Institut für Geschichte der Medizin
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Die vorliegende Promotionsstudie leistet durch Gewinnung neuer Erkenntnisse zur zahnmedizinisch (technik-)historischen Forschung mittels der Erarbeitung und Darstellung einer chronologisch geordneten Entwicklungsgeschichte der zahnärztlich-prothetisch verwendeten Metalllegierungen sowie ihrer dentalen Technologie einen eigenständigen Forschungsbeitrag und trägt damit zu neuen Erkenntnissen in der zahnmedizinisch-historischen Forschung bei. Als problematisch stellte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Kunst des Legierens selbst heraus. So legierten und fertigten die Zahnärzte ihre Metalllegierungen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts meistens noch selbst, bedienten sich an vorlegierten Dukatengoldlegierungen oder beauftragten Goldschmiede. Diverse nützliche Legierungskompositionen wurden schriftlich von Pionieren der Zahnheilkunde und den ersten, erfahrensten Prothetikern dieser Zeit in deren frühen Lehrbüchern und Veröffentlichungen festgehalten und damit der breiten Zahnärzteschaft zugänglich gemacht. Mit ihrem Engagement wurde der Weg von der Empirie nicht nur bis zur Verwissenschaftlichung der Zahnmedizin geebnet, sondern zugleich der Fortschritt der dentalen Materialwissenschaft und besonders der Verarbeitungstechnologie dentaler Metalllegierungen eingeläutet. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts etablierte sich durch Forschung und Vernetzung von Chemie, Metallurgie, Industrie und Zahnmedizin eine sach- und fachkundige zahnärztliche Werkstoffkunde mit speziellen prothetisch geeigneten Metalllegierungen. Die verschiedenen Typenbezeichnungen Goldersatzlegierungen, Austauschlegierungen, Alternativlegierungen oder Aufbrennlegierungen waren in jeder Epoche einem tiefgreifenden Wandel unterworfen und charakteristisch für die jeweilige Zeit. Eine wichtige Erkenntnis aus dieser Studie ist, dass politisch-ökonomische Veränderungen, insbesondere schwankende Edelmetallpreise, Inflation, politische Beschränkungen aufgrund von (vor-)kriegswirtschaftlichen Sparmaßnahmen sowie Gesundheitsreformen und Kostendämpfungsgesetze einen erheblichen Einfluss auf die Zahnärzte und die zahnmedizinisch-prothetische Rehabilitation ihrer Patienten hatte. Die indikationsgerechte Metalllegierungsauswahl und die damit verbundenen optimalen Materialeigenschaften für Zahnersatz und Patienten stellten Zahnärzte damals wie heute vor eine Herausforderung.
Die Arbeit befasst sich mit der Akademisierung und Professionalisierung der Zahnheilkunde, insbesondere der Zahnchirurgie, in Würzburg und Unterfranken im 19. Jahrhundert. Dies wurde insbesondere anhand des zahnchirurgischen Teils der Lehrchirurgischen Instrumentensammlung der Universität Würzburg bzw. des Juliusspitals erforscht. Der zahnchirurgische Teil der Instrumentensammlung war bisher noch nicht erforscht worden und besteht aktuell aus 34+1 Instrumenten, die für diese Arbeit komplett katalogisiert wurden. Für die Entwicklung der Instrumente im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde die Provenienz der Teilsammlung ergründet und diese in den Kontext der Akademisierungsbewegung des 19. Jahrhunderts eingeordnet.
Die Forschung wurde anhand der tatsächlich in der Praxis tätigen und nach und nach akademisch ausgebildeten Personen nachvollzogen. Hierzu wurden neben den Instrumenten als Quelle die Adressbücher der Stadt Würzburg und die Matrikel-, Personal- und Vorlesungsverzeichnisse der Universität Würzburg des gesamten 19. Jahrhunderts systematisch durchgearbeitet. Außerdem wurden Lehrbücher aus dem nichtakademischen zahnchirurigischen Bereich (Bader) mit denen aus dem sich beginnenden akademischen Bereich analysiert. Anhand dieser Forschungsarbeit konnte dargelegt werden, dass die Zahnchirurgie sich analog zur Chiurgie aus dem handwerklichen Bereich abgekoppelt und nach und nach auf verschiedenen Stufen akademisiert hat. Die Zahnchirurgie hat sich "von unten nach oben" durch das Bestreben nichtakademisch ausgebildeter Menschen akademisiert.
Ende des 19. Jahrhunderts standen sich in Deutschland zwei verschiedene Arten psychiatrischer Institutionen gegenüber, die Anstaltspsychiatrien auf der einen, die universitären psychiatrischen Kliniken auf der anderen Seite. Die psychiatriehistorische Forschung widmete sich überwiegend psychiatrischen Anstalten während Kliniken hier unterrepräsentiert sind. Die vorliegende Arbeit möchte zur historischen Kenntnis universitärer psychiatrischer Einrichtungen beitragen. Hierzu werden die Charakteristika einer psychiatrischen Klinik um 1900 anhand des Beispiels der psychiatrischen Klinik der Universität Würzburg betrachtet. Der Fokus liegt hierbei neben Lage und Aufbau der Klinik sowie deren Personal auf den drei Bereichen Patient*innen, Forschung und Lehre.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, „Lanfranks ‚Chirurgia parva‘ in der Abschrift Konrad Schrecks von Aschaffenburg“1 anhand der von Ralf Vollmuth in seiner Habilitationsschrift „Traumatologie und Feldchirurgie an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit“ erarbeiteten Strukturvorgabe inhaltlich zu erschließen. Durch die Aufarbeitung verschiedener chirurgischer Fachbücher und Manuale unter Verwendung einer gemeinsamen Strukturvorlage soll ermöglicht werden, medizinhistorische Quellen kritisch-kontrastiv zu vergleichen. Das bedeutet, dass die Quellen zuerst ediert und anschließend gegebenenfalls übersetzt werden müssen. Im nächsten Schritt werden die verwendeten Arzneimittel – pflanzlicher, tierischer, mineralischer Herkunft – identifiziert und bestimmt. Im Anschluss werden Monographien mit den bestimmenden Inhaltsstoffen und Eigenschaften
erstellt. Anhand dieser Pflanzen- und Arzneistoffmonographien, die im Sinne einer Datenbank aufeinander aufbauen, sollte es dann möglich sein, unter modernen pharmakologischen Gesichtspunkten die Wirksamkeit der verwendeten Arzneimittel zu erschließen.
Eine ausreichende Zahl von Quellen, die nach einer gemeinsamen Strukturvorlage bearbeitet wurden, kann es schließlich ermöglichen, zu beurteilen, welche der beschriebenen Anwendungen repräsentativ waren, welche Außenseiterstellung einnahmen oder nur theoretische Ansätze bildeten, die praktisch keine Verwendung fanden.
This thesis provides an edition and commentary of a manuscript discovered by Michael Stolberg in the archives of the central library in Zurich under the title “Mon aprendisage à l'Hôtel Dieu de Paris 1704.” (My apprenticeship at the Hôtel-Dieu de Paris 1704). The manuscript contains records of a midwifery student at the Hôtel-Dieu de Paris, an old hospital famous among others for its education in midwifery in the maternity ward. We read about managing different births, recipes for common remedies, direct questions answered by the maîtresse sage-femme, the leading midwife at the Hôtel-Dieu de Paris and more.
Although other accounts exist of the maternity ward at the Hôtel-Dieu de Paris, \(Mon\) \(Aprendisage\) is the first and only account from a midwife’s perspective that gives more than just instructions on obstetrical techniques. It takes us into the day-to-day experience of a woman as she progressed through her training at the Hôtel-Dieu.
Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass die späte Rezeption Landstei-ners und seiner Entdeckung der Blutgruppen sowie die langsame Entwicklung der flä-chendeckenden Anwendung der Bluttransfusion als lebensrettende medizinische Maß-nahme auf mehreren Problematiken beruhte. Diese sollen hier nochmal einzeln kurz be-leuchtet werden.
Einer der Gründe für die verspätete Rezeption kann sicherlich in Karl Landsteiners zu-rückhaltenden und etwas sperrigen Persönlichkeit gesehen werden, aufgrund derer die Gruppe seiner Anhänger in Österreich eher klein blieb. Nur wenige kamen mit seiner Ar-beitsweise und dem Klima, das in seinem Laboratorium vorherrschte, zurecht. Es dauerte eine Weile, bis der Großteil der Wissenschaftler über Landsteiners komplexe Persönlich-keitsstruktur, mit der er vielfach aneckte, hinwegsahen und ihn für den genialen Forscher-geist feierten, den er besaß. Seine Scheu vor Aufmerksamkeit führte dazu, dass er seine Entdeckung der Blutgruppen nicht aktiv und nachdrücklich publik zu machen versuchte. Er war zwar ein herausragender Wissenschaftler, strebte aber nicht nach einem Leben im Rampenlicht. Hätte er das gewollt, wäre seine Entdeckung mutmaßlich nicht nur in einem einzigen Artikel von ihm publiziert worden, sondern Landsteiner hätte daraufhin weiter nachgeforscht und seine Ergebnisse noch mehr mit der Entwicklung der Transfusionsme-dizin in Verbindung gestellt. Stattdessen wechselte er das Forschungsgebiet und beauf-tragte seine Assistenten, das Thema weiterzuverfolgen. Dies führte erst dazu, dass er mit der Entdeckung der vierten Blutgruppe schon gar nicht mehr in Verbindung gebracht wurde und öffnete schließlich in den Folgejahren anderen Medizinern das Tor zu weiterer Forschung auf diesem Gebiet. Es gab neue Blutgruppen-Nomenklaturen von verschiede-nen Wissenschaftlern und die Errungenschaften bei der Entwicklung der Bluttransfusion standen letztendlich scheinbar in keiner Verbindung mehr mit Karl Landsteiner.
Mit Sicherheit spielte jedoch Landsteiners Wahl bei der Entscheidung für sein Institut in Wien eine Rolle, durch die er in einen alten wissenschaftlichen Streit hineingezogen wur-de. Die Ursprünge des Konflikts zwischen Max Gruber und Paul Ehrlich hatten die Sci-entific Community in zwei Lager entzweit. Durch Landsteiners Tätigkeit am Hygiene-Institut und die Unterstützung Grubers, hatte er sich in Bezug auf die Aussicht auf wis-senschaftlichen Erfolg für die falsche Seite entschieden. Da es in Landsteiners Natur lag, nur wissenschaftlichen Tatsachen zu vertrauen und er sich nicht von Opportunitätsdenken abhalten ließ, die Wahrheit ans Licht zu bringen, stellte er durch seine Handlungen die gegenüberstehende Konfliktpartei bloß. Dass dies ausgerechnet die Gruppe um Paul Ehr-lich war, der den Rückhalt des Großteils der Wissenschaftsgesellschaft genoss und zudem das Gebiet der Immunologie, das Landsteiner erforschte, bis dahin beherrschte, machte es dem Blutgruppenentdecker fast unmöglich, in der österreichischen Universitätslandschaft Erfolge zu feiern.
Auch der Verdacht, Karl Landsteiners Erfolg sei von antisemitischen Vorurteilen beein-trächtigt worden, darf nicht vernachlässigt werden. Landsteiner fühlte sich sein Leben lang von seinen jüdischen Wurzeln regelrecht verfolgt, wie an dem Gerichtsprozess gegen die jüdische Enzyklopädie zu erkennen ist. Er schien sich geradezu dafür zu schämen, sonst hätte er wohl seinen Sohn in diesen Teil der Familiengeschichte eingeweiht. Ob es sich dabei eher um ein Selbstbewusstseinsproblem Landsteiners handelte, oder ob es hier-für triftige Gründe in Form von antisemitischen Anfeindungen während seiner Zeit in Wien gab, konnte aufgrund der mangelhaften Quellenlage nicht abschließend geklärt wer-den. Deutlich wird aber, dass der zunehmende Antisemitismus und der Mangel an Auf-stiegschancen in Wien ihn aus seiner Heimat vertrieben.
