610 Medizin und Gesundheit
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Phytohormone, insbesondere solche mit östrogenem Potential werden heute vermehrt in der postklimakterischen Hormonersatztherapie als natürliche Alternative zu Designeröstrogenen eingesetzt, da sie vermutlich ein besseres Wirkungs-Nebenwirkungsprofil besitzten. Mengenmäßig am bedeutensten sind die Phytoöstrogene aus den Stoffgruppen der Isoflavone, Cumestane und Indol-3-carbinole. Weit über 100 Pflanzen produzieren Phytohormone. Die bekanntesten sind die Sojabohne, Weintrauben, Leinsamen, Haferflocken, Spargel, Traubensilberkerze und roter Klee. Phytohormone können täglich in großer Menge aufgenommen werden (1mg pro kg Körpergewicht), wobei durchaus Plasmaspiegel von über 1µM erreicht werden. Gerade deshalb darf nicht davon ausgegangen werden, daß natürliche Produkte per se gut für die Gesundheit wären. Phytohormone und insbesondere deren Metaboliten, die während der intestinalen Passage entstehen, wurden vielfach nicht den gleichen Prüfbedingungen unterzogen wie sie für andere in Lebensmitteln vorkommenden Substanzen, wie z.B. Konservierungs-, Farb- oder Aromastoffen, heute selbstverständlich ist. Diese Arbeit soll deshalb anhand von in-vitro Tests an Mauslymphomzellen L5178Y für eine Auswahl an Phytohormonen und deren Metaboliten mögliche toxische oder gentoxische Effekte detektieren und die bestehende Datenlage ergänzen. Aus der Gruppe der Isoflavone wurden die Daidzeinmetaboloiten Equol und O-desmethylangolensin und die Glyceteinmetaboliten 3,4,7- und 4,6,7-Trihyroxyisoflavon untersucht. Aus der Gruppe der Flavone wurde Fisetin und aus der Gruppe der Stilbene Resveratrol untersucht. Weiterhin wurden Daten zu den Anthocyanen Delphinidin-, Pelargonidin- und Cyanidin-Chlorid erhoben. Toxische Effekte wurden anhand von Proliferatiosexperimenten, durch die Bestimmung der Zellvitalität (Ethidiumbromid-Flouresceinmethode) und durch die Analyse der Teilungsaktivität nach Behandlung mit Cytocalasin B und anschließender Bestimmung des Anteils mehrkerniger Zellen detektiert. Zur Bestimmung von gentoxischen Effekte wurde auf den Mikrokerntest zurückgegriffen. Ergänzend sollte eine Immunfloureszenzfärbung der Kinetochorproteine in Mikrokernen Aufschluß über aneugene oder klastogene Wirksamkeit der untersuchten Substanzen geben. Die in dieser Arbeit gewonnenen Daten weisen darauf hin, daß erste adverse Effekte der Phytohormone oder deren Metaboliten im Bereich der erreichbaren Plasmakonzentration liegen, so daß eine übertriebene Aufnahme hochdosierter Phytohormonen derzeit als kritisch erachtet und weiterer Forschungsbedarf festgestellt werden muß.
Ergebnisse vieler epidemiologischer Studien über die Risikoabschätzungen von Tumoren hormonabhängiger Gewebe legen einen deutlichen Zusammenhang zwischen den Hormonen und dem Auftreten dieser Tumoren nahe. Dabei wird der zellproliferationssteigernde Effekt der Hormone im Rahmen des Mehrstufenkonzeptes der Kanzerogenese meist als Promotionsfaktor beschrieben. In der vorliegenden Arbeit soll gezeigt werden, dass die hormonelle Induktion einer erhöhten Zellteilungsrate auch primär zu einer genetischen Instabilität beiträgt, mit dem Ziel einen weiteren Mechanismus in der Pathogenese hormonabhängiger Tumoren aufzuklären. Die östrogenrezeptorpositive Ovarialtumorzellinie BG-1 und die rezeptornegativen UCI-107 Zellen wurden mit 17-ß Östradiol behandelt und anschließend mit Hilfe des Mikrokerntests auf chromosomale Schäden untersucht. Die Bestimmung der Mikrokernrate bei den östrogensensitiven BG-1 Zellen zeigte, dass mit steigender Proliferationsinduktion auch die Mikrokernfrequenz konzentrationsabhängig erhöht war. Bei der Behandlung der BG-1 Zellen mit 17-ß Östradiol in Kombination mit dem spezifischen Östrogenrezeptorantagonisten 4- Hydroxytamoxifen wurde die östradiolinduzierte rezeptorabhängige Proliferationsstimulation durch Hydroxytamoxifen gehemmt. Parallel dazu sank auch die Mikrokernrate. Bei vergleichbaren Versuchen mit der östrogeninsensitiven UCI-107 Zellinie, bei der keine Effekte auf die Proliferation bei Behandlung der Zellen mit 17-ß Östradiol alleine sowie in Kombination mit 4- Hydroxytamoxifen detektiert werden konnte, wurde auch keine Mikrokerninduktion beobachtet. Eine erhöhte Mikrokernfrequenz konnte wiederum ausschließlich in den östradiolstimulierten BG-1 Zellen festgestellt werden, als durch den Einsatz des Zytokineseinhibitors Cytochalasin B die Auswertung der Mikrokerne auf jene Zellen normiert wurde, die genau eine Zellteilung durchgeführt hatten. Die Ergebnisse machten deutlich, dass die östradiolstimulierten Zellen auf Grund der beschleunigten Proliferation eine „andere Art von Zellteilung“ durchführen. In einem weiteren Abschnitt der Arbeit wurde der Einfluss der Östradiolstimulierung auf den Zellzyklus untersucht. Mittels eines FACScans konnten die prozentualen Zellzyklusphasenanteile (G1/ G0-, S- und G2/ M- Phase) der BG-1 Zellen zu verschiedenen Zeiten des Wachstums bestimmt werden. Zum Beispiel war der Anteil an Zellen der östradiolstimulierten Zellpopulation in der G2/ M Phase durchgehend um 6-8 % geringer gegenüber dem Anteil an Zellen, die mit Lösungsmittel behandelt wurden. Möglicherweise ist dies ein Erklärungsansatz für das vermehrte Auftreten von Mikrokernen bei Östradiolstimulierung, da bekannt ist, dass es in der G2/ M-Phase einen wichtigen Kontrollpunkt innerhalb des Zellzyklus zur Detektion und Reparatur chromosomaler Schäden gibt. Bei Berechnung der Zellzyklusphasenzeiten ergab sich ebenso in der G2/M Phase eine deutlich verkürzte Verweildauer der östradiol-behandelten BG-1 Zellen. Zusammengefaßt leitet sich die Hypothese ab: „Die Zellen werden auf Grund der hormonellen Proliferationsstimulierung durch den Zellzyklus „gejagt“, demzufolge werden wichtige „Checkpoints“ im Zellzyklus überlaufen, wodurch eine genetische Instabilität entstehen.kann“.