Doctoral Thesis
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Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Klärung der Fragestellung, ob sich die quantitative NMR-Spektroskopie zur Bestimmung von Identität, Reinheit und Gehalt von Arzneistoffen eignet, und wie sich Präzision und Empfindlichkeit dieser Methode im Vergleich zu etablierten chromatographischen Verfahren verhalten. Die quantitative Untersuchung der drei strukturell jeweils verwandten Mehrkomponentengemische Codergocrinmesilat, Clomifencitrat und Flupentixoldihydrochlorid bewies eindrucksvoll die Eignung der 1H-NMR-Spektroskopie als orthogonale, analytische Messmethode im Vergleich zu validierten HPLC-Arzneibuchmethoden. Die im Rahmen einer Validierung der 1H-NMR-Methode ermittelten Ergebnisse erfüllten bezüglich Präzision und Richtigkeit die an eine im pharmazeutischen Bereich eingesetzte analytische Methode gestellten Anforderungen; zudem wurden weitere Prüfparameter wie Selektivität, Linearität, Robustheit und Stabilität verifiziert. Externe-Standard-Experimente wie "Zwei-Röhrchen-Methode" und ERETIC-Verfahren bestätigten die quantitativen Ergebnisse der Internen Standardisierung; jedoch wurde hier -- insbesondere für die ERETIC-Technik -- eine höhere Fehleranfälligkeit und somit eine größere Streuung der Einzelergebnisse beobachtet. Am Beispiel von Codergocrinmesilat und Flupentixoldihydrochlorid konnte zudem die Eignung anderer NMR-aktiver Kerne wie 13C und 19F für die quantitative Analyse von komplexen Substanzgemischen aufgezeigt werden. Das Potential der 1H-NMR-Spektroskopie für die Reinheitsprüfung von Arzneistoffen wurde am Beispiel der Aminosäure L-Alanin aufgezeigt. Die zu erwartenden Verunreinigungen Glutamin-, Asparagin-, Äpfel- und Fumarsäure konnten im Gegensatz zu den "veralteten" Prüfmethoden des Europäischen Arzneibuches eindeutig identifiziert und quantifiziert werden; mit einer Bestimmungsgrenze von <= 0.03% wurden die Vorgaben der ICH-Richtlinie Q3A(R2) erfüllt. Die deutliche Übereinstimmung der NMR-spektroskopisch ermittelten Ergebnisse einer quantitativ untersuchten Alanin-Modellmischung mit einer für den Routinebetrieb geeigneten HPLC-Methode unter Einsatz verschiedener Detektoren wie CAD, NQAD, ELSD und MS, sowie der Vergleich wichtiger Prüfparameter wie Linearität und Nachweisgrenze bestätigten die Eignung der 1H-NMR-Spektroskopie im Rahmen der routinemäßig durchgeführten Qualitätskontrolle. Die Aufdeckung von Arzneimittelfälschungen mit Hilfe der NMR-Spektroskopie wurde im Rahmen dieser Arbeit anhand der zwei aktuellen Fallbeispiele Heparin und Glycerin näher untersucht. Die in Zusammenhang mit dem Heparin-Skandal verantwortliche Kontaminante OSCS konnte neben Dermatansulfat und weiteren natürlich vorkommenden Glykosaminoglykan-Verunreinigungen im 1H-NMR-Spektrum eindeutig identifiziert und auf 0.1% OSCS bzw. 0.5% Dermatansulfat begrenzt werden. Eine präzise und richtige quantitative Bestimmung der beiden Glykosaminoglykane wurde über die N-Acetyl-Resonanzen mit Hilfe der Signalhöhenbestimmung und dem Standard-Additionsverfahren ermöglicht; deutliche Abweichungen vom "wahren" Gehalt wurden hingegen, bedingt durch starke Signalüberlagerungen, nach Flächenvergleich beobachtet. Weitere Verunreinigungen, insbesondere Lösungsmittelrückstände, die während des Extraktions- und Reinigungsprozesses des Heparins eingesetzt werden, konnten ebenfalls über charakteristische Resonanzen identifiziert und mit Hilfe der Internen-Standard-Methode quantitativ erfasst werden. Eine umfangreiche Untersuchung von 145 Heparin-API-Mustern mittels NMR-Spektroskopie und weiteren, neuentwickelten Verfahren wie HPLC, CE, IR- und Raman-Spektroskopie konnte die Eignung der entwickelten 1H-NMR-Methode bestätigen. Potentielle Glycerin-Kontaminanten wie Diethylenglycol und Ethylenglycol konnten ebenso wie eine weitere, natürlich vorkommende Verunreinigung, Propylenglycol, mittels 1H- und 13C-NMR-Spektroskopie identifiziert und quantifiziert werden. Beide Methoden erfüllten die in der USP beschriebenen Anforderungen, die für pharmazeutisch eingesetztes Glycerin jeweils höchstens 0.1% Diethylenglycol bzw. Ethylenglycol erlaubt. Während die quantitative Reinheitsprüfung beim Einsatz der 1H-NMR-Spektroskopie mit einer Messdauer im Bereich von etwa 30 min für den Routineeinsatz geeignet ist, ist die entwickelte quantitative 13C-NMR-Methode beim Einsatz von Spektrometern geringer Magnetfeldstärke aufgrund einer geringen Nachweisempfindlichkeit und der NOE-Problematik für den Routinebetrieb nur bedingt anwendbar. Abschließend kann zusammengefasst werden, dass die untersuchten Beispiele die NMR-Spektroskopie als in hohem Maße geeignet für die quantitative Analyse von Arzneimitteln ausweisen.
Quantitative Bestimmungen Anhand verschiedener Substanzen konnte im Rahmen dieser Arbeit gezeigt werden, dass die NMR-Spektroskopie in der Lage ist, Verunreinigungen von Arzneistoffen zu quantifizieren. Für das Antidepressivum Fluvoxamin ist im Arzneibuch eine Ionenpaarchroma-tographie vorgeschrieben, um die Verunreinigung des wirksamen E-Isomers durch das Z-Isomer zu quantifizieren. Ionenpaarchromatographischen Methoden mangelt es häufig an der Robustheit. Eine quantitative Auswertung der NMR-Spektren einer Mischung beider Isomere ist ohne aufwändige Probenvorbereitung möglich. In den 1H-NMR-Spektren der Mischung sind die Signale der Was-serstoffe beider Isomere an Position 2 gut voneinander getrennt. Werden diese quantitativ ausgewertet, dann ist es nach Optimierung insbesondere hinsichtlich der T1-Relaxationszeit möglich, den Anteil des Z-Isomers auf 0,2 % zu begrenzen. Auch für die Bestimmung der Abbauprodukte des Perphenazinenantats konnte gezeigt werden, dass die qNMR eine geeignete Methode darstellt. Perphenazine-nantat kann durch Esterhydrolyse gespalten werden. Zur Auswertung der 1H-NMR-Spektren wird der Vergleich der Integralflächen der Signale der Wasserstoffe an Position 21 des Perphenazins mit dem zusammenfallenden Signal der Wasserstoffe an Position 11 beider Substanzen herangezogen. Es konnte sowohl Perphenazin als Abbauprodukt des Esters als auch Perphena-zinenantat in Perphenazin quantifiziert werden. Zusätzlich kann der Bereich der aromatischen Wasserstoffe zu einer Aussage über die Oxidation genutzt werden. Bei der Oxidation des Schwefels im Phenothiazinring zum Sulfoxid und zum Sul-fon ändern sich die chemischen Verschiebungen der Wasserstoffkerne in diesem Ringsystem. Dadurch wird eine halbquantitative Aussage ermöglicht. Schließlich konnten die beiden Epimere Chinin und Chinidin jeweils als Verunrei-nigung des anderen Chinaalkaloides quantifiziert werden. Auch in diesem Fall lie-gen in den 1H-NMR-Spektren in DMSO-d6 von Mischungen dieser beiden Verbin-dungen Signale weit genug auseinander, um eine Quantifizierung zu ermöglichen. In beiden Fällen, der Bestimmung von Chinidin in Chinin und von Chinin in Chini-din konnte dies auf einem Niveau von 2,5% geschehen, was den Anforderungen der Arzneibücher entspricht. Gentamicinsulfat Die 1H-NMR-Spektroskopie wurde ebenfalls zur Charakterisierung der Zusam-mensetzung des Antibiotkums Gentamicin eingesetzt. Gentamicin, das fermentativ aus Micromonospora purpurea gewonnen wird, besteht aus verschiedenen Haupt- und Nebenkomponenten, deren Zusammensetzung je nach Fermentationsbedingungen schwankt. Nach einer Reihe von Todesfällen im Zusammenhang mit der Anwendung des Antibiotikums Gentamicin in den USA wurde vermutet, dass diese auf verschiede-ne Verunreinigungen zurückzuführen sind. In der aktuellen Arzneibuch-Monographie wird eine HPLC-Methode beschrieben, die zwar die Hauptkomponenten quantifizieren kann, aber nicht alle Nebenkomponenten gut abtrennt. Auch ist die gesamte Elutionszeit sehr lang, so dass spät eluierende Substanzen breite Peaks zeigen. Außerdem ist der benutzte gepulste amperometrische Detektor sehr empfindlich und die Methode insgesamt daher wenig robust. Unter Zuhilfenahme von ein- und zweidimensionalen Standardmesstechniken sowie selektiver TOCSY-Messungen konnten alle Signale in den 1H- und 13C-NMR-Spektren der Haupt- und Nebenkomponenten von Gentamicin vollständig zugeordnet werden. Dabei zeigte sich, dass der Bereich der anomeren Wasserstoffe sehr gut geeignet ist, Aussagen über die Reinheit und über das Verhältnis der Hauptkomponenten zueinander treffen zu können. In dem in der Abbildung gezeigten Ausschnitt aus einem 400 MHz-1H-NMR-Spektrum ist eine Integration der H20-Signale der Hauptkomponenten aufgrund mangelnder Trennung nicht möglich. Diese ist jedoch in 600 MHz-Spektren möglich. Auf diese Weise können die Verhältnisse der Hauptkomponenten zueinander bestimmt werden. Die so erhaltenen Ergebnisse zeigen eine sehr gute Übereinstimmung mit den aus einer MEKC-Trennung erhaltenen Daten. Das zeigt die sehr gute Ergänzung dieser beiden Methoden. Insgesamt wurden für diese Arbeit über 40 Gentamicin-Proben verschiedener Hersteller untersucht, miteinander verglichen und in verschiedene Gruppen einge-teilt. Als Leitverunreinigung hat sich dabei Sisomicin erwiesen. Daneben konnte der Vergleich der Verunreinigungsprofile Hinweise auf Handelswege geben. Unter den untersuchten Proben waren auch diejenigen, zu den Todesfällen führten. Die-se konnten den stark verunreinigten Gruppen zugeordnet werden.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden kapillarelektrophoretische Methoden entwickelt, mit denen es möglich ist, Gentamicinsulfat in Haupt- und Nebenkomponenten zu trennen. Ausgelöst wurden die Untersuchungen im Jahr 2000, da in den USA über 60 Patienten durch Gentamicin starben. Es wurde vermutet, dass dies auf Verunreinigungen in gewissen Chargen zurückzuführen ist. Gentamicin wird fermentativ aus Micromonospora purpurea gewonnen. Durch leichte Abweichungen im Herstellungsprozess können Produkte entstehen, die mit den bisher angewendeten Analysenmethoden nicht nachzuweisen sind. In der momentanen Arzneibuch-Monographie von Gentamicinsulfat wird zur Prüfung der verwandten Substanzen eine HPLC-Methode beschrieben, die Gentamicin ohne Derivatisierung mit einem gepulsten amperometrischen Detektor detektiert. Vorteil dieser Methode ist, dass Gentamicin nicht derivatisiert werden muss. Der große Nachteil dieser Methode ist aber, dass die einzelnen Peaks sehr lange Migrationszeiten haben (bis über 10 Minuten) und somit Verunreinigungen überdeckt werden können. Außerdem sind viele Bestandteile nicht von den Hauptkomponenten abgetrennt. Weiterhin ist diese Methode nicht sehr robust, da der Detektor sehr empfindlich ist. Eigene HPLC-Messungen an mehreren Gentamicin-Chargen zeigten die Probleme auf. Da Gentamicin kein chromophores System hat, kann es nicht mit einem UV/VIS-Detektor detektiert werden. Um dies dennoch zu ermöglichen, kann Gentamicin mit verschiedenen Reagenzien derivatisiert werden. In der vorliegenden Arbeit wurden alle Aminoglykoside mit ortho-Phthaldialdehyd und 2-Mercaptoessigsäure derivatisiert. Somit war eine Detektion bei 330 nm bzw. 340 nm möglich. Zur Trennung von Gentamicinsulfat wurde eine spezielle kapillarelektrophoretische Methode entwickelt. Die mizellare elektrokinetische Chromatographie (MEKC) ist nach Derivatisierung in der Lage, nahezu alle in der Monographie beschriebenen aber auch einige nicht aufgeführte Verunreinigungen zu trennen. Die Trennung erfolgt in einer Kieselgelkapillare mit einer Gesamtlänge von 33.0 cm, einer effektiven Länge von 24.5 cm und einem Innendurchmesser von 50 µm. Als Hintergrundelektrolyt wird ein Natriumtetraborat-Puffer verwendet (100 mM, pH 10.0), zu dem Desoxycholsäure-Natrium als mizellbildendes Reagenz in einer Konzentration von 20 mM und weiterhin beta-Cyclodextrin in einer Konzentration von 15 mM zugegeben wird. Die Proben werden hydrodynamisch bei 5000 Pa innerhalb 5 Sekunden auf der Anodenseite injiziert. Die Trennung erfolgt bei einer Kapillartemperatur von 25 °C und einer Trennspannung von +12 kV. Pikrinsäure wird als Interner Standard benutzt. Die Detektion erfolgt UV-spektroskopisch bei 340 nm. Die Hauptpeaks konnten durch „spiken“ mit den Einzelkomponenten, die u.a. säulenchromatographisch gewonnen wurden, identifiziert werden. Die vier Hauptkomponenten Gentamicin-C1, C1a, C2 und C2a sind basisliniengetrennt ebenso wie Gentamicin-C2b, die Verunreinigungen Garamin, Desoxystreptamin und Sisomicin. Bei den Untersuchungen von über 40 Gentamicin-Chargen verschiedener Hersteller und Händler fielen sowohl deutliche Unterschiede bezüglich der einzelnen Gehalte der Hauptkomponenten auf, als auch verschiedene Grade der Verunreinigungen. Anhand der Menge der Verunreinigungen konnten die Chargen in verschiedene Gruppen eingeteilt werden. Die Verunreinigung Sisomicin kann als Leitsubstanz der Verunreinigungen bezeichnet werden, da bei allen stärker verunreinigten Chargen Sisomicin in beträchtlichen Mengen vorhanden ist. Unter den untersuchten Proben befanden sich auch die Proben, die in den USA die eingangs erwähnten Todesfälle verursacht haben. Diese Proben konnten der Gruppe der stärker verunreinigten Gentamicin-Chargen eindeutig zugewiesen werden. Die Richtigkeit aller Messungen wurde durch 1H-NMR-Messungen bestätigt. Die Anwendbarkeit der entwickelten MEKC-Methode wurde auch an weiteren Aminoglykosiden untersucht. Die Methode ist ohne Änderung auf Sisomicin übertragbar. Der Sisomicin-Peak ist deutlich abgetrennt vom OPA-Reagenzpeak. Selbst kleine Verunreinigungen der CRS-Substanz können mit dieser Methode erkannt werden. Netilmicin und Amikacin können nicht ohne Änderungen mit der Methode vermessen werden, da sie unter diesen Bedingungen mit dem OPA-Peak komigrieren. Eine Anhebung der Trennspannung von +12 kV auf +14 kV lassen die Peaks hervortreten. Eine Unterscheidung der beiden Substanzen ist im Elektropherogramm nicht möglich, allerdings können sie durch 1H-NMR-spektroskopische Messungen identifiziert und unterschieden werden. Netilmicin wurde in vielen Gentamicin-Proben nachgewiesen. Bei Kanamycin liegen mit dieser Methode im Elektropherogramm sehr viele kleine Peaks sehr nahe beieinander. Durch Absenkung der Kapillartemperatur auf 20 °C können diese Peaks etwas besser getrennt werden...