Der am stärksten zu gewichtende Grund für die verspätete Rezeption der Entdeckung der Blutgruppen und deren Bedeutung waren die Hemmungen vor der Anwendung aufgrund von etlichen ungelösten technischen Problemen. Hinzu kamen die Berichte über schwer-wiegenden Folgereaktionen auf Bluttransfusionen, die in der Zeit vor Entdeckung der Blutgruppen verzeichnet wurden, weshalb die breite Masse der Ärzteschaft sich von die-ser Technik abgewandt hatte. Es brauchte eine gewisse Zeit und eine Reihe vertrauens-würdiger Studien, aus denen hervorging, dass diese schweren Reaktionen eben genau auf dem fehlenden Wissen über die Blutgruppen beruhten, bis sich die breite Masse wieder an diese therapeutische Maßnahme herantraute. Da, wie heute bekannt ist, die Einteilung nach dem AB0-System noch nicht alle Gefahren der Bluttransfusion aus dem Weg ge-räumt hat, sondern weitere Faktoren wie der Rhesusfaktor und eventuelle unregelmäßige Blutgruppen eine Rolle spielten, kam es trotz Landsteiners bahnbrechender Entdeckung doch weiterhin zu Zwischenfällen, mit teilweise tödlichem Ausgang nach Bluttransfusio-nen nach dem AB0–System. Des Weiteren spielte das Fehlen einer einfachen, für den Arzt in der Praxis geeigneten Technik eine Rolle. Außer der, aufgrund von Landois Be-obachtungen, unpopulären Möglichkeit der Transfusion von defibriniertem Blut gab es mehr als ein Jahrzehnt nach Landsteiners Entdeckung nur die Möglichkeit der direkten Transfusion. Hierfür mussten sich nicht nur Spender und Empfänger im selben Raum befinden, sondern es bedurfte auch ausgezeichneter chirurgischer Fähigkeiten für eine Gefäßnaht oder benötigte später, nach Erfindung zahlreicher Apparaturen, zumindest viel Personal und Zeit für das aufwändige Verfahren. Diese Voraussetzungen waren aus-schließlich in großen Kliniken gegeben und auch hier nicht als Standardverfahren. Als 1914 die gerinnungshemmende Wirkung von Natriumcitrat entdeckt wurde, verhalf dies der Bluttransfusion in vielen Ländern zum Durchbruch. Die neu entdeckte Möglichkeit der Konservierung von Blut kam rechtzeitig zum Beginn des Ersten Weltkrieges, der, mit der Vielzahl an Verwundeten und der Notwendigkeit der Kompensation großer Blutver-luste, den medizinischen Fortschritt auf diesem Gebiet deutlich vorantrieb. Jedoch gab es auch hier noch viele Gegner, vor allem in Deutschland und Landsteiners Heimat Öster-reich, die vermuteten, dass der gerinnungshemmende Zusatz das Blut krankhaft verändern würde und eine Transfusion dieses Blutes gesundheitsschädlich sei. Sie zogen weiterhin die direkte Bluttransfusion vor oder suchten vergeblich weiter nach einer unkomplizierten Methode der Bluttransfusion, die sich flächendeckend anwenden ließ.
Während der Durchführung dieser Studie wurde offenbar, dass keiner der soeben ange-führten Aspekte als alleiniger Grund für die verspätete Rezeption der landsteinerschen Blutgruppen angesehen werden kann. Vielmehr war es ein Zusammenspiel der politischen Situation in Europa, der Rivalitäten unter Kollegen, die den Universitätsalltag beherrschten und nicht zuletzt die dargelegten Charakterzüge Landsteiners, die es ihm erschwerten, ein wissenschaftlich-soziales Netzwerk aufzubauen, das notwendig gewesen wäre, um seine Kollegen von der Bedeutung seiner Entdeckung zu überzeugen.
Spielfilme gelten im Sinne einer „Visual History“ als wertvolle medizinhistorische Quellen. Dass die Arztfilme der DDR-Zeit ebenfalls als solche zu betrachten sind, da sie realhistorische Parallelen aufweisen, soll dieses Projekt zeigen. Anhand dreier Spielfilme aus den verschiedenen Jahrzehnten, in denen die DDR Bestand hatte, werden für die damalige Zeit typische Konflikte und Themen des Arztseins in der DDR näher beleuchtet. Die drei Hauptfilme dieses Projekts – „Ärzte“ (1960), „Dr. med. Sommer II“ (1970) und „Ärztinnen“ (1983/84) – wurden hinsichtlich ihrer Hauptfiguren, Filmtechnik und -musik analysiert und mittels Filmkritiken, Werbematerial und Aufsätzen aus der damaligen Zeit in einen realhistorischen Kontext gesetzt. Außerdem wurden zur besseren filmgeschichtlichen Einordnung weitere Arztfilme aus der DDR in die Arbeit miteinbezogen. Das Medium Film spielte in Zeiten der DDR auch zur allgemeinen gesellschaftlichen Beeinflussung eine wichtige Rolle. Durch die Analyse der Filme unter Einbeziehung von historischen Zeitungsartikeln und Werbematerial wird das Bild eines sozialistischen Idealmenschen und -arztes, wie von der SED propagiert, dargestellt und untersucht.
Leonhard Hurter und die Akademisierung der Chirurgie – ein Student zwischen Medizin und Handwerk –
(2023)
Gegenstand des Promotionsprojekts ist die Übersetzung einer frühneuzeitlichen Dissertationsschrift mit anschließendem Kommentar. Leonhard Hurters Theses inaugurales medico-chirurgicae stammen aus dem 18. Jahrhundert, einer Zeit, zu der sich die Chirurgie noch nicht im Curriculum der medizinischen Fakultäten des Alten Reichs etabliert hatte. Im Vergleich zur akademischen Medizin, die an den Universitäten gelehrt und praktiziert wurde, war die Chirurgie deutlich weniger angesehen. Gegen Ende des 17./ Anfang des 18. Jahrhunderts begannen vereinzelte Chirurgen, sich selbstständig gemäß italienischem Vorbild akademische Bildung anzueignen und sich somit Zugang zu den Universitäten und damit der Möglichkeit nach politischer Einflussnahme zu verschaffen. Hurters Disputation repräsentiert zusammen mit einer weiteren Promotion das dieser Akademisierungsbewegung entsprechende Konzept einer Universalis Medicina an der Universität Tübingen. Ein Ankündigungsschreiben als Kontextquelle ermöglicht, die Bedeutung der beiden Disputationen für die Akademisierungsbewegung der Chirurgie zu analysieren. Auf diese Weise wird nicht nur der in der medizinhistorischen Forschung oft vernachlässigten Thematik Chirurgie Beachtung geschenkt. Auch das Potential frühneuzeitlicher Disputationen als Textgattung wird durch die detaillierte Einzelfallstudie erkenntlich.
Die Wahrnehmung und Darstellung der Korpulenz in der westlichen Welt ist von einer Vielfalt von Bildern, Assoziationen und Wertungen geprägt. Werden Menschen auf Bildern mit einem dicken Bauch gezeigt, so kann dieser als Zeichen für Prestige, Wohlstand, Macht, Stärke und Respektabilität fungieren. Der dicke Bauch kann jedoch auch auf Unmoral und Schwäche verweisen und in ästhetischer Hinsicht als abstoßend empfunden werden.
In dieser Arbeit soll untersucht werden, wie Beleibtheit in Karikaturen der Weimarer Zeit dargestellt wird, welche Bilder, Assoziationen und Werturteile in ihnen zum Ausdruck kommen. Es werden verschiedene Typen von beleibten Menschen herausgearbeitet, die in den Karikaturen dargestellt werden. Diese Typologie verweist auf eine Fülle von Bedeutungen, mit denen Korpulenz zur Zeit der Weimarer Republik aufgeladen war. Diese sollen mithilfe der Forschungsliteratur zur Weimarer Zeit in den zeitgenössischen Kontext eingebettet werden. Auf diese Weise soll zugleich herausgearbeitet werden, welche Topoi mehr oder weniger spezifisch für die Weimarer Zeit waren und welche auf ältere, in die Zeit der Aufklärung oder sogar in die Antike zurückreichende Traditionen verweisen.
Die Vorstellungen von Korpulenz wurden in der Weimarer Republik auch durch die zeitgenössische Medizin geprägt. Es gab damals bereits eine intensive medizinische Debatte über die Beleibtheit und ihre Gefahren. Ärzte und Wissenschaftler versuchten, den Ursachen, den Folgeerscheinungen und der Behandlung von Fettsucht auf den Grund zu gehen. Es stellt sich damit auch die Frage, inwieweit die Wahrnehmung der Beleibtheit in der Gesellschaft – wie sie in den Karikaturen zum Ausdruck kam – und die medizinische Debatte sich wechselseitig beeinflussten.
Georg Sticker war Arzt, Hochschullehrer, Hygieniker und Medizinhistoriker. Das Themenspektrum seiner Arbeiten ist sehr umfangreich. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf seinen Hauptforschungsgebieten, der Medizingeschichte und hier vor allem auf der Seuchengeschichte zu Pest, Lepra und Syphilis und der Bedeutung der Geschichte der Epidemien für die Epidemiologie; sowie seinen großen ärztlichen Vorbildern Hippokrates und Paracelsus. Auch über Naturheilkunst und Gesundheit und Erziehung berichtet er mit großem Engagement.Nach seiner Berufung an die Universität Würzburg beendet er seine ärztliche Tätigkeit, gründet hier im Jahr 1921 das Institut für Geschichte der Medizin und widmet sich ganz der Medizingeschichte
Das Projekt wertet zwei Fernsehserien der 1970er Jahre aus, deren Erhalt bisher unbekannt war: „Patienten“ (1972/73) und „Der schwarze Doktor“ (1975). Das ZDF thematisierte in diesen Produktionen Missstände im Gesundheitswesen wie den stationären sowie ambulanten Ärzt/innenmangel, den Pflegenotstand und die mangelhafte Ärzt/innen-Patient/innen-Beziehung. In der Arbeit werden diese heute noch sehr aktuellen Themen historisch kontextualisiert und die Perspektive der 1970er Jahre erarbeitet.
Johannes Scultetus, Stadtphysicus von Ulm, präsentiert mit seinem "Wundarzneyischen Zeug-Hauß" einen Leitfaden für die Handwerkschirurgen des 17. Jahrhunderts. Die Untersuchung von Aufbau und Anwendung des Werkes sowie die Analyse der 100 Observationen schließen eine medizinhistorische Forschungslücke.
Metaphern prägen unser Verständnis des Körpers und seiner Krankheiten. Die Kommunikation zwischen Heilkundigen und Kranken basiert daher maßgeblich auf Metaphern. Dieser Beitrag untersucht deutschsprachige Gesundheitsratgeber des 16. und 17. Jahrhunderts, die von gelehrten Ärzten für ein Laienpublikum verfasst wurden. Mit den Methoden der qualitativen Metaphernanalyse soll das Bild einer kommunikativen Praxis vor dem Hintergrund ihrer kulturhistorischen Rahmenbedingungen gezeichnet werden. Metaphern erweisen sich als wichtiges Werkzeug, um die sprachliche und intellektuelle Kluft zwischen Laien- und Gelehrtenwelt zu überbrücken. Geschickt lenken die ärztlichen Autoren mit Hilfe von Metaphern den Blick des Lesers. Dabei bieten sie ihm auch sinnstiftende Erkenntnisse und Ansätze zur Teilhabe am therapeutischen Prozess.
Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden im Rahmen der „T4“-Aktion sowie der anschließend stattfindenden dezentralen Krankenmorde hunderttausende psychisch kranke und behinderte Menschen getötet. Auch Patientinnen und Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Lohr am Main wurden nach vorherigen Selektionen in Tötungsanstalten deportiert und dort ermordet. Der Einfluss der Pflegenden auf die ärztliche Dokumentation, welche einen relevanten Einfluss auf die Auswahl der getöteten Menschen hatte, war erheblich. Die Studie befasst sich unter anderem mit dem Psychiatriealltag in der Heil- und Pflegeanstalt Lohr am Main zur Zeit des Nationalsozialismus, den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kranken sowie des Personals, den therapeutischen Ansätzen mit dem Schwerpunkt Arbeitstherapie, der Analyse von Einzelschicksalen der psychisch kranken Bewohnerinnen und Bewohner, der Vergabehäufigkeit der todbringenden Diagnose „Schizophrenie“ nach den Deportationen 1940 sowie der Vermutung, dass auch in Lohr am Main nach der Beendigung der „T4“-Aktion dezentrale Krankenmorde stattfanden.
