit und Sicherheit in refraktären/relabierten Fällen mit Proteasomen-Inhibitoren sowie immunmodulatorischen Substanzen der zweiten bzw. dritten Generation messen lassen, ist jedoch ebenso wenig wie diese im alleinigen Einsatz in der Lage, den negativ-prognostischen Einfluss einer Doppel-Refraktärität bzw. einer Hochrisiko-Zytogenetik vollständig zu überwinden. Hieraus ergeben sich neue Ansätze für Therapiekonzepte, die beispielsweise immunmodulatorische Substanzen sowie Proteasomen-Inhibitoren der neueren und neuesten Generation ebenso wie Antikörper-basierte Therapien im Rahmen einer prospektiven Studie mit einer dritten Hochdosistherapie und anschließender autologer Stammzelltransplantation kombinieren könnten, um das Gesamtüberleben von Myelom-Patienten weiter zu verlängern.
Das multiple Myelom ist trotz intensiver Forschung eine bisher unheilbare maligne Plasmazellerkrankung. Für jüngere Patienten ohne relevante Komorbiditäten ist die Behandlung mit einer Hochdosistherapie gefolgt von einer autologen Stammzelltransplantation der Goldstandard. Bei einer geringen Rate an therapiebedingter Mortalität erzielt diese eine hohe Rate an kompletten Remissionen und damit die Wahrscheinlichkeit für ein längeres Überleben. Um die optimale Konditionierungstherapie zu finden, wurde eine Vielzahl von Chemotherapeutika, teilweise gekoppelt mit Ganzkörperbestrahlung, getestet.
In dem in dieser Dissertation schwerpunktmäßig analysierten Langzeit-Datensatzes der „DSMM I“-Studie erfolgte der prospektive Vergleich einer Doppelhochdosis-Chemotherapie mit Melphalan und zweimaliger autologer Stammzelltransplantation und einer Einfachhochdosis-Therapie mit modifizierter Ganzkörperbestrahlung, Busulfan und Cyclophosphamid und einfacher autologer Stammzelltransplantation. Es wurde untersucht, ob sich eines der beiden Konditionierungsschemata hinsichtlich des ereignisfreien Überlebens, des Gesamtüberlebens, des maximalen Ansprechens auf die Therapie oder der Toxizität überlegen zeigte. Bisher publizierte Studien wiesen einen Vorteil der Tandem-Hochdosistherapie gegenüber der Einfachhochdosis-Therapie nach. In dieser Studie hatten beide Therapiegruppen ein exzellentes Gesamtüberleben. Es zeigte sich jedoch keine Überlegenheit einer der Therapien für das ereignisfreie und Gesamtüberleben, trotz signifikant höherer Ansprechrate unter Melphalan. Nach modifizierter Ganzkörperbestrahlung war, wie bereits in anderen Studien beschrieben, die Rate an Nebenwirkungen signifikant erhöht. Die Patienten litten vor allem unter Mukositis, Schmerzen und Pneumonitis. Somit ist die Doppelhochdosistherapie mit Melphalan Therapie der Wahl.
Die mediane Nachbeobachtungszeit von knapp 7 Jahren ist im Gegensatz zu vielen anderen Publikationen sehr viel länger als das mediane ereignisfreie Überleben. Dies spricht für die Validität der Daten.
Das Verfahren der Hochdosischemotherapie mit nachfolgender autologer Stammzelltransplantation ist eine etablierte, gut untersuchte Therapieoption in der Behandlung hämatoonkologischer Erkrankungen. Die sich dabei entwickelnde Thrombozytopenie stellt einen der therapielimitierenden Faktoren dar, wobei sich hier große interindividuelle Unterschiede zeigen. Das Ziel dieser Arbeit war es, mögliche Einflussfaktoren auf die Regeneration der Thrombozytenzahlen nach Hochdosistherapie und autologer Transplantation zu untersuchen. Hierzu erfolgte eine retrospektive Untersuchung von 110 Patientendaten, die von 1994 bis 2003 an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums behandelt wurden. Die Thrombozytenzahlen wurden vier Wochen, drei Monate und sechs Monate nach Transplantation dokumentiert, außerdem wurde die Dauer in Tagen bis zu dem Erreichen der beiden Thrombozytenschwellenwerte 10.000/µl und 20.000/µl untersucht. An potentiellen Einflussfaktoren gingen das Alter zum Zeitpunkt der Transplantation, der body mass index zum Zeitpunkt der Transplantation, das Geschlecht, das Vorhandensein einer vorausgegangenen Ganzkörperbestrahlung, das Vorhandensein einer Antibiotikagabe aufgrund einer transplantationsassoziierten Infektion, die Aplasiedauer, die Anzahl der transfundierten CD34+-Zellen, die Anzahl der transfundierten colony forming units (CFUs), die Anzahl der transfundierten blood forming units (BFUs), das Vorliegen eines Rezidivs und der Thrombozytenausgangswert vor Hochdosistherapie in die Analyse ein. An statistischen Testverfahren wurde der Mann-Whitney-U-Test, der Kruskal-Wallis-Test und der Korrelationskoeffizient nach Spearman verwendet, bei nachgewiesenem potentiellen Zusammenhang erfolgte eine Quantifizierung mittels multipler Regressionsanalysen. Anhand der beiden nichtparametrischen Testverfahren und der Bestimmung des Korrelationskoeffizienten nach Spearman konnte gezeigt werden, dass für die Parameter „Ausgangswert der Thrombozyten vor Hochdosistherapie“, „Dauer der Aplasie“ und „Vorliegen einer Ganzkörperbestrahlung“ ein systematischer Zusammenhang zu den Thrombozytenwerten nach vier Wochen, drei Monaten bzw. sechs Monaten vorliegt. An den beiden Schwellenwerten „Dauer bis Thrombozytenzahl 10.000/µl“ und „Dauer bis Thrombozytenzahl 20.000/µl“ galt das für die Variablen „Dauer der Aplasie“, „Vorhandensein einer Antibiotikatherapie“ und „Geschlecht“. Für die restlichen Parameter konnte keine signifikante Korrelation zu den Thrombozytenzahlen gezeigt werden, was insbesondere für Anzahl der transfundierten CD34+-Zellen, CFUs bzw. BFUs überraschte und anhand klinischer Vorüberlegungen nicht zu erwarten war. Mit Hilfe der oben genannten Parameter, für die ein nichtzufälliger Zusammenhang zu den Thrombozytenzahlen gezeigt werden konnte, erfolgten zu den drei Messpunkten und den zwei Schwellenwerten separate multiple Regressionsanalysen. Im Ergebnis konnten fünf Gleichungen formuliert werden, die, nach Einsetzen der Prädiktoren „Dauer der Aplasie“, „Thrombozytenausgangswert vor Transplantation“ und „Geschlecht“ eine Prognose der Thrombozytenzahlen zu den entsprechenden Zeitpunkten und Zielwerten ermöglichen. Ein möglicher klinischer Einsatz dieser Ergebnisse wäre die Identifikation von Risiko- und Hochrisikogruppen im Vorfeld einer Hochdosischemotherapie und autologer Stammzelltransplantation anhand prognostizierter Thrombozytenwerte. Dies würde ein angepasstes therapeutisches und diagnostisches Vorgehen ermöglichen, wodurch die Sicherheit des Verfahrens und der Krankheitsverlauf verbessert werden könnten.