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Anknüpfend an Joachim Bumkes Beobachtungen zum Produktionszusammenhang von ›Nibelungenlied‹ und ›Nibelungenklage‹ schlägt die Autorin vor, die ›Klage‹ nicht länger als einen weltanschaulichen Gegenentwurf oder ein moralisches Lehrstück, sondern als den Versuch einer Wahrheitssuche zu lesen. Statt die Katastrophe als unvermeidbar hinzunehmen, verfolgten der Erzähler wie die Figuren ein dezidiert rationales Anliegen: sie wollten das Untergangsgeschehen verstehen. Daher sei die ›Klage‹ nicht als simplifizierende Deutung des Epos zu werten, sondern als Entwurf eines hermeneutischen Modells. Diese These wird am Gesprächsverhalten der Frauen von Bechelaren belegt. Der Aufsatz beginnt mit grundsätzlichen Überlegungen zum Verhältnis von Hermeneutik und Heldenepik, wobei die mediävistischen Anschlussmöglichkeiten an die Theorien Schleiermachers und Gadamers hervorgehoben werden. Danach wird der Aufenthalt der Boten in Bechelaren analysiert, als Dietlind versucht, die Wahrheit über das Geschehen am Hunnenhof herauszufinden. Interpretiert man Rüdigers Tochter als Modellfigur, lässt sich der hermeneutische Ansatz auf das gesamte Werk übertragen, was zu einer literaturwissenschaftlichen Neubewertung der vielgeschmähten ›Nibelungenklage‹ führt.
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