Basierend auf einer Analyse medizinischer Schriften aus Deutschland, Frankreich und England befasst sich diese Dissertation mit der Interpretation und Wahrnehmung der Wechseljahre und der Frau in den Wechseljahren zwischen 1800 und 1950. Obwohl sich das medizinische Verständnis des Wechseljahrsprozesses in dieser Zeit, in der die Sexualhormone entdeckt wurden, änderte, herrschte in diesen Schriften eine ständige, allgegenwärtige Pathologisierung der Menopause vor. Die (überwiegend männlichen) Autoren verwendeten eine sehr negative und oft dramatische Sprache, um die Wechseljahre und ihre Gefahren zu charakterisieren. Sie brachten die Wechseljahre insbesondere mit Nervenkrankheiten und psychischen Problemen in Verbindung. Darüber hinaus beschrieben sie in einer sehr abwertenden Sprache die Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes und der weiblichen Libido, die sie bei Frauen in den Wechseljahren und nach der Menopause beobachten zu können glaubten: pralles "Fleisch" und hervorstehende Bäuche, übermäßiges sexuelles Verlangen und "geile" Träume, die einige von ihnen quälten und die Umwandlung ihres Charakters in einen männlicheren. Rückblickend spiegelten diese Berichte in erheblichem Maße die zeitgenössische Wahrnehmung der gebrechlichen und reizbaren Natur der Frau und ihrer Rolle in der Gesellschaft wider, und laut den Ärzten teilten Frauen zu dieser Zeit diese Vorstellungen. Ich behaupte zudem, dass diese zutiefst negative Sichtweise der Menopause in der Geschichte der westlichen Kultur auch heute noch die Wahrnehmung und Erfahrung der Menopause beeinflussen kann.
Christian Heinrich Pander begründete 1817 in Würzburg die Keimblatttheorie. Zu seinen Erkenntnissen gelangte er durch Studien am Hühnerembryo. Beim Erlernen und bei der Durchführung der wissenschaftlichen Methodik mit dem Mikroskop unterstützte ihn der Würzburger Professor und Naturforscher Ignaz Döllinger maßgeblich. Neben der Aufarbeitung der wissenschaftlichen Methodik und den hieraus neu gewonnenen Erkenntnissen beschäftigt sich diese Arbeit ebenso mit der Aufarbeitung naturphilosophischer Motive in den naturwissenschafts-historischen Kontext der Embryologie-Geschichte des frühen 19. Jahrhunderts gesetzt.
In the partnership between the medical departments of Würzburg University, Germany, and Nagasaki University, Japan, palliative care is a relevant topic. The aim of the study was to perform a comparative analysis of the hospital-based palliative care teams in Würzburg (PCT-W) and Nagasaki (PCT-N). Survey of staff composition and retrospective analysis of PCT patient charts in both PCTs were conducted. Patients self-assessed their symptoms in PCT-W and in Radiation Oncology Würzburg (RO-W). The (negative) quality indicator ‘percentage of deceased hospitalised patients with PCT contact for less than 3 days before death’ (Earle in Int J Qual Health Care 17(6):505–509, 2005) was analysed. Both PCTs follow a multidisciplinary team approach. PCT-N saw 410 cancer patients versus 853 patients for PCT-W (22.8% non-cancer patients). The Eastern Cooperative Oncology Group Performance Status at first contact with PCT-N was 3 or 4 in 39.3% of patients versus 79.0% for PCT-W. PCT-N was engaged in co-management longer than PCT-W (mean 20.7 days, range 1–102 versus mean 4.9 days, range 1–48). The most frequent patient-reported psychological symptom was anxiety (family anxiety: 98.3% PCT-W and 88.7% RO-W, anxiety 97.9% PCT-W and 85.9% RO-W), followed by depression (98.2% PCT-W and 80.3% RO-W). In 14 of the 148 deceased patients, PCT-N contact was initiated less than 3 days before death (9.4%) versus 121 of the 729 deceased PCT-W patients (16.6%). Psychological needs are highly relevant in both Germany and Japan, with more than 85% anxiety and depression in patients in the Japanese IPOS validation study (Sakurai in Jpn J Clin Oncol 49(3):257–262, 2019). This should be taken into account when implementing PCTs.
Spielfilme weisen ein enormes Quellenpotential für historische Studien auf, das lange Zeit in der historischen Forschung unterschätzt wurde. Aufgrund der engen Wechselbeziehung zwischen dem Medium Film und den Zuschauern als Zielgruppe fungieren Spielfilme zum einen als Spiegel tatsächlicher Begebenheiten und Mentalitäten und zum anderen als Mittel zur allgemeinen Beeinflussung. Gerade in den 1950er-Jahren hatte das Kino zudem einen zentralen Stellenwert für das gesellschaftliche und kulturelle Leben, der weit über den heutigen hinaus geht. Vor diesem Hintergrund werden in der vorliegenden Arbeit auf Basis dreier Arztspielfilme folgende Fragen untersucht: Wie wurde die medizinische Praxis im Spielfilm des ersten Nachkriegsjahrzehnts dargestellt? Welches übergeordnete Medizinbild wurde dem Kinopublikum vermittelt - besonders unter dem Eindruck der NS-Vergangenheit? Welche Auffassungen hatte die Nachkriegspopulation gemäß den Filmen von Krankheit und Heilung unter besonderer Berücksichtigung ihrer sozialen Komponente? Als Untersuchungsgegenstand wurden die Filme Oberarzt Dr. Solm (1954/55) von Paul May, Frucht ohne Liebe (1955/56) von Ulrich Erfurth und Arzt ohne Gewissen – Privat-Klinik Prof. Lund (1959) von Falk Harnack ausgewählt, um ein breites Spektrum der medizinischen Praxis abzudecken. So kommen mit der Schizophrenie, der unfreiwilligen Kinderlosigkeit der Frau und der schweren Herzerkrankung drei verschiedene Kategorien von Krankheiten - psychische, gesellschaftlich konstruierte und organische - zur Darstellung sowie jeweils eine innovative Therapiemethode als Behandlungsoption - Lobotomie bzw. Leukotomie, künstliche Befruchtung bzw. AID (artificial insemination, donor) und Herztransplantation.
Die Palliativmedizin gilt oft als ein vergleichsweise junges Themengebiet, welches in den zurückliegenden Jahrzehnten kontinuierlich an Bedeutung gewinnen konnte. Palliativmedizin ist jedoch keine reine Erfindung des 20. Jahrhunderts. So galt die Versorgung Schwerkranker oder Sterbender bereits viel früher als ärztliche Pflicht. Grundgedanke der Arbeit war es, palliativmedizinische Facetten im ärztlichen Handeln zu Beginn des 19. Jahrhunderts nachzuweisen. Hierzu erfolgte eine beispielhafte Betrachtung der chirurgische Hernien-Therapie des St. Johanns Spitals in Salzburg. Als Grundlage dienten handschriftlich verfasste Krankengeschichten des St. Johanns Spitals aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Neben der Detektion und einer vergleichenden Darstellung palliativmedizinischer Handlungsweisen gelang mit Hilfe der in ihrer Ausführlichkeit bemerkenswerten Primärquelle eine Darstellung der damaligen chirurgischen Hernientherapie am Salzburger St. Johanns Spital. Ergänzend erfolgt ein Vergleich mit zeitgenössischen Veröffentlichungen zur Thematik der Hernienchirurgie, welche sich zum damaligen Zeitpunkt am Vorabend zur Asepsis bereits in einem Prozess des Umbruchs befand.
Der „Discursus medicus et politicus“ von Tobias Geiger ist eine Handschrift aus dem Jahr 1656. Als eine Art Lebensbericht stellt das Werk ein Plädoyer für die Chirurgie als wichtigen Bestandteil der Medizin dar. Tobias Geiger skizziert nicht nur einen „rechten medicus“ in „tempore pacis, belli et pestis", sondern er beschäftigt sich zudem mit gesundheitspolitischen Themen, wie die Vereinigung von Chirurgie und Medizin in der Ausbildung, die Abschaffung sowohl von der Landfahrerei als auch von unqualifizierten Heilpersonen, die Prüfung des Heilpersonals sowie die Verbesserung der Spitäler. In der vorliegenden Dissertation wurde das Schriftstück zunächst editiert, die lateinischen Passagen übersetzt und kommentiert. Im Anschluss wurden die Inhalte für ein besseres Verständnis weiter aufgegliedert und in den historischen Kontext gestellt.
Hospize – ein sicherer Hafen für terminal Kranke und Sterbende, heutzutage sind sie jedem ein Begriff. Doch wie sah die Versorgung Sterbender vor der modernen Hospizbewegung aus? Über den konkreten medizinischen Alltag in Einrichtungen für terminal Kranke und Sterbende Mitte des 20. Jahrhunderts existieren nur wenige Quellen. Welche Rolle nahmen Ärzte in der Versorgung terminal Kranker und Sterbender ein? Kam der medizinischen Symptomkontrolle eine besondere Bedeutung zu und wurden verfügbare starke Analgetika bei Sterbenden auch kompetent eingesetzt?
Diese und weitere Facetten der Versorgung terminal Kranker und Sterbender am Übergang in die moderne, durch die Hospizbewegung geprägte Zeit analysiert Anna Minnrich. Grundlage ihrer Analyse ist eine einzigartige Quelle: ein originaler Reisebericht mit Beschreibung von 18 Einrichtungen für Sterbende 1973 in Großbritannien von Sylvia Anne Lack, Pionierin der amerikanischen Hospizbewegung und ärztlicher Leiterin des ersten amerikanischen Sterbehospizes. Der Reisebericht wird in diesem Werk, ebenso wie von Anna Minnrich geführte Interviews mit Sylvia Lack, erstmals veröffentlicht. Auch der aktuelle Wissensstand über die Person Sylvia Lacks, ihren beruflichen Werdegang und persönliche Beweggründe, ihre Sicht auf den palliativmedizinischen Umgang mit Patienten der 1970er Jahre sowie ihre eigene spätere Tätigkeit am Connecticut Hospice in Amerika wird hiermit in einzigartiger, persönlicher Weise ergänzt.
Die Tage vor den Tagen werden in Fach- und Laienkreisen nicht selten als kritische Tage im Menstruationszyklus der Frau wahrgenommen. Die 'Störungsbilder' des Prämenstruellen Syndroms (PMS) und der Prämenstruellen Dysphorischen Störung (PMDS, engl. PMDD) haben sich mittlerweile gesellschaftlich etabliert. Die vorliegende Arbeit nähert sich der Thematik von medizingeschichtlicher Seite, indem sie Darstellungen des Prämenstruums in populärmedizinischen und wissenschaftlichen Texten vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart untersucht. Sie umfasst einen historischen Überblick über die Entwicklungen vom 19. Jahrhundert bis zur Etablierung des PMS und der PMDD im 20. und 21. Jahrhundert. Auch unterschiedliche Theorien zur Genese prämenstrueller Veränderungen und Beschwerden werden herausgearbeitet. Der Fokus liegt insbesondere auf dem Einfluss medizinischer Lehren und soziokultureller Faktoren (bspw. der Frauenbewegung, der Degenerations-, und Konstitutionslehre) auf die Darstellungen des Prämenstruums in medizinischen Texten.
Die Zielsetzung der vorliegenden Studie war es, die New Wundartzney von Johannes Beris (in der Ausgabe aus dem Verlag Hermann Gülferich aus Frankfurt am Main von 1552) anhand einer Strukturvorgabe aufzubereiten, so wie Ralf Vollmuth sie in seiner Traumatologie und Feldchirurgie an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit erarbeitet hat. Der Hintergrund für die Analyse und Aufarbeitung mittel¬alter¬lich-frühneuzeitlicher wundärztlicher Quellen nach einer Strukturvorgabe ist, eine wissenschaftliche Vergleichbarkeit herzustellen und folglich den Stand der zeitgenössischen medizinischen und pharma¬zeutischen Bildung aufzuzeigen. Die einseitige Rezeption nur der Werke, die eine zahlreiche Auflage erlebten und demnach weit verbreitet und leicht zugänglich waren, ergibt ein verzerrtes Bild des chirurgischen Wissensstands dieser Zeit. Die Struktur des Originaltexts wurde durchbrochen und die erarbeiteten Informationen an die neue, für einen Vergleich geeignete Struktur angepasst.
In diesem Rahmen wurden auch die zahlreichen Wiederholungen von Behand¬lungs¬ansätzen im Original eingekürzt. Diese lassen sich in der Quelle auf die Struktur der Darstellung nach Körperregionen zurückführen und auf die Tatsache, dass zahlreiche Ansätze für mehrere Regionen gleich sind und daher immer wieder erneut vom Verfasser beschrieben werden. In dieser Arbeit werden sie genannt und bei Wiederholung auf die Erstnennung verwiesen.
Leider liefert Beris keine aussagekräftigen Informationen über das Instrumentarium und die chirurgischen Techniken seiner Zeit, sondern beschränkt sich auf die wesent¬li¬chen Aspekte der Behandlung, die sich in vielen Fällen sinngemäß oder fast wörtlich wiederholen. Dies ist jedoch in Anbetracht der Art seiner Schrift, nämlich eines Manuals für seine Schüler, verständlich: Er setzt beim Leser Grund¬wissen voraus, was sich im Werk an einem Mangel an Grundlageninformationen wider¬spiegelt.
Betrachtet man die New Wundarztney, liefert Beris nur wenige innovative Punkte neben der Hygiene und Sauberkeit am Arbeitsplatz des Wundarztes. Auf Sauberkeit zu achten, mahnt er vor allem bei der Ver¬wen¬dung der pharmazeutischen Bestandteile bei der Herstellung der Salben an. Wei¬ter¬hin lehnt er das erneute Brechen von nicht korrekt positionierten und damit disloziert verheilten Brüchen ab, ebenso das chirurgische Entfernen von Pfeilspitzen; er führt so selten wie möglich eine chirurgische Adaptation der Wundränder aus und lässt Pflaster über Tage hinweg ruhen mit dem Hinweis auf bessere Wundheilung bei Ent¬zündungsfreiheit. Ansonsten entsprechen seine Ausführungen dem Stand der Zeit und klassifizieren Beris als Vertreter von unblutigen Therapien.
Die Tatsache, dass die New Wundartzney keine Bildtafeln aufweist, trübt ein wenig das Erscheinungsbild der Quelle, obwohl Bildtafeln in der damaligen Zeit, beispielsweise in gedruckten Handbüchern zur Anatomie und Chirurgie, durchaus üblich waren. Dieses lässt sich darauf zurückführen, dass hier überwiegend Rezepte und Behandlungs¬maßnah¬men für die eigenen Schüler geschildert werden und es sich bei dem Manual um eine wissen¬schaft¬lich eher kleine Schrift handelt.
Insgesamt betrachtet kann somit festgehalten werden, dass die Schrift von Beris nur wenig innovatives Wissen vermittelt. Ihren Anspruch, dem damaligen Wundarzt als praxisorientierte Anleitung zur Behandlung von Wunden und zur Herstellung von Pflastern und Wundtränken zu dienen, erfüllt sie jedoch voll und ganz.
Viel detaillierter hingegen sind die Rezepte in der New Wundartzney, die nicht von Beris selbst stammen und die der Verleger, wie oben erwähnt, als Wissens¬erweite¬rung eingegliedert hat.
Der von Ralf Vollmuth begonnene Katalog von Drogenmonographien konnte anhand der New Wundartzney um 32 neu erarbeitete Beiträge ergänzt werden. Die restlichen 47 der 79 Monographien wurden anhand aktueller Veröffentlichungen verifiziert und wenn notwendig aktualisiert oder ergänzt. Sie stehen damit einer weiteren wissen¬schaft¬lichen Verwen¬dung zur Verfügung. Zum profunderen Studium der Quelle und zur Ergänzung der Arbeit mit einer neuen aktualisierten Textfassung findet man in Kapitel 6 eine Transkription der New Wundartzney.
Die vorliegende Arbeit soll als ein ergänzender Baustein in der Aufarbeitung der spät¬mit¬tel-alterlich-frühneuzeitlichen chirurgischen Quellen und als Beitrag zu einem spä¬te¬ren kritischen Vergleich weiterer Quellen dienen.
Bislang geben nur wenige Studien einen detaillierten Einblick in Fallgeschichten anhand von Patientenakten. Die Dissertation gibt einen umfassenden Eindruck von der Einführung des Neuroleptikums Chlorpromazin in der Marburger Landesheilanstalt in den 1950er-Jahren. Anhand von Fallbeispielen wird aufgezeigt, welche Auswirkungen die Einführung des Chlorpromazins für die Behandlung psychiatrischer Patienten mit sich brachte. Im Fokus der Analyse stehen Indikationsstellungen, Therapiekonzepte und Kombinationstherapien rund um das neue Medikament Megaphen.
Ziel der Arbeit war es die Quellenlage Hildegard von Bingens ‚Physica‘ zu beleuchten. Dazu werden die Kapitel der exotischen Gewürze (Kap. I,13-21 und I,26-27), der Duftpflanzen (Kap. I,22-25), und der heimischen Gewürze (Kap. I,63-70) mit den entsprechenden Kapiteln aus ‚Macer floridus‘ (Odo Magdunensis), ‚Circa instans‘ (Matthaeus Platearius), ‚Liber graduum‘ (Constantinus Africanus), ‚Naturalis historia‘ (Plinius der Ältere) und ‚Materia medica‘ (Pedanius Dioskurides) verglichen. Es konnten verschiedenartige Bezüge zur Tradition hergestellt werden, jedoch ist hervorzuheben, dass Hildegard dennoch in den Anwendungen eine ausgeprägte Originalität aufweist.
Während des Zweiten Weltkrieges waren immer mehr Männer im Kriegseinsatz und Frauen blieben in der Heimat zurück. Dieses führte dazu, dass Frauen immer wichtiger für die Arbeitswelt wurden. So wurde es für die Gesellschaft immer selbstverständli-cher, dass Frauen studierten und auch Berufe übernahmen, welche vorher vorwiegend Männern zugeschrieben wurden. Gerade im Studienfach Medizin wurde zu Beginn der Zeit des Nationalsozialismus versucht, Frauen den Zugang zu erschweren. Als jedoch durch den Krieg ein immer größerer Mangel an Ärzten entstand und immer weniger Männer ein Studium beginnen konnten, wurden diese Zugangsbeschränkungen wieder gelockert. So stieg die Zahl der Studentinnen an den Universitäten immer weiter an und es wurden im Verlauf immer mehr Frauen als Ärztinnen tätig. In der Nachkriegszeit und den folgenden 1950er Jahren wurde durch die Politik und die Kirchen in Westdeutsch-land versucht, diese Entwicklung aufzuhalten. So wurde die Normalfamilie propagiert und die Frau wieder in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter gesehen. In Westdeutsch-land fiel durch diese Tendenzen der Anteil der Medizinstudentinnen und Studentinnen in anderen Studienfächern wieder ab. In der Sowjetischen Besatzungszone und in der im Verlauf entstehenden Deutschen Demokratischen Republik wurden schon mit Be-ginn der 1950er Jahre vermehrt Frauenkarrieren gefördert, hier konnte ein Anstieg der Zahlen der Studentinnen an den Universitäten verzeichnet werden und schließlich auch im Arztberuf. Auch wenn in der DDR vermehrt Einrichtungen zur Unterstützung der berufstätigen Frau errichtet wurden, wie etwa Kindergärten, war es trotz der Förderung durch den Staat für Frauen nicht einfach, Beruf und Karriere zu vereinen, auch wenn es in der DDR für Frauen weitaus einfacher war als in Westdeutschland. Dort war dies ohne Hilfe durch die Familie oder Kindermädchen noch weniger möglich. Um über-haupt zum Medizinstudium zugelassen zu werden, war eine Hochschulzugangsberechti-gung nötig, welche auf dem Gymnasium erworben werden musste. In dieser Zeit war es für Frauen durchaus unüblich, ein Gymnasium zu besuchen und Medizin zu studieren, so zumindest war die Annahme im Vorfeld dieser Arbeit.
Stehen die Biographien der Ärztinnen in einem Verhältnis zu den zeithistorischen Ent-wicklungen, wie ist ihre subjektive Wahrnehmung zu dieser Zeit, wie haben sie es emp-funden Ärztin und Frau zu sein und welchen Beeinträchtigungen, das Medizinstudium zu bestreiten und den Arztberuf auszuüben, waren sie ausgesetzt. Um diese Fragen be-antworten zu können wurde die Geschlechterordnung in der Nachkriegszeit und den 1950er Jahre in West- und Ostdeutschland beleuchtet.
Die Rezeptsammlung "Freywillig auffgesprungener Granat-Apffel des Christlichen Samaritans" wurde erstmals 1695 in Wien publiziert. Verfasserin dieses in über zwanzig Auflagen erschienenen Werkes ist die Fürstin Eleonora Maria Rosalia von Eggenberg (1647–1703), geborene Fürstin von Liechtenstein und seinerzeitige Herzogin zu Troppau und Jaegerndorff. Mit der vorliegenden Arbeit wurde das medizinische Werk der Eleonora von Eggenberg systematisch erfasst und mit modernem Wissen verglichen.
Daniel Sennert (1572-1637) und Thomas Feyens (1567-1631) haben unsere heutige Vorstellung der menschlichen Seele mitgeprägt. Durch die Auffassung der Seele als „initiales organisierendes Prinzip“ (Michael, Emily: Daniel Sennert on Matter and Form. At the Juncture of the Old and the New, in: Early Science and Medicine 1997 (2/3), 272–299) schafften sie die Grundlage für die Vorstellung, dass die Seele ab Beginn des Lebens gegenwärtig ist – wenn auch ihre Zugehörigkeit zur lutheranischen (Sennert) bzw. katholischen (Feyens) Konfession zu unterschiedlichen Ausgestaltungen dieses Ansatzes führte: Traduzianismus und Kreationismus.
Diese Arbeit bietet erstmals eine Edition und Übersetzung handschriftlicher Aufzeichnungen aus dem chirurgischen Unterricht in Padua für angehende akademisch gebildete Ärzte im 16. Jahrhundert. Sie gibt damit detaillierte Einblicke in die chirurgische Lehre in Padua, der führenden medizinischen Fakultät des damaligen Europas. Johann Konrad Zinn, ein deutscher Medizinstudent, verfasste diese Mitschriften in der Chirurgie-Vorlesung, die Hieronymus Fabricius ab Aquapendente, einer der bekanntesten Anatomen jener Zeit, damals abhielt.
Die vorliegende Doktorarbeit widmet sich als Beitrag sowohl zur Körper- bzw. Geschlechtergeschichte als auch zur Selbstzeugnisforschung autobiographischen Texten aus den 70er bis 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, in denen gynäkologische Krebserkrankungen eine zentrale Rolle einnahmen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Vergleich von Tagebüchern dreier Frauen aus dem Deutschen Tagebucharchiv in Emmendingen – einer Ärztin, einer Lehrerin und einer Sozialpädagogin- sowie publizierten Biographien Hildegard Knefs, Maxie Wanders, Ruth Picardies und Chilly Ants in Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Aufbau, Sprache und vor allem behandelte Themen.
Dies erfolgt zunächst unter Behandlung des historischen Kontextes durch Vermittlung medizinischer Hintergründe anhand von Fachbüchern aus dem Zeitraum, politischer Umstände mit dem Schwerpunkt auf die Frauengesundheitsbewegung sowie zuletzt der gesellschaftlich-öffentlichen Situation mit dem Kernpunkt der Tabuisierung des Themas Krebs. Hieran schließt sich der Vergleich der Texte im Bezug auf verschiedene Themen an mit den zentralen Aspekten: zum Einen die Kranke bzw. Patientin als soziale Figur und ihre Beziehung zur sozialen Welt, zum Anderen ihre Sicht auf die Krankheit mit den begleitenden Themen Krankheitsbewältigung, Krankheitsgewinn sowie Gedanken im Bezug auf Sterben und Tod. Hierbei wird auch Bezug genommen auf den Einfluss der Frauengesundheitsbewegung in der Darstellung und Gewichtung der einzelnen Themen. Zuletzt erfolgt eine zusammenfassende Schlussanalyse.
Der Name des populären Chirurgen Professor Julius Hackethal (1921-1997) weckt bis heute Assoziationen mit den Schlagwörtern Medizinkritik, Sterbehilfe und alternative Krebsbehandlungen. In einem stetig größer werdenden Forschungsstand zur Geschichte der Alternativmedizin und deutschen Nachkriegsmedizin beschäftigt sich vorliegende Dissertation mit Julius Hackethals Medizinkritik im Allgemeinen und Krebs im Speziellen, seinem therapeutischen Gegenvorschlag EUBIOS, der Sterbehilfedebatte sowie der Darstellung seiner Medizinkritik und der entsprechenden Resonanz in deutschen Medien. Die vermeintlichen „Kardinalfehler“ der Schulmedizin bei Krebs werden dabei exemplarisch am Beispiel Prostatakarzinom erläutert.
Welche gesellschaftlichen und schulmedizinischen Rahmenbedingungen vorlagen und die Medizinkritik anfachten, was die Gründe für Julius Hackethals Abkehr von der Schulmedizin waren und inwiefern sich seine Medizinkritik von anderen Kritikern der damaligen schulmedizinischen Verhältnisse unterschied, waren wichtige Fragestellungen der Arbeit. Zudem wird unter Miteinbeziehung von Zeitzeugenberichten beantwortet, warum er mit seinem EUBIOS-Konzept und vermeintlichen Pauschalbehandlungen gerade bei Krebspatienten regen Zulauf fand. Zuletzt stand das Verhältnis von Julius Hackethal zu den Medien sowie das der Medien zu Julius Hackethal im Fokus.
Neben allen Publikationen Hackethals als Hauptquellen und Mikroebene wurde die Recherche um umfangreiche Quellen der Epoche, Forschungsliteratur zum Thema und audiovisuelle Medien als Makroebene erweitert. Hauptschlagwörter waren Medizinkritik und Krise der Krebstherapie, Alternativmedizin sowie das Thema Sterbehilfe. Zudem wurden alle im Zusammenhang mit Julius Hackethal erschienenen Artikel in vorselektionierten Medien, dem Deutschen Ärzteblatt, den Nachrichtenmagazinen Spiegel und Stern sowie den Illustrierten Quick und BUNTE, den Fragestellungen entsprechend, analysiert.
Vor einem sich wandelnden Gesundheitspanorama in der zweiten Jahrhunderthälfte mit enttäuschten Hoffnungen an rasche Behandlungserfolge chronischer (Krebs-)Erkrankungen und einem kritischen Hinterfragen von (Arzt-)Autoritäten wurden Forderungen nach einer posthippokratischen Medizin und Ethik laut. Schlagwörter wie Fünfminutenmedizin, Apparate- und Maschinenmedizin und anonyme Großkliniken machten die Runde. Als Gegenantwort kam es zu einer Renaissance alternativer Behandlungsrichtungen, die von verunsicherten, von der Schulmedizin enttäuschten Patienten aufgegriffen wurden.
Julius Hackethal war dabei nicht der einzige oder erste Kritiker der damaligen schulmedizinischen Praxis, allerdings war Kritik von einem bis dahin selbst praktizierenden Schulmediziner und Professor ein Novum. Mit bewusstem Verzicht auf „Medizinbabylonisch“ und Büchern sowie öffentlicher Kritik in teils vulgärer, aggressiver „Volkssprache“ wurden komplexe Sachverhalte der breiten Masse zugänglich gemacht. Bis heute ist sein Neologismus harmloser „Haustierkrebse“ ein Begriff und mit ihm verquickt. Durch derart provozierende Rhetorik, aber auch spektakuläres, medienwirksames Handeln polarisierte Julius Hackethal dabei zeitlebens. Seine Beihilfe zum Suizid Hermine Eckerts im Jahr 1984 ist hierfür Beispiel und wird in der Arbeit dargelegt. Zudem ließ er keine Möglichkeit aus, seine Thesen in Medien jedweder Couleur zu verbreiten, die großen medizinischen Themenfelder für sich zu reklamieren und gleichzeitig für eigene Kliniken und sein Behandlungsprogramm EUBIOS zu werben. Ein einzelner Querdenker habe es geschafft, die viel zu kompliziert denkende Schulmedizin zu entmystifizieren.
Die Position des Deutschen Ärzteblatts war zwangsläufig klar abgesteckt: Gegenüber Standeskritikern galt es eine klare Position aufrechtzuerhalten, um die bereits in der Kritik stehende Schulmedizin nicht noch weiter zu gefährden. Entsprechend einseitig und teils unseriös fielen die Artikel aus. Das Nachrichtenmagazin Spiegel begrüßte Hackethals anfängliche Medizinkritik, distanzierte sich dann aber ausdrücklich von ihm und seinen Krebsheilungsvisionen sowie seiner Forderung nach einer Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids.
Im 21. Jahrhundert ist Medizinkritik weiterhin präsent, gleichzeitig sind alternative Behandlungsverfahren zu einem festen Bestandteil des Behandlungsrepertoires einst streng schulmedizinisch ausgerichteter Ärzte geworden. Julius Hackethal war dabei ein zeitgeschichtliches Phänomen auf einem kurz vor und vor allem nach ihm existenten Kontinuum deutscher Medizinkritik, dem weitere Persönlichkeiten mit neuen Heilsversprechungen oder Ideen zur Umstrukturierung der modernen Schulmedizin rasch nachfolgten und nachfolgen werden.
Die Studie untersuchte die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Umgang mit alkohol- und psychisch kranken Patienten Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts am Beispiel der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universität Würzburg.
2014 wurden die Patientenakten und Standbücher der Universitätsklinik der Jahre 1888 bis 1944 erstmalig zu Studienzwecken freigegeben, die Ergebnisse dieser Studie wurden vor dem Hintergrund der Forschungsliteratur diskutiert.
Die Studie betrachtete die unterschiedlichen Epochen- Industrialisierung, Kaiserreich, Erster Weltkrieg, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg - und insbesondere die Trinkerfürsorge sowie die Geschlechtergeschichte der Psychiatrie jener Epochen. Ebenso wurde auf die spezielle Rolle der Universitätspsychiatrie eingegangen.
Die Analysen ergaben, dass Alkoholismus bei Frauen verurteilt, bei Männern beschönigt und entschuldigt wurde. Frauen wurden stark nach ihrem Lebenswandel und etwaigen“ moralischen Verfehlungen“ beurteilt, bei Männern wurde dies kaum berücksichtigt. Psychische Leiden bei Frauen wurden häufig mit hormonellen oder sexuellen Ursachen in Verbindung gebracht, bei Männern gab es kein analoges Erklärungsmuster. Es bestand eine sehr hohe Toleranzschwelle für häusliche Gewalt gegenüber alkoholkranken Patientinnen. Gutachten ärztlicherseits befürworteten meist Ehescheidung und Entmündigungen von alkoholkranken Patienteninnen, bei männlichen Alkoholkranken erfolgte dies nur bei massiver Beweislast. Die Analysen ergaben einen oft herablassenden und teils respektlosen Umgang mit allen psychiatrischen Patienten, jedoch mit standes- und geschlechtsspezifischen Unterschieden. Patientinnen wurden insgesamt respektloser behandelt als männliche Patienten, speziell wenn sie den „unteren Ständen“ angehörten und ihr Lebenswandel nicht den gesellschaftlichen Erwartungen entsprach.
Alkoholkranke waren niemals primäres Ziel der nationalsozialistischen Rassen- und Vernichtungspolitik. Da Alkoholkranke meist arbeitsfähig waren, waren sie selten Opfer von Zwangsterilisationen, und soweit arbeitsfähig, auch nicht Opfer von dem gezielten Hungersterben in den Anstalten oder der „Aktion T4“.
Die Psychiatrische und Nervenklinik der Universität Würzburg nahm als Universitätsklinik im Lichte der Öffentlichkeit eine besondere Rolle ein. Sie war von wirtschaftlichen Zwängen kaum betroffen, Arbeitstherapie war zwar Teil des klinischen Alltags, jedoch weit weniger intensiv als in den Anstalten und Arbeitshäusern. Es ergab sich kein Hinweis auf „Hungerkost“ während der beiden Kriege, es gab keine direkten Transporte in die Tötungsanstalten im Rahmen der „Aktion T4“ und es ergaben sich keine Hinweise auf Experimente an psychiatrisch erkrankten Patienten an der Würzburger Lehrklinik.
Die zahnärztliche Implantologie gilt inzwischen als Standardverfahren im Rahmen der zahnmedizinischen Versorgung von Zahnverlusten. In dieser Arbeit wird die Einführung der zahnärztlichen Implantologie in das Gesundheitssystem der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung bei der Bundeswehr beschrieben.
Die Therapieform der zahnärztlichen Implantologie wurde im Jahr 1988 in den Versorgungsumfang der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung bei Soldaten der Bundeswehr im Rahmen von Einzelfallentscheidungen aufgenommen. Die Einführung dieser Therapiemethode in das annähernd „geschlossene“ Gesundheitssystem der Bundeswehr gelang nahezu reibungslos.
Die Richtlinien für die zahnärztliche Versorgung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr haben sich zwar seit der Einführung dieser Therapiemethode schon mehrfach geändert, eine Versorgung mit zahnärztlichen Implantaten ist jedoch in Abhängigkeit der vorliegenden Indikation im Einzelfall grundsätzlich bei voller Kostenübernahme auf Bundesmitteln (dies gilt in Abhängigkeit der gewählten Versorgungsform nicht für die Suprakonstruktion) unverändert möglich. Hierbei gilt zu beachten, dass als Begründung für diese Kostenübernahme im begründeten Einzelfall insbesondere die Dienstfähigkeit und die Einsatzfähigkeit des Soldaten im Vordergrund steht.
Festzuhalten bleibt somit, dass die anspruchsberechtigten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Bereich der zahnärztlichen Behandlung, in Abhängigkeit vom vorliegenden Befund und von der medizinischen Indikation, aus fachlicher Sicht ein Höchstmaß an zahnärztlich-prothetischer Versorgung erhalten, welches bei Bedarf die Implantation miteinschließt.
Die Einführung der Therapiemethode der zahnärztlichen Implantologie bei der Bundeswehr konnte nach anfänglichen heftigen Diskussionen durch Übernahme in den Versorgungsumfang erfolgreich umgesetzt werden und erweitert heutzutage auf einem state-of-the-art-level das Therapiespektrum im Bereich der zahnärztlichen Prothetik.
Die aufgezeigten Prognosen hinsichtlich der zukünftigen Einnahmen- und Kostenentwicklungen der zivilen Kostenträgersysteme lassen darauf schließen, dass ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem in Deutschland nicht ohne Leistungseinschränkungen und zukünftige Leistungsbegrenzungen auskommen wird. Notwendige Maßnahmen der Rationalisierung werden bereits umgesetzt, können allein voraussichtlich jedoch nicht zu ausreichenden Kosteneinsparungen führen. Dadurch treten bereits heute und zukünftig in größerem Maße weitergehende Notwendigkeiten wie Rationierung und Priorisierung von medizinischen Leistungen in den Vordergrund.
Insbesondere bei der Rationierung erscheint es zwingend notwendig, dass diese Leistungseinschränkung explizit, also öffentlich bekannt, erfolgt, damit nicht der medizinische Leistungserbringer eine Entscheidung hinsichtlich Gewährung oder Einschränkung treffen muss, wodurch zudem das Arzt-Patientenverhältnis deutlich belastet würde.
Eine Abstimmung der Frage der Verteilungsgerechtigkeit medizinischer Leistungen auf gesellschaftspolitischer Ebene erscheint zwingend notwendig, um eine konsensfähige Festlegung dieser notwendigen Leistungsbegrenzungen zu erreichen.
Das "Ventilabrum medico-theologicum" (1666) von Michael Boudewyns ist eines der ersten medizinethischen Werke überhaupt. Darin werden sämtliche ethische Fragestellungen aus ärztlicher und theologischer Sicht behandelt. Vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit den Kapiteln über Abtreibung, Empfängnisverhütung und weibliche Schönheitspflege. Die lateinischen Texte wurden übersetzt und kommentiert.
Boudewyns orientiert sich in seinen ethischen Entscheidungen vorwiegend an der kirchlichen Lehrmeinung, findet aber aufgrund seiner medizinischen Erfahrung zu einem eigenständigen, kritischen Urteil und leitet daraus Handlungsempfehlungen für die ärztliche Praxis ab.
In dieser Arbeit ist zusammengetragen, was frühere Heilkundige und Pflanzenkenner über Ysop berichtet haben. Welche Eigenschaften schrieb man ihm zu, welche Wirkungen und Anwendungen waren bekannt? Gegen welche Krankheiten verordnete man Ysop-haltige Arzneien und wie sahen diese aus? In welcher Form wurden sie gegeben und welche weiteren Bestandteile enthielten sie? Wo taucht Ysop zum vermutlich ersten Mal auf?
Diese Arbeit erweitert die Grundzüge der Medizingeschichte Portugals und des Thermalwesens des Landes. Der Schwerpunkt dieser Arbeit – nämlich die Betrachtung verschiedener portugiesischer Kurorte – belegt Unterschiede in der Entwicklung, Nutzung und Bewirtschaftung der verschiedenen Bäder. Diese Differenzen haben verschiedene Gründe, wobei die historische und regionale Entwicklung, politische Interessen und der persönliche Wille einflussreicher Menschen eine bedeutende Rolle spielen. Wie es diese Arbeit mehrfach verdeutlicht, hatte die Vorliebe der Römer zu den Heilbädern, was die Besiedlung und den Ausbau der portugiesischen Orte mit Mineralwasserquellen anbelangt, eine ausschlaggebende Bedeutung. Nach dem Fall des römischen Imperiums folgte eine Zeit der Vernachlässigung vieler Thermen bzw. Thermalquellen Portugals. Manche Kurorte wurden auch ohne angemessene Infrastrukturen weiter vom Volk benutzt, andere auch von religiösen Orden. Mit dem Beginn des portugiesischen Königreiches begann der Aufschwung einiger Thermalbäder, wobei São Pedro do Sul der erste Kurort war, der von der Anwesenheit eines Königs, nämlich Afonso Henriques, profitierte. Im Vergleich zum Rest Europas war die Entwicklung der portugiesischen Kurorte jedoch verzögert. In Mitteleuropa fanden ab dem XIV. Jahrhundert Mineralbäder beträchtliche Aufmerksamkeit, sowohl was den Gebrauch der Thermen betraf, als auch, was die literarischen Aufzeichnungen anbelangte. Einen Höhepunkt der Thermalgeschichte Portugals bildet die Gründung der Caldas da Rainha, wofür das Königspaar Leonor und João II wichtige Grundsteine legten, die die medizinische Versorgung Portugals ändern sollten. Auf Anordnung Leonors wurde im Jahre 1485 das erste Thermalkrankenhaus der Welt in Caldas da Rainha gegründet, was auch Schwerpunkt dieser Arbeit ist. Die Gründung einer solch komplexen und anspruchsvollen Einrichtung machte ein entsprechendes wirtschaftliches und gesellschaftliches Umfeld erforderlich. Leonor und João II, sowie wenig später auch Manuel I, bestimmten eine Reihe von Maßnahmen, um Menschen dort anzusiedeln und das Dorf zu entwickeln. Sie sorgten ebenfalls für die Finanzierung des Krankenhauses. Der “Compromisso da Rainha” war ein entscheidendes Dokument, welches nicht nur die Verwaltung des Hauses regelte, sondern auch die medizinische Versorgung. Hier wurden alle Patienten von Anfang an von einem Arzt untersucht und betreut. Patienten mit Lepra, Syphilis, Krätze, mit Fleischwunden, oder jene, von denen man glaubte, sie seien unheilbar krank, wurden vom Arzt im Krankenhaus nicht aufgenommen. Der Thermalbesuch in Caldas war standardisiert und strikten Regeln unterworfen. Mit seinen sieben Stationen und hundertzehn Betten war das Krankenhaus von Caldas eines der größten seiner Zeit und wurde in Portugal nur durch das Krankenhaus in Lissabon übertroffen. Mit João V erfolgte im XVIII. Jahrhundert eine wichtige Renovierung des Krankenhauses in Caldas da Rainha. Im XIX. Jahrhundert fand ein Aufschwung durch den wachsenden Tourismus statt, was dazu führte, dass viele Infrastrukturen entweder verbessert oder völlig neu erschaffen wurden. Ein weiterer wesentlicher Schritt war die Gründung des Krankenhauses von “Todos-Os-Santos” in Lissabon, wodurch eine Zentralisierung der medizinischen Infrastrukturen in der Hauptstadt stattfand. Nebenbei wurde versucht, die Institutionen – mit ihren entsprechenden Einkünften – der Verwaltung der Kirche zu entreißen. Zeitgleich wurden im ganzen Land neue Krankenhäuser gegründet, wobei die Versorgung der Armen von zahlreich gegründeten “Misericórdias” unterstützt wurde. Neben Caldas da Rainha werden noch sechs weitere Thermalbäder Portugals betrachtet: Curia, Chaves, Geres, Sao Pedro do Sul, Taipas und vizela. Die wissenschaftlichen Fortschritte in Europa ab dem XVII. und XVIII. Jahrhundert hinterlieβen auch in Portugal ihre Spuren. Sie bewirkten, dass die Bäder, die als “Heilmittel” betrachtet wurden, in einem anderen Licht erschienen. In der damaligen Literatur multiplizierten sich Berichte und Analysen über die verschiedenen Thermalquellen.
Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht das ärztliche Verständnis des Skorbuts im 17. Jahrhundert. Als Quellen dienen allgemeine und theoretische Erörterungen über den Skorbut sowie medizinische Observationes zeitgenössischer Ärzte. Eine zentrale Rolle nimmt in diesem Zusammenhang die Analyse der Skorbutfälle aus der Fallsammlung des Ulmer Arztes Johannes Frank (1649-1725) ein.
Gegenstand der Untersuchung ist die medizinische Diskussion um die Fettleibigkeit von 1800 bis 1914. Dargestellt werden die unterschiedlichen Betrachtungsweisen der Fettleibigkeit beeinflusst durch gesellschaftliche, industrielle und medizinische Entwicklungen im Untersuchungszeitraum unter den Aspekten der Ursachen (Lebensführung, erbliche Veranlagung, Geschlecht, Alter, Stoffwechselstörungen) und Folgen (Gesundheitsgefahren, Ästhetik, psychische Auswirkungen). Des weiteren werden Konzepte zur Gesunderhaltung und Lebensverlängerung vorgestellt.
Die Situation der Psychiatrie und die institutionelle Unterbringung der Geisteskranken am Ende des 18. Jahrhunderts sind gut erforscht. Doch was dem einzelnen Geisteskranken widerfuhr, unter welchen Sorgen und Nöten er als Kranker und Patient litt, welchen Problemen seine Familie und sein Umfeld ausgesetzt waren, wie es ihm außerhalb der Anstalt erging und welche Faktoren zur Unterbringung in eine Anstalt oder in einem Gefängnis oder auch zur Entlassung aus diesen beitrugen, ist bisher nur wenig erforscht. Der hier behandelte Aktenbestand des Nürnberger Stadtarchivs lässt Einblicke in den medizinischen, amtlichen und privaten Umgang mit den Irren am Ende des 18. Jahrhunderts zu. Die Irren in Nürnberg und Umgebung wurden zunächst meist von Angehörigen betreut und versorgt, wobei diese Aufgabe mit nicht wenigen Problemen behaftet war. Neben der finanziellen Belastung konnte ein Irrer auch zur Gefahr für Leib und Leben werden, wenn er in einem Anfall von Raserei gewalttätig gegen sich und andere wurde. In solchen Fällen ließ man bis zur Anzeige im Schöffenamt mit der Bitte, den Betroffenen internieren zu dürfen, keine Zeit verstreichen. Die Meinungen der Amtsärzte bzgl. der Internierungspraxis unterschieden sich hier ganz offensichtlich voneinander. Während die Betroffenen in den Akten bis etwa 1789 vorwiegend aufgrund von ‚Raserei‘, ‚Faulheit‘ oder ‚Blödheit‘ angezeigt und meist eine Bestrafung in Form von körperlicher Züchtigung oder Freiheitsberaubung gefordert wurde, so änderte der Umgang mit den Irren merklich. Internierungen gerieten mehr und mehr in die Kritik, wurden zu einer Übergangs- und später zu einer Art ‚Notlösung‘. Der mythisch-mystische Aspekt der Geisteskrankheiten geriet zunehmend in den Hintergrund. Viele Angehörige kümmerten sich auch ohne Weisung des Amtsarztes fürsorglich um ein irres Familienmitglied, bis es, z. B. aufgrund von Geldnöten, zur Internierung kam. Dr. Preu versuchte gerade die finanzielle Belastung der Familien, die ein wahnsinniges Familienmitglied betreuten, zu reduzieren. Seine Bemühungen für einen sozial-integrativen Umgang mit den Irren zeigten auch, dass man das Wegsperren der Wahnsinnigen zunehmend ablehnte und deren Reintegration förderte. Anhand von lebendigen Beispielen wird dieser Wandel in der Abhandlung anschaulich dargestellt.
Die vorliegende Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, einen Überblick über die Verwendung der beiden Arzneipflanzen Zingiber officinale ROSCOE und Alpinia officinarum HANCE in der Geschichte der europäischen Phytotherapie zu geben. Dazu wurden insgesamt fast 90 Texte untersucht und verglichen, wobei nicht nur Standardwerke, sondern auch eher unbekannte Schriften und Zeugnisse der Volkskunde und populärwissenschaftliche Bücher berücksichtigt wurden. Bereits den antiken Autoren war der Ingwer als Arzneipflanze bekannt, und er wurde für unterschiedliche Indikationsgebiete verwendet. Im Mittelalter genoss das Gewürz ebenfalls ein hohes Ansehen und findet sich bei fast allen der untersuchten Autoren wieder. Diese Tatsache ist erstaunlich, wenn man die damaligen langen und kostspieligen Transportwege von den Ursprungsländern in Südostasien bis nach Europa bedenkt. Nach dem System der Humoralpathologie wurde dem Ingwer als wärmender Arzneipflanze die Fähigkeit zugeschrieben, Krankheiten zu heilen, die durch kaltes Phlegma hervorgerufen werden. Vielfältige Indikationen, angefangen vom Einsatz bei Erkrankungen des Kopfes, der Lunge, des Magen-Darm-Traktes, von Herz und Blutgefäßen, der Leber und Milz, der Harnwege, bis hin zu Haut- und Gelenkerkrankungen sowie der Einsatz als Aphrodisiakum belegen die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten des Ingwers. Über viele Indikationen herrscht eine erstaunliche Konstanz über die Jahrhunderte, und vor allem im Bereich des Magen-Darm-Traktes gibt es auch nach modernen wissenschaftlichen Methoden nachgewiesene Wirkungen. Während der Galgant bei den griechischen und römischen Ärzten nicht bekannt war, kam die Pflanze durch den arabischen Fernhandel nach Europa und war hier erst seit dem 9. Jahrhundert verbreitet. Von den arabischen Ärzten tradiertes Wissen trug dazu bei, dass der Galgant als Heilpflanze Bedeutung erlangte und im gesamten Mittelalter bis in die Neuzeit eine sehr geschätzte Pflanze mit vielfältigen Indikationen war. Auch hier sind es vor allem die Anwendungen im Gastrointestinaltrakt, die nach modernen Forschungsergebnissen bestätigt werden. Die moderne Phytotherapie ist eine medizinische Behandlungsmethode, in der als Arzneimittel Phytopharmaka angewendet werden. Nicht zur Phytotherapie zählen die Homöopathie oder die Antroposophie. In der Phytotherapie werden Pflanzen oder Pflanzenteile als stoffliche Einheit betrachet, isolierte Stoffe werden nicht zu den Phytopharmaka gerechnet. Ebenso wie andere Arzneimittel müssen Phytopharmaka durch zuständige Behörden nach Nachweis von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zugelassen werden, in Deutschland vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinalprodukte.
Ausgangspunkt dieser Dissertation waren 23 aus den Jahren 1883 und 1893 überlieferte handschriftliche Krankenblätter der chirurgischen Abteilung des Juliusspitals zu Würzburg. Ziel war es, anhand dieser Krankenblätter eine retrospektive Sicht in den Operationssaal des Juliusspitals zu ermöglichen und insbesondere die chirurgische Hernienbehandlung im ausgehenden 19. Jahrhundert zu rekonstruieren. Das Augenmerk galt dem chirurgischen Tagesgeschäft: Es sollte aufgezeigt werden, wie sich dieses innerhalb von 10 Jahren verändert hat und wie diese Veränderung im Kontext interpretiert werden können. Es wurden quantitative und qualitative Aspekte untersucht (quantitative Aspekte: 1. Geschlechterrelation, 2. Relation Überlebende/Verstorbene, 3. Relation operative/konservative Behandlung; qualitative Aspekte: 1. formaler Vergleich, 2. stilistische Vergleich, 3. Arzt-Patienten-Verhältnis, 4. Anti-/Asepsis 5. Arzneimittel 6. Heilungsbegriff 7. Vergleich Operationstechniken). Eine besondere Bedeutung kommt dem glücklichen Zufall zu, dass zeitgenössische Publikationen existieren, welche zum Teil die im Original überlieferten Krankengeschichten enthalten. Somit konnte eine Querverbindung zwischen gelehrter Theorie und Praxis gezogen werden und untersucht werden, ob Erstere auch im Alltag umgesetzt wurde. Trotz der nur lückenhaften Überlieferung und der Tatsache, dass die Krankenblätter ursprünglich nicht zu dem Zweck geschrieben wurden, zu welchem sie im Rahmen dieser Dissertation verwendet wurden, war durch sie eine retrospektive Sicht in den Operationssaal des Juliusspitals des ausgehenden 19. Jahrhunderts möglich, welche ohne ihre Überlieferung vom heutigen Standpunkt aus nicht mehr zu rekonstruieren wäre.
Gegenstand der Untersuchung ist die Patientenkorrespondenz von Samuel Hahnemann mit seiner Patientin Friederike Lutze in der Zeit von 1831 bis 1833. Anhand von Briefen und Tagesberichten werden die Symptome der Patientin, die nach gegenwärtigem Ermessen hauptsächlich psychischer Natur waren, dargelegt und analysiert. Hierbei wird versucht, die zugehörigen Medizinkonzepte und zeitgenössischen Wissensbestände herauszufiltern. Der Zeitraum der Korrespondenz stellt eine Umbruchphase in der Deutung von Gemütssymptomen dar, so dass sowohl humoralpathologische Vorstellungen, wie auch die "Vapeurs" und Nervenleiden als Konzept aufzufinden sind. Selbst die noch in den Kinderschuhen befindliche Psychologie wird von der Patientin aufgegriffen und im Rahmen des Arzt-Patientenverhältnisses thematisiert. Abgeschlossen wird die Arbeit von der Edition aller verfügbaren Krankenberichte und Briefe der Korrespondenz.
Der ‚Liber de arte distillandi de simplicibus’, genannt das ‚Kleine Destillierbuch’ des Straßburger Chirurgen Hieronymus Brunschwig (ca. 1450 bis 1512/13) wurde im Jahr 1500 erstmals veröffentlicht. In der vorliegenden Untersuchung sollen die darin genannten humoralpathologischen medizinischen Indikationen der destillierten Pflanzenwässer mit den nach derzeitigem wissenschaftlichem Erkenntnisstand belegten Indikationen verglichen werden und auf Übereinstimmungen und Abweichungen hin untersucht werden. Das ‚Kleine Destillierbuch’ befasst sich mit der Destillation von Arzneimitteln vorwiegend pflanzlicher Herkunft und den medizinischen Anwendungsbereichen dieser Destillate. Das erfolgreiche Werk, das in schriftlicher Form die damalige gängige Praxis der Medizinkundigen in Straßburg fixiert, entwickelte sich zum heilkundlichen Volksbuch des 16. Jahrhunderts, galt aber auch bei Berufs-Destillierern als wichtiges Technik-Lehrbuch für Destillationsverfahren. Daneben waren Brunschwigs Pflanzenbeobachtungen im ‚Kleinen Destillierbuch’ eine wertvolle Grundlage für die ältere deutsche Botanik. Für die Untersuchung wurden Druckausgaben aus den Jahren 1528 und 1610 verwendet. In einem ersten Schritt wurde durch Klärung heute ungebräuchlicher Begriffe der frühneuzeitliche Text erschlossen. Im zweiten Schritt wurden die Zutaten identifiziert, die Brunschwig zur Destillation der 269 pflanzlichen und 36 nicht-pflanzlichen, meist tierischen gebrannten Wässer verwendet. Im dritten Schritt wurden alle Indikationen der Destillate, die Brunschwig in seinen Planzenmonographien nennt, gesammelt und verschiedenen Körperregionen zugeordnet. Anschließend wurden den historischen Indikationsbezeichnungen heute gebräuchliche Bezeichnungen gegenübergestellt, um einen direkten Vergleich der Daten, die zwei grundsätzlich verschiedenen Wissenschaftsystemen entspringen, zu ermöglichen. Im vierten Schritt wurden alle von Brunschwig genannten Anwendungsbereiche der einzelnen „Wässer“-Monographien jeweils in Tabellenform aufgenommen. Diesen historischen Anwendungsbereichen wurden heutige naturwissenschaftlich belegte Indikationen gegenübergestellt. Hierfür wurde v.a. auf W. Blaschek, S. Ebel, E. Hackenthal u. a., Hagers Handbuch der Drogen und Arzneistoffe, HagerROM 2004, Programmversion 5.1, Berlin, Heidelberg 2005 zurückgegriffen. Ein Vergleich der historischen mit den aktuellen Anwendungen erfolgte anhand abgestufter Kategorien (I, II, III, IV). Für eine Interpretation der untersuchten Daten wurden diejenigen von Brunschwig verwendeten Pflanzen ausgewählt, die ein nach heutigem Wissensstand belegtes Anwendungsgebiet besitzen. Diese wurden zunächst nach den für ihre Wirkung relevanten Inhaltsstoffen geordnet. Die Übereinstimmungen bzw. Abweichungen der Brunschwigschen Anwendungsgebiete von den heute definierten Anwendungsgebieten der untersuchten Pflanzen wurden diskutiert. Die relativen Trefferhäufigkeiten wurden ermittelt. Sie liegen zwischen 33 % und 100 %, im Durchschnitt bei 65 %. Für eine weitere Diskussion wurden die gleichen Daten bezüglich der Destillat-Anwendung in den oben genannten Körperregionen geordnet. Die relativen Trefferhäufigkeiten liegen hier in einem Bereich zwischen 43 % und 86 %, im Durchschnitt bei 57 %. Die vorliegende Untersuchung ist Teil eines größeren Forschungsvorhabens. In gleicher Weise sollen mehrere Kräuterbücher des Mittelalters bzw. der frühen Neuzeit untersucht und anschließend mittels eines statistischen Verfahrens einzeln und im Vergleich umfassend ausgewertet werden.
In der vorliegenden Arbeit werden die Stationen im Leben Karl Wesselys nachgezeichnet und ein Überblick über die wissenschaftlichen Leistungen gegeben. Karl Wessely wurde am 6. April 1874 in Berlin geboren. Nach seinem Abitur 1893 und dem Medizinstudium, das er 1898 erfolgreich abschloß, ging er für drei Jahre als Assistent zu Theodor Leber nach Heidelberg, nachdem ihn Julius Hirschberg in Berlin für die Augenheilkunde begeistert hatte. 1900 promovierte Karl Wessely mit der von Leber angeregten Dissertation ´Experimentelle Untersuchungen über Reizübertragung von einem Auge zum anderen´. Schon in seiner Assistenzzeit in Heidelberg erkannte sein dortiger Lehrer sein ausgezeichnetes Geschick, was er daraufhin in Würzburg weiter verfeinern konnte. 1901 ging Karl Wessely zur weiteren augenärztlichen Ausbildung zu Carl von Hess nach Würzburg an die Augenklinik, bevor er ein Jahr später in seine Geburtsstadt zurückkehrte und dort neben seiner Privatpraxis noch bei Theodor Engelmann am physiologischen Institut der Universität forschte. 1907 kehrte Wessely nach Würzburg an die Universitätsaugenklinik zurück, übernahm die Oberarztstelle und habilitierte 1908 mit dem Thema ´Experimentelle Untersuchungen über den Augendruck sowie über qualitative und quantitative Beeinflussung des intraocularen Flüssigkeits-wechsels´. Bereits zwei Jahre später wurden ihm der Titel und der Rang eines außerordentlichen Professors verliehen und als das Ordinariat für Augenheilkunde, durch die Berufung von Hess´ nach München, in Würzburg frei wurde, wurde er Anfang des Jahres 1913 zu dessen Nachfolger ernannt. Seine Würzburger Tätigkeit, in der er über 100 Veröffentlichungen schrieb, wurde durch seinen Wehrdienst im Ersten Weltkrieg unterbrochen. Er leistete unter anderem Frontdienst in Belgien und bekam für seine Verdienste das Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen. Nach einem Jahr wurde er wieder für die Leitung der Würzburger Klinik freigestellt. 1921 wurde Karl Wessely zum Rektor der Würzburger Universität gewählt und 1923 wurde ihm der Titel eines Bayerischen Geheimen Sanitätsrates verliehen. Nach Carl von Hess´ Tod 1924 folgte Wessely dem Ruf nach München und übernahm dort dessen Lehrstuhl. Während dieser Zeit vertrat er als Vorstandsmitglied der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft die deutsche Augenheilkunde auf zahlreichen Fachkongressen und verhalf ihr so zu internationaler Anerkennung. Seine Münchener Zeit war geprägt durch die Fortführung seiner begonnenen Studien auf den Gebieten Glaukom und intraokularer Flüssigkeitswechsel, durch die Einführung neuer Operationsmethoden und seine Hingabe für den akademischen Nachwuchs, bevor das bitterste Kapitel in seinem Leben folgte. Durch die Nationalsozialisten wurde er aufgrund seiner jüdischen Abstammung 1935 seines Amtes enthoben und durfte nur noch stark eingeschränkt seine augenärztliche Tätigkeit ausüben. Nach dem Zweiten Weltkrieg, der die Isolation der deutschen Augenheilkunde im Ausland zur Folge hatte, kehrte er 1945 wieder auf den Universitätslehrstuhl zurück. Nachdem Karl Wessely 1948 zum Vorstand der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft ernannt worden war, half er unermüdlich mit, die Einschränkungen der deutschen Augenheilkunde durch seinen hervorragenden Ruf und seine Beziehungen zu ausländischen Kollegen abzubauen. 1950 leitete er die Tagung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in München und stellte seine Erfahrungen bei der Herausgabe des von Graefeschen Archivs für Ophthalmologie zur Verfügung. Durch seine Vorträge auf internationalen Kongressen und seine bedeutenden wissenschaftlichen Arbeiten trug er wesentlich zur Annäherung der deutschen an die internationale Ophthalmologie nach dem Zweiten Weltkrieg bei. Karl Wessely verstarb am 25. Februar 1953 im Alter von 79 Jahren wurde am 2. März 1953 auf dem Waldfriedhof in München beigesetzt.
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Die vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt das medizinische Werk zweier ausgewählter historischer Autoren, nämlich jenes Hildegards von Bingen (1098 – 1179) und von Leonhart Fuchs (1501 – 1566), möglichst umfassend hinsichtlich der für Mittel pflanzlichen Ursprungs vergebenen Indikationen zu bearbeiten und mit modernem Wissen zu vergleichen. Mit Hilfe einer statistischen Auswertung sollte dabei festgestellt werden, ob die überlieferten Indikationen lediglich einer zufälligen Zuordnung folgen oder ob diese zielgerichtet Erfahrungswerte spiegeln. Sollte sich die Zuweisung einzelner Pflanzen zu bestimmten Indikationen nicht als zufällig erweisen, so wäre dies ein Beleg dafür, dass man bereits vor Jahrhunderten über ein Wissen verfügte, welches unseren heutigen Erkenntnissen vergleichbar wäre. Die Wahrscheinlichkeit, dass entsprechende Pflanzen, die heute medizinisch nicht mehr gebräuchlich sind, von historischen Autoren jedoch empfohlen werden, die gewünschten Wirkungen zeigen, wäre demzufolge groß. Derartigen Erfolg versprechenden Pflanzen oder traditionellen Anwendungen könnte sich die weitere klinische Forschung zuwenden. Bisherige Vergleiche der historischen Verwendung von Heilpflanzen griffen in der Regel aus einer Vielzahl von Indikationen und Autoren, die zur heutigen Indikation einer bestimmten Pflanze passenden Indikationen heraus. Der Ansatz der vorliegenden Arbeit ist insofern neu, als ein möglichst umfassender Vergleich eines einzelnen historischen Autors mit den aus heutiger Sicht als belegt geltenden Indikationen angestrebt wird. Um zu zeigen, ob die von einem untersuchten Autoren vergebenen Indikationen systematisch oder rein zufällig vergeben wurden, werden die per Zufall zu erwartenden „Treffer“ mit den beobachteten „Treffern“ verglichen. Die Indikationen des historischen Autors zu jeder Pflanze wurden anhand der folgenden Schritte bearbeitet: a) Identifikation der Pflanzen und Indikationen b) Zählen der Indikationen pro Pflanze c) Vergleich mit den aus heutiger Sicht als belegt geltenden Indikationen d) Zählen der Übereinstimmungen in vier abgestuften Bewertungskategorien (beobachtete „Treffer“) e) Statistischer Vergleich Im Ergebnis wird gefolgert, dass beide historischen Autoren dem Zufall signifikant in der Zuordnung von Indikationen überlegen sind. Tendenziell entspricht die Zuordnung durch Leonhart Fuchs eher den heute als anerkannt geltenden Indikationen, wobei dies nicht zwangsläufig mit einem geringeren Wissen Hildegards gleichzusetzen ist.
Casanova beschrieb in seinen Memoiren bei seinen amourösen Abenteuern eingehend den Gebrauch von Coitus interruptus und Kondomen zur Schwangerschaftsverhütung. Die Masturbation wurde von ihm eher im Zusammenhang mit der reinen sexuellen Triebstillung beschrieben. Die Vermeidung von Geschlechtskrankheiten stand für ihn beim Gebrauch von Kondomen nicht im Vordergrund. Zeitgenossen wie James Boswell, der Marquis d’Argens, der Comte de Mirabeau oder der Marquis de Sade beschrieben neben den von Casanova genannten Methoden zur Schwangerschaftsverhütung den Analverkehr, den Oralverkehr, das Einlegen von mit verschiedenen Mixturen getränkten Schwämmen in die Scheide und den Geschlechtsverkehr von Männern und Frauen untereinander, im Sinne der homosexuellen Liebe. De Sade hob sich bezüglich der Direktheit seiner Beschreibungen von allen anderen deutlich ab. Er schilderte mit großer Detailverliebtheit das, was sonst nur angedeutet wurde. Das Risiko der Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit wurde von ihm angesprochen. Anal- und Oralverkehr nannte er als konkrete Möglichkeiten der Vermeidung einer Infektion, wenngleich dieses aus heutiger Sicht nicht das Infektionsrisiko als solches verminderte, sondern nur den Infektionsort vom Genitalbereich an andere Stellen verlagerte. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß im 18. Jahrhunderts mit Masturbation, Oral- und Analverkehr, Gebrauch von Kondomen, Einlegen von getränkten Schwämmen in die Scheide und Coitus interruptus verschiedene Methoden zur Schwangerschaftsverhütung bekannt waren. Der Zugang zu entsprechender Literatur war aber nur dem kleinen, gebildeten Teil der Bevölkerung möglich. Entsprechende Bücher zu erwerben wurde durch die dazu notwendigen finanziellen Mittel weiter eingeschränkt. Die Tabuisierung des Themas durch die Kirche tat ein ihriges dazu, diese Erkenntnisse auf eine verhältnismäßig kleine Gesellschaftsgruppe zu beschränken. Die Vermeidung von Geschlechtskrankheiten mußte aus gesellschaftlichen Gründen hinter die Notwendigkeit der Schwangerschaftsverhütung zurücktreten.
Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit dem Beruf der Hebamme in Bayern und Württemberg in den Jahren 1870 bis 1945. Nachdem die Entwicklung des Hebammenberufs im süddeutschen Raum vom Mittelalter bis ins Jahr 1869, in dem die Gewerbefreiheit für Hebammen festgelegt wurde, aufgezeigt worden ist, beschäftigt sich der Hauptteil der Arbeit mit der Ausbildung, der finanziellen Lage, der sozialen Lage und der Berufsausübung der bayerischen und württembergischen Hebammen in der Zeit zwischen 1870 bis 1933. Ab dem Zeitpunkt der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens im deutschen Reich werden die oben genannten Gesichtspunkte für Bayern und Württemberg gemeinsam besprochen. Ein Vergleich stellt die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Hebammenwesens in den Jahren 1870 bis 1945 in Bayern und Württemberg heraus.
Hans Lungwitz, Arzt, Schriftsteller, Psychobiologie, Biographie, Theaterstücke: "Der Sündenfall", "Die Hetäre", "Gunhilds Traum", "Der Prophet im Vaterlande", "soziale" Romane: "Führer der Menschheit?", "Der letzte Arzt", "Neurosekundliche" Romane: "Lamias Leidenschaft", "Welt und Winkel", "Die Hetäre", Rezensionen, autobiographische Elemente, medizinische Aspekte
Zusammenfassung: Untersucht wurden die Pflanzenbemalungen in drei unterfränkischen Kirchen, die in ihrer Naturnähe und damit botanischen Korrektheit sowie in ihrer Intention differieren. Die Aufgabe der Arbeit war, soweit möglich eine botanische Bestimmung durchzuführen, nach Gründen für das Auftauchen von floralen Dekorationen in Sakralräumen allgemein und speziell für das Auftauchen einer bestimmten Species im speziellen zu suchen. Die drei betrachteten Kirchen unterscheiden sich zum einen in ihrer ursprünglichen Nutzung: "normale" Pfarrkirche, Hofkapelle eines Domherrenhofs und Betort einer Rosenkranzbruderschaft, die im Zuge der Gegenreformation unter Julius Echter gegründet wurde. Letztere diente wohl auch als repräsentative Schloßkapelle zum Schloß Büchold. Weitere Unterschiede sind in der Qualität der Ausmalung zu erkennen: Die Gotteshäuser in Rothenfels und im Seebacher Hof verfügen über Pflanzendarstellungen, die stark schematisiert sind, wobei die der Allendorfkapelle noch Ansätze von Naturbeobachtung erkennen lassen. Demgegenüber erscheinen die Fresken im Chor der Bücholder Pfarrkirche zwar auch leicht schematisiert, aber doch so nah an der Natur, daß wenigstens zum Teil eine Bestimmung bis auf die Art gelungen ist; bei einigen Exemplaren war dies jedoch nicht möglich. In letzterem Gotteshaus ist die Bemalung ein existentieller Teil des ikonographischen Konzeptes; Rothenfels läßt ein solches nicht erkennen; die Kapelle im Hof Luden entzieht sich einer Beurteilung diesbezüglich, da ihre Innenausstattung kriegsbedingt verbrannt ist. Das dortige Vorkommen von Ruta graveolens L., Rosa spec. und Tulipa spec. als bekannten Marienpflanzen macht ein früher erkennbares Konzept jedoch wahrscheinlich. Zur Kirche St. Nikolaus und Mariae Heimsuchung in Arnstein-Büchold: Der Chor ist in seiner Gesamtheit Teil des Ausstattungsprogramms der Kirche: er symbolisiert den hortus conclusus, den Garten, der Sinnbild nicht nur für die Gottesmutter ist. Innerhalb dieses Chorgartens lassen sich an den liturgisch wichtigen Stellen - Chorbogen, Chorhaupt und Schlußstein - durchweg bekannte Symbolpflanzen finden. Das Chorgewölbe ist in sich gegliedert in 50 Teile und korrespondiert direkt mit der Anzahl der Rosenkränze im Rosenkranzgebet; diese 50 Deckenteile bilden zusammen zwei vierzählige Blüten, die das Garten- oder Blumenmotiv verstärken. An Stellen, die ohne besondere Wichtigkeit sind, hat der Maler Wolfgang Ritterlein eine bunte Mischung aus einheimischen, fremdländischen und phantastischen Pflänzlein gestaltet, so daß in der Gesamtheit nicht nur ein umschlossener Garten, sondern auch eine Wunderkammer, ein Kuriositätenkabinett entsteht. - Damit erweist sich die Bemalung dieses Chors als eine schöne Symbiose aus symbolhafter Ausstattung und Repräsentation wie sie zu Beginn des Barocks nicht selten begegnet.
Diese Arbeit stellt die Entwicklung der Euthanasiedebatte in der Bundesrepublik Deutschland dar. Ausgangspunkt ist die historische Aufarbeitung des Euthanasiebegriffes. Dieser unterlag in seiner Bedeutung seit seinem Ursprung einer starken Veränderung. Die Arbeit stellt grundsätzliche Überlegungen an, um die häufig emotional geführten Diskussion zu versachlichen. Dazu zieht sie neben den ethischen auch medizinsche und juristische Aspekte zur Diskussion heran. Ergänzend werden aktuelle Fälle und deren Implikationen aus den USA, der Schweiz und den Niederlanden mit einbezogen.
Der Arzt und Philosoph Hans Lungwitz (1881-1967) schuf nach Jahren der Tätigkeit als Sozialreformer und praktischer Arzt und nach intensiver Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse eine eigene Weltanschauungslehre, die Psychobiologie, deren Kernstück die Lösung des Leib-Seele-Problems bildet. Die Entstehung des Bewusstseins ist Lungwitz zufolge an die Hirnfunktionen gekoppelt und damit rein biologischer Natur – die Seele ist nicht existent. Auf insgesamt mehr als 5000 Seiten - in einem achtbändigen ,Lehrbuch der Psychobiologie’ sowie drei weiteren Büchern – wandte er seine Erkenntnisse auf sämtliche Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften an und entwickelte eine eigene Form der Psychotherapie, die er Erkenntnistherapie nannte und mit der er vierzig Jahre lang Patienten behandelte. Trotz zahlreicher Anstrengungen gelang es ihm nicht, seine Lehre zu etablieren. In dieser Arbeit wird die Resonanz auf die Psychobiologie Lungwitz’ in Form von binnen fünfzig Jahren in Fachzeitschriften und in der Tagespresse erschienener Rezensionen untersucht. Des weiteren werden mögliche Gründe für den ausgebliebenen Durchbruch der Psychobiologie erörtert.
Die Medizin wird in unserer Kultur als "Wissenschaft" anerkannt. Wenn man jedoch über die Gründe für ihre "Wissenschaftlichkeit" nachdenkt, werden sie immer undeutlicher und man wird auf die Wissenschaftstheorie bzw. auf die Metamedizin verwiesen. Dort wiederum stellt sich das Erkenntnisproblem in genere, was den Blick in Richtung Philosophie drängt. In dieser Arbeit wird die gnoseologische Erkenntnislehre von Werner Flach vorgestellt, die derzeit als einzige eine ungebrochene Basis für die Beschreibung der Medizin als Wissenschaft bereit stellt. Damit werden die Grundzüge einer Wissenschaftstheorie diskutiert, die auch für die Metamedizin von Bedeutung sind.
Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist das Leben und Werk des deutschen Pharmakologen und Toxikologen Wilhelm Neumann (11. Februar 1898 - 15. April 1965). Wesentliche Erkenntnisse hierzu konnten aus Aktenbeständen des Bundesarchivs der Bundesrepublik Deutschland in Berlin-Lichterfelde, Freiburg im Breisgau, und Koblenz, des Dekanatsarchiv der Medizinischen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg, des Archivs der „Deutschen Gesellschaft für experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie“ in Mainz, des Scheringianums, dem Archiv der Schering AG in Berlin, des Staatsarchivs Würzburg und des Universitätsarchivs der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg gewonnen werden. Von 1919 bis 1923 studierte Wilhelm Neumann in Berlin Chemie und promovierte in der chemischen Abteilung des Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten „Robert Koch“ zum Dr. phil. Im Jahr 1924 trat er eine Stelle als Privatassistent am Pharmakologischen Institut der Universität Würzburg unter der Leitung Ferdinand Flurys an. Parallel zu seiner Arbeit am Pharmakologischen Institut studierte er von 1929 bis 1934 an der Universität Würzburg Humanmedizin und promovierte zum Dr. med. 1937 folgte seine Habilitation und die Ernennung zum Dozenten. Weitere Stationen seiner wissenschaftlichen Laufbahn am Pharmakologischen Institut waren die Ernennungen zum planmäßigen Assistenten 1939, zum Konservator 1941 und zum außerplanmäßigen Professor 1942. Im Jahr 1937 nahm Wilhelm Neumann als Arzt der Reserve seine militärische Karriere im Sanitätsdienst der Wehrmacht auf. Während des Zweiten Weltkrieges war er als „beratender Arzt“ und als Wissenschaftler für die Wehrmacht tätig. Neumanns politischer Werdegang begann im Juli 1933 mit seinem Beitritt zur Veteranenorganisation Stahlhelm. Im Februar 1934 wurde er Mitglied der SA, und ab dem 1. Mai 1937 gehörte er der NSDAP an. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Neumann im Zuge des Entnazifizierungsprozesses 1946 aus dem Staatsdienst entlassen. Das 1947 ergangene Spruchkammerurteil reihte ihn in die Gruppe der „Mitläufer“ ein. Infolgedessen konnte er 1948 wieder von der Universität Würzburg eingestellt werden. Im Jahr 1949 wurde er dort zum ordentlichen Professor für Pharmakologie und Toxikologie berufen. