610 Medizin und Gesundheit
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Das Somatostatin-Analogon Octreotid ist ein in der Diagnose von Thymomen und Thymuskarzinomen wertvolles Hilfsmittel, da praktisch 100 % der Fälle eine kräftige Anreicherung in der Octreotid-Szintigraphie aufweisen, während entzündlich veränderte und nicht-neoplastische Thymi meist nicht anreichern. Auch therapeutisch zeigten 5 der 8 hier untersuchten Thymome eine ausgeprägte, objektivierbare Tumorregression unter einer Kombinationstherapie von Octreotid und Prednison, allerdings zählte die Mehrzahl der Fälle mit gutem Ansprechen zu der Gruppe der klinisch gutartigen Typ A und AB Thymome, während alle Fälle ohne Ansprechen ungünstige Typ B3 Thymome und Thymuskarzinome waren. Das unterschiedliche Anreicherungsverhalten von Normalthymi und Thymomen war nicht durch Unterschiede im immunhistochemischen Expressionmuster von SSTR-Isoformen erklärbar. Die für die Bindung von Octreotid hauptverantwortlichen Somatostatinrezeptor (SSTR) Subtypen 2A, 3 und 5 zeigten in Normalthymi und nahezu allen untersuchten Thymomen und Thymuskarzinomen eine kräftige zytoplasmatische Expression, während membranständige SSTR in Normalthymi nicht, in Thymomen und Thymuskarzinomen nur in etwa 5 % der Fälle beobachtet wurden. Auch das unterschiedliche Ansprechen der einzelnen Thymome bzw. Thymuskarzinome korrelierte nicht mit einem erkennbar unterschiedlichen Expressionsprofil der einzelnen SSTR. Die Befunde sind in erster Linie durch unterschiedliche Kinetiken bei der Internalisierung der SSTR, möglicherweise auch durch Heterokomplexbildung mit anderen Rezeptortypen erklärbar. Eine weitere Erklärungsmöglichkeit wäre eine unterschiedliche Kompetition von Octreotid mit intrinsischem Somatostatin. Unsere Ergebnisse sprechen gegen eine gängige Auffassung, nach der ausschließlich membranständige SSTR durch eine Octreotid-Therapie „attackiert“ werden können. Die Aussagekraft der in der Bildgebung objektivierten Tumorregression und der histologischen Befunde vor und nach Octreotidtherapie ist allerdings mit Vorbehalt zu bewerten, da in allen Fällen eine Kombinationstherapie mit Steroiden durchgeführt wurde und mittlerweile bekannt ist, dass auch Steroide allein bei einem Teil der Fälle zu einer Tumorremission führen können.
Prognostische und therapeutische Aspekte von Thymomen : eine retrospektive Studie von 582 Fällen
(2004)
Thymome sind seltene epitheliale Thymustumoren, die in der überwiegenden Zahl der Fälle die Fähigkeit zur Reifung und zum Export von T-Zellen behalten haben. Diese Fähigkeit ist als Ursache für die häufige Asoziation dieser Tumoren mit Autoimmunphänomenen (z.B Myasthenia gravis)anzunehmen. Die vorgelegte Studie zeigt die prognostische Relevanz der derzeit gültigen histologischen WHO-Klassifizierung von Thymomen. Das biologische Verhalten der einzelnen Thymomtypen korreliert dabei mit dem Ausmaß zytogenetischer Veränderungen. Wenige klinische und histologische Parameter wie der histologische Subtyp, Tumorstadium nach Masaoka sowie der Resektionsstatus reichen aus, um den Verlauf eines bestimmten Thymoms mit genügender Zuverlässigkeit prognostizieren zu können. Dies konnte in Übereinstimmung mit früheren Arbeiten in unserer Studie gezeigt werden. Somit müssen vor allem diese drei Parameter berücksichtigt werden, um eine adäquate Therapie einleiten zu können. Angaben zu Alters- und Geschlechtsverteilung können diese Befunde ergänzen, haben jedoch keine prognostische Signifikanz für die Wahl der Therapie. Die erhobenen Befunde der vorgelegten Follow-up Studie können als Grundlage prospektiver klinischer Therapiestudien dienen. Im Zentrum der Bemühungen sollte hierbei nach unseren Ergebnissen die Therapie von „high-risk“ Thymomen des Typ B und C stehen, bei denen eine primäre vollständige Resektion nicht möglich ist, oder bei denen zum Zeitpunkt der Operation bereits Metastasen bestehen. Therapieoptionen mit multimodalen Therapiestrategien müssen dafür noch weiter modifiziert und über längere Zeiträume erprobt werden. Zudem sollten klinische Studien mit Somatostatin-Analoga als neue Therapiemöglichkeit gefördert werden. Aufgrund der äußerst niedrigen Inzidenz von Thymomen und der niedrigen Frequenz von Patienten mit diesen ungünstigen Thymomverläufen werden diese Versuche nationale oder internationale Bemühungen erfordern.
Genetische Veränderungen von Thymomen, insbesondere rekurrente Aberrationen, sind bislang unbekannt. In dieser Dissertation wurden 13 WHO Typ A Thymome, 23 WHO Typ B3 Thymome sowie 12 primäre Plattenepithelkarzinome (WHO Typ C Thymome) sowie einige seltene Primärtumoren des Thymus mittels Komparativer genomischer Hybridisierung untersucht. Mit Ausnahme eines einzigen Falles zeigten WHO Typ A Thymome keine chromosomalen Gewinne oder Verluste. Im Gegensatz dazu fanden sich bei allen Thymomen des Typs B3 genetische Aberrationen. Der Gewinn von 1q trat in 15 (65%), Gewinne von Chromosom 16 und Xq traten in jeweils 3 (13%) Fällen auf. Verluste fanden sich auf Chromosom 6 in 10 Fällen (43%) und an 13q in 6 Fällen (23%). Die häufigsten Gewinne bei primären Plattenepithelkarzinomen fanden sich auf 1q in 7 Fällen (58%), auf 17q in 4 Fällen (33%) und auf Chromosom 5 und 18 in jeweils 3 Fällen (25%). Rekurrente Verluste traten bei dieser Entität auf Chromosom 16q in 8 Fällen (67%), auf Chromosom 6 in 6 Fällen (50%), auf Chromosom 3 in 4 Fällen (33%) und auf den Chromosomen 13q sowie 17p in jeweils 3 Fällen (25%) auf. Die Dissertation zeigt, daß histologisch unterschiedliche Thymome mit unterschiedlichen, rekurrenten Aberrationen assoziiert sind. WHO Typ A Thymome weisen nur vereinzelt genetische Aberrationen auf. Thymome vom WHO Typ A und Typ B3 weisen verschiedene genetische Phänotypen auf, während Thymome vom Typ B3 sowie die primären Plattenepithelkarzinome des Thymus gemeinsame genetische Aberrationen zeigen. Neben den pathogenetischen Aspekten weist der beobachtete Verlust von Chromosom 6, auf dem sich die Genloci der HLA-Moleküle befinden, bei WHO Typ B3 Thymomen auch auf eine Rolle bei der Entstehung paraneoplastischer Autoimmunphänomene wie der Myasthenia Gravis hin.