96.50.Pw Particle acceleration
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Das Magnetfeld der Sonne ist kein einfaches statisches Dipolfeld, sondern weist
wesentlich kompliziertere Strukturen auf. Wenn Rekonnexion die Topologie eines
Feldlinienbündels verändert, wird viel Energie frei, die zuvor im Magnetfeld
gespeichert war. Das abgetrennte Bündel wird mit dem damit verbundenen Plasma
mit großer Geschwindigkeit durch die Korona
von der Sonne weg bewegen. Dieser Vorgang wird als koronaler Massenauswurf
bezeichnet. Da diese Bewegung mit Geschwindigkeiten deutlich über der
Alfv\'en-Geschwindigkeit, der kritischen Geschwindigkeit im Sonnenwind,
erfolgen kann, bildet sich eine Schockfront, die durch den Sonnenwind
propagiert.
Satelliten, die die Bedingungen im Sonnenwind beobachten, detektieren beim
Auftreten solcher Schockfronten einen erhöhten Fluss von hochenergetischen
Teilchen. Mit Radioinstrumenten empfängt man zeitgleich elektromagnetische
Phänomene, die als Radiobursts bezeichnet werden, und ebenfalls für die
Anwesenheit energiereicher Teilchen sprechen. Daher, und aufgrund von
theoretischen Überlegungen liegt es nahe, anzunehmen, daß Teilchen an der
Schockfront beschleunigt werden können.
Die Untersuchung der Teilchenbeschleunigung an kollisionsfreien Schockfronten
ist aber noch aus einem zweiten Grund interessant. Die Erde wird kontinuierlich
von hochenergetischen Teilchen, die aus historischen Gründen als kosmische
Strahlung bezeichnet werden, erreicht. Die gängige Theorie für deren Herkunft
besagt, daß zumindest der galaktische Anteil durch die Beschleunigung an
Schockfronten, die durch Supernovae ausgelöst wurden, bis zu den beobachteten
hohen Energien gelangt sind. Das Problem bei der Untersuchung der Herkunft der
kosmischen Strahlung ist jedoch, daß die Schockfronten um Supernovaüberreste
aufgrund der großen Entfernung nicht direkt beobachtbar sind.
Es liegt dementsprechend nahe, die Schockbeschleunigung an den wesentlich
näheren und besser zu beobachtenden Schocks im Sonnensystem zu studieren, um so
Modelle und Simulationen entwickeln und testen zu können.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich daher mit Simulationen von
Schockfronten mit Parametern, die etwa denen von CME getriebenen Schocks
entsprechen. Um die Entwicklung der Energieverteilung der Teilchen zu studieren,
ist ein kinetischer Ansatz nötig. Dementsprechend wurden die Simulationen mit
einem Particle-in-Cell Code durchgeführt. Die Herausforderung ist dabei die
große Spanne zwischen den mikrophysikalischen Zeit- und Längenskalen, die aus
Gründen der Genauigkeit und numerischen Stabilität aufgelöst werden müssen und
den wesentlich größeren Skalen, die die Schockfront umfasst und auf der
Teilchenbeschleunigung stattfindet.
Um die Stabilität und physikalische Aussagekraft der Simulationen
sicherzustellen, werden die numerischen Bausteine mittels Testfällen, deren
Verhalten bekannt ist, gründlich auf ihre Tauglichkeit und korrekte
Implementierung geprüft.
Bei den resultierenden Simulationen wird das Zutreffen von analytischen
Vorhersagen (etwa die Einhaltung der Sprungbedingungen) überprüft. Auch die
Vorhersagen einfacherer Plasmamodelle, etwa für das elektrostatischen
Potential an der Schockfront, das man auch aus einer Zwei-Fluid-Beschreibung
erhalten kann, folgen automatisch aus der selbstkonsistenten, kinetischen
Beschreibung. Zusätzlich erhält man Aussagen über das Spektrum und die Bahnen
der beschleunigten Teilchen.
Die Herkunft hochenergetischer solarer Teilchen konnte in den vergangenen Jahren eindeutig auf Schockbeschleunigung an koronalen Masseauswürfen zurückgeführt werden. Durch resonante Interaktionen zwischen Wellen und Teilchen werden zum einen geladene Teilchen unter Veränderung ihrer Energie gestreut, zum anderen wird die Dynamik der Plasmawellen in solchen Beschleunigungsregionen durch diese Prozesse von selbstgenerierten Wellenmoden maßgeblich beeinflusst. Mittels numerischer Modellierungen wurden im Rahmen dieser Arbeit die grundlegenden physikalischen Regimes der Turbulenz und des Teilchentransports beschrieben. Die Simulation der Plasmadynamik bedient sich der Methodik der Magnetohydrodynamik, wohingegen kinetische Einzelteilchen durch die elementaren Bewegungsgleichungen der Elektrodynamik berechnet werden. Es konnten die Turbulenztheorien von Goldreich und Sridhar unter heliosphärischen Bedingungen bei drei solaren Radien bestätigt werden. Vor allem zeigten sich Hinweise für das Erreichen der kritischen Balance, einem Schlüsselparameter dieser Theorien. Weiterhin werden Ergebnisse der dynamischen Entwicklung angeregter Wellenmoden präsentiert, in denen die Bedeutsamkeit für die gesamte Turbulenz gezeigt werden konnte. Als zentraler Prozess bei hohen Energien hat sich das wave-steepening herausgestellt, das als effizienter Energietransportmechanismus in paralleler Richtung zum Hintergrundmagnetfeld identifiziert wurde und somit turbulente Strukturen bei hohen parallelen Wellenzahlen erklärt, deren Entstehung das Goldreich-Sridhar Modell nicht beschreiben kann. Darüber hinaus wurden grundlegende Erkenntnisse über die quasilineare Theorie des Teilchentransports erzielt. Im Speziellen konnte ein tieferes Verständnis für die Interpretation der Diffusionskoeffizienten von Welle-Teilchen Wechselwirkungen erlangt werden. Simulationen zur Streuung an angeregten Wellenmoden zeigten erstmals komplexe resonante Strukturen die im Rahmen analytischer Modelle nicht mehr adäquat beschrieben werden können.