780 Musik
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Die von Friedhelm Brusniak und Ulrich Konrad betreute und angenommene Dissertation nimmt den Briefwechsel zwischen August Heinrich Hoffmann von Fallersleben und dem jüngeren Augsburger Kapellmeister und Komponisten Hans Michael Schletterer in den Jahren 1862 bis 1873 in den Blick und dokumentiert dabei Hoffmanns Einfluss auf den Entstehungsprozess der Vertonungen seiner Lieder, besonders seiner Kinderlieder. Die Arbeit beleuchtet zudem den Erfahrungsschatz, den sich der ‚Dichter-Sänger‘ Hoffmann von Fallersleben auch durch die Zusammenarbeit mit anderen Musikern seiner Zeit, vorrangig Ludwig Christian Erk (1807–1883) und Ernst Heinrich Leopold Richter (1805–1876), erworben hatte. Darüber hinaus werden in der Korrespondenz Themen des gesellschaftlichen und politischen Lebens, der privaten und beruflichen Situation beider wie auch Hoffmanns Rolle als väterlicher Berater Schletterers berührt. Die Arbeit darf als neuer substantieller Beitrag der Hoffmann-Forschung und der interdisziplinären Liedforschung angesehen werden, der insbesondere der Kinderliedforschung neue Impulse verleiht.
Die Untersuchung über Diedrich Becker versucht einen Brückenschlag zwischen musikhistorischer und soziokultureller Betrachtung eines sogenannten "Kleinmeisters": Diedrich Becker (1623-1679), der als Komponist von Sonaten- und Suitensammlungen eine gewisse musikhistorische Bedeutung hat, dessen Biographie aber etliche Lücken aufweist, wird daher im sozialen wie auch kulturellen Kontext seiner Zeit dargestellt. Eine eingehende Betrachtung der Lebensstationen wie die Zeit als Mitglied der Celler Hofkapelle, aber auch sein Wirken als Ratsmusikant in Hamburg lassen auf zahlreiche Verbindungen zu anderen Künstlern seiner Zeit schließen. Beckers Wirken als Komponist zeigt sich in Sonaten und Suiten für Streicherensembles sowie in geistlichen Werken; vor allem die Überlieferungsgeschichte weist wiederum auf das dichte Beziehungsgeflecht hin, innerhalb dessen sich Becker bewegte. Im Anhang finden sich das Werkverzeichnis, Dokumente zur Biographie Beckers sowie alle erhaltenen Kompositionen.
„Musik auf dem Theater“ bildet eine lange Tradition, die Schauspiel und Oper großteils gemeinsam haben. Die Bezeichnung „Inzidenzmusik“ verweist auf die enge Bindung an die Handlung, in die sie „einfällt“. Richard Wagner, der alle seine musikdramatischen Werke mit Bühnenmusik versieht, knüpft an diese Tradition an. Dabei können drei Traditionsstränge unterschieden werden: Die inzidierende Musik, die sich dadurch auszeichnet, dass sie nach der Konvention feststehender Instrumenten-Emblematik im gesprochenen wie im gesungenen Drama eingesetzt wird, findet bei Wagner regelmäßig Anwendung. Die banda sul palco, die dagegen als Opernspezifikum zu betrachten ist, setzt er nur in seinen ersten Opern ein. Relativ selten treten gemischte, meist nicht sichtbar hinter der Bühne positionierte Instrumentengruppen auf, die mit transzendierender Musik eine jenseitige Welt repräsentieren sollen. Wagner weist der Bühnenmusik, neben ihren konventionellen Funktionen, weitere, neue Aufgaben zu. Die Musik auf dem Theater, die oft eher im Zusammenhang aufführungsbedingter Praxis denn als Teil auktorialer Originalität gesehen wird, erhält dadurch einen entscheidenen Platz in der Gesamtkonzeption und kann nicht beliebig ausgetauscht oder weggelassen werden. Ihre substantielle Rolle zeigt sich bereits im Kompositionsprozeß: Die Skizzen zur Bühnenmusik entstehen sehr früh, häufig weisen sie sogar in die Zeit der ersten Inspiration. Ihr motivisches Material hat Einfluß auf die Anlage des Werkganzen, formuliert aber auch in Form höchstverdichteter musikalischer Chiffren die wesentliche Aussagen des Gesamtwerkes. Am „fertigen“ Musikdrama zeigt sich, dass sie häufig Einsatz an den dramaturgisch wichtigen Stellen der Aktanfänge und -zäsuren findet. Als eine „ursprüngliche Sprache“ repräsentiert sie außerdem (ästhetisch gesehen) eine Sphäre, die sich von der Musik aus dem Orchestergraben deutlich unterscheidet. Obwohl Wagner die Bühnenmusik in seinen theoretischen Schriften kaum thematisiert, vertraut er ihr in allen Phasen seines Schaffens wesentliche Aufgaben an. Die herausgehobene Stellung der Musik auf dem Theater stellt eine bedeutende Konstante im Werk Richard Wagners dar.
Die Tätigkeit des Singens ist für den Menschen von kultureller, anthropologischer, sozialer und ontogenetischer Bedeutung. Aktuelle Entwicklungen, die sich seit rund einem Jahrzehnt innerhalb der vokalpädagogischen Praxis mit Kindern im Bereich von Kindertagesstätten, von Grundschulen, Musikhochschulen und weiteren Ausbildungsinstitutionen vollziehen, zeigen, dass dem Singen mit Kindern ebenfalls eine große didaktische Relevanz zukommt.
Der Bedarf an vokalpädagogischen Angeboten nimmt stetig zu, doch war bislang ungeklärt, was gute vokalpädagogische Praxis angesichts höchst heterogener Angebote ausmacht. Daher wurde in der vorliegenden Dissertation zum einen der Frage nachgegangen, wie sich der Qualitätsbegriff für die vokalpädagogische Praxis bestimmen lässt. Zum anderen wurden Merkmale eruiert, welche gute vokalpädagogische Praxis charakterisieren.
Ausgehend von diesen Leitfragen wurde zunächst der Qualitätsbegriff für die vokalpädagogische Praxis mit Kindern auf theoretisch-systematische Weise bestimmt. Dabei konnten durch Anwendung und Übertragung empirisch belegter, fachunspezifischer Qualitätsmerkmale Ziele und leitende Prinzipien für die vokalpädagogische Praxis systematisch ermittelt werden, die den Besonderheiten musikalischen, vokalen und ästhetischen Lernens Rechnung tragen. Anschließend wurden diese Ziele und Prinzipien in einem mehrebenenanalytischen Modell zur Qualität in der vokalpädagogischen Praxis mit Kindern aufeinander bezogen; dabei wurden die Zielsetzungen zum Singen mit Kindern sowohl auf Prozessebene als auch auf Produktebene formuliert und begründet. Das Modell stellt das zentrale Ergebnis der Arbeit dar.
Schließlich wurden für die konkrete Anwendung und Nutzung in der vokalpädagogischen Praxis acht Merkmale guter vokalpädagogischer Praxis aus dem Modell expliziert, welche zugleich die wesentlichen Aspekte des vorgestellten Modells zusammenfassen. Zudem konnten auf Basis des Modells Maßnahmen für die Qualitätsentwicklung vokalpädagogischer Praxis entwickelt werden, was als weiteres praxisorientiertes Ziel der vorliegenden Arbeit zu verstehen ist.
Beim Siciliano – dem Forschungsgegenstand dieser Arbeit – handelt es sich um einen musikalischen Typ oder Topos, der sich etwa durch den 6/8-Takt, den punktierten Rhythmus und ein langsames Tempo auszeichnet. In der heutigen musikhistorischen Literatur ist die Annahme verbreitet, der Siciliano habe lediglich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts große Popularität genossen, sei aber nach 1750 langsam in Vergessenheit geraten. Der Verfasser ist jedoch durch eine Untersuchung von 184 Siciliano-Kompositionen, die zwischen ca. 1750 und 1820 entstanden sind, zu dem Schluss gekommen, dass die gängige These nicht mehr aufrechtzuerhalten ist: Das kompositorische Repertoire – darunter finden sich nicht nur „große Namen“, sondern auch zahlreiche Komponisten, die nur zu ihren Lebzeiten beliebt waren – macht deutlich, dass der Siciliano auch nach der Jahrhunderthälfte eine bedeutende Rolle gespielt hat. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Begriff des Siciliano auf der kompositionspraktischen Ebene ziemlich flexibel und keinesfalls einheitlich verstanden wurde. Es scheint gerade seine ausgesprochene Heterogenität zu sein, die diesen Topos wesentlich auszeichnet.
Vor diesem Hintergrund widmet sich der zweite Teil der Arbeit den Siciliano-Kompositionen von Joseph Haydn (1732–1809), einem der repräsentativen Komponisten des klassischen Stils. Dabei wurde vor allem ihr Stellenwert sowohl in Haydns Gesamtschaffen als auch in der Geschichte des Siciliano untersucht. Haydn greift während seines gesamten Schaffens und gattungsübergreifend auf diesen Topos zurück und hinterließ 36 instrumentale Siciliani, die zumeist in langsamen Sätzen mehrsätziger Werkzyklen vorkommen. Besonders ab den ausgehenden 1760er Jahren lässt sich in den zentralen Gattungen Haydns künstlerische Absicht erkennen, die Ausdrucksmöglichkeiten des Siciliano-Topos systematisch auszuloten. Auffallend ist unter anderem die Einführung verschiedener Variations- techniken, die Haydn in seinen anderen Werken entwickelt hat. Daraus resultiert dort eine Wechselwirkung zwischen der „Gemeinsprache“ des Topos und Haydns Personalstil. Aus einer stilanalytischen Untersuchung dieser Werke geht hervor, dass Haydns Auseinandersetzung mit dem Siciliano eine Aktualisierung und Weiterentwicklung der seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts bestehenden Tradition bedeutet, jedoch keineswegs deren „Ver- steinerung“.
Die vorliegende Arbeit darf als die erste umfassende Untersuchung zum Siciliano-Topos nach 1750 gelten. Zugleich setzt sich insbesondere der zweite Dissertationsteil intensiv mit der in der herkömmlichen Haydn-Literatur vernachlässigten Frage nach dem Kompositionsstil in Haydns langsamem Satz auseinander. In diesem Sinne ist es ein zentrales Anliegen dieser Arbeit, zwei wesentliche Forschungslücken zu füllen.
Diese Abhandlung umreißt die früheste Entwicklung der kompositorischen Fähigkeiten Wolfgang Amadé Mozarts in ihren Grundzügen anhand jener Werke, die in den beiden Notenbüchern – einmal das sogenannte Nannerl–Notenbuch, zum anderen das Londoner Skizzenbuch – erhalten sind, und beschreibt damit Entwicklungslinien und Momentaufnahmen von kurz vor Mozarts 5. bis nach seinem 8. Geburtstag. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei auf der Analyse der hier überlieferten Werke, stellt diese jedoch nicht nur einen in Zusammenhang mit den pädagogischen Zielsetzungen und Idealen des Vaters Leopold Mozart wie sie dessen »Versuch einer gründlichen Violinschule« überliefert, sondern zeigt auch wie sich andere Vorbilder in Mozarts ersten Kompositionen niederschlugen. Damit gibt diese Arbeit Impulse nicht nur für eine wesentliche Neubewertung der Rolle Leopold Mozarts als Vater und musikalischem Erzieher sondern auch für das Verständnis des musikalischen Werdegangs von Wolfgang Mozart als Kind.
Die Studie zeigt auf Grundlage der überlieferten Quellen die Entstehungsgeschichte von Beethovens Oratorium Christus am Oelberge op. 85 auf. Komposition und Revision des Werkes werden auf chronologischer Ebene sowie durch eine neue Quellenbewertung dargestellt. Im ersten Band werden die Forschungsergebnisse zu den einzelnen Quellen dargelegt. Mehrfache Eingriffe und Zusätze in das Libretto werden untersucht und bewertet. Auch die komplette Neutextierung aus der Kopistenabschrift wird eingehend analysiert. Im Kontext der musikalischen Quellen werden die beiden überlieferten Partiturhandschriften beschrieben, um ihre teils eigenen und teils miteinander verketteten Überlieferungsformen und -wege darzustellen. Zu jeder dieser beiden Quellen wird die Situation um Beethovens Revisionsarbeit dargestellt, da sie voneinander abweichende Stadien überliefern. Zum Abschluss der Quellendiskussion werden die Skizzen, die Originalausgabe und ihre Entstehungsgeschichte sowie die fehlenden Glieder in der Filiation näher betrachtet. Im zweiten Band wird eine wissenschaftlich-kritische Neuausgabe der Partitur von Christus am Oelberge vorgelegt. Dem Notentext liegt als Hauptquelle die Kopistenabschrift der Partitur zu Grunde. Sie gibt die revidierte Fassung des Oratoriums wieder. Aus den überlieferten Quellen ist die erste Fassung des Oratoriums nicht komplett zu rekonstruieren. Die Abschnitte, für die es möglich ist, werden im Anschluss an die Partitur wiedergegeben. Darüber hinaus wird ein Lesartenverzeichnis zur Verfügung gestellt, welches spezielle Sachverhalte der Quellen darstellt und kommentiert, sowie Begründungen für die editorischen Entscheidungen liefert. In drei Anhängen werden Materialien zu Beethovens op. 85 dokumentiert. In Anhang 1 findet sich eine Synopse der verschiedenen Textstadien und -fassungen des Librettos. Der zweite Anhang fasst – ebenfalls in tabellarischer Form – alle nachgewiesenen Aufführungen des Oratoriums im 19. Jahrhundert zusammen; allein die Zahl der Konzerte spricht hier für sich. Rein dokumentarischen Charakter hat der dritte Anhang, dessen Materialsammlung in direktem Bezug zum vorherigen steht. Chronologisch sortiert werden die Konzertberichte, Rezensionen und Konzertanzeigen wiedergegeben.
Teilnehmende Beobachtungen gehören zum grundlegenden Handwerkszeug musikethnologischer Feldforschung. Doch wie lernt man musikalisches Handeln zu hören, zu beobachten und zu verstehen? Mit einer Autoethnographie lädt Nepomuk Riva die Leser*innen dazu ein, die Welt durch eine Vielfalt von Tönen wahrzunehmen. In Schlüsselszenen beschreibt er, was es für ihn bedeutet, musikethnologisch zu denken und zu forschen. Das Handbuch gibt konkrete Tipps für die Feldforschung. Mit reflektierenden Fragen und Aufgaben können die Themen vertieft und die eigene Wahrnehmung geschärft werden. Der erzählende Zugang ermöglicht ein Verständnis dafür, wie eng Herkunft und Lebenserfahrungen mit den Forschungsschwerpunkten eines Musikethnologen zusammenhängen.
»Verdi hat allerdings kein Requiem nach deutscher Art geschaffen«, befand der Referent des Musikalischen Wochenblattes August Guckeisen, nachdem er im Dezember 1876 der reichsdeutschen Erstaufführung von Giuseppe Verdis »Messa da Requiem« in Köln beigewohnt hatte. Ein »Requiem nach deutscher Art« – gab es so etwas überhaupt? Zumindest existierte ganz offenkundig eine klare Vorstellung von einer als ›deutsch‹ etikettierten Ästhetik der musikalischen Trauer. Typisch daran erscheint zunächst die darin vorausgesetzte Einteilung der Welt in etwas Eigenes und etwas Anderes. Der Hang zu einer national eingerahmten Kulturdefinition – und sei es durch Abgrenzung gegenüber etwas vermeintlich Fremdem – wirkt bis in die Gegenwart nach. Diese Untersuchung geht den Merkmalen ethischer Traditionen in der Empfindung und Bewertung der musikalischen Trauer nach und dokumentiert die unterschiedlichen Blickwinkel auf ein Werk, das erstens aus ganz verschiedenen Gründen als typisch ›italienisch‹ wahrgenommen wurde und das zweitens in einem Überschneidungsbereich von Kirchenmusik, Repräsentationsmusik und Konzertmusik steht. Das ›italienische‹ Selbstverständnis, das sich aus Sicht der Kritik in der Komposition niederschlug, rieb sich in zahlreichen Punkten mit dem ›deutschen‹. Diese Reibungspunkte wurden anhand historischer Quellen, vorwiegend aus Tageszeitungen und Musikfachblättern, freigelegt, um sowohl Gemeinsamkeiten als auch politische, konfessionelle und ästhetische Differenzen innerhalb der deutschsprachigen Kritik herauszuarbeiten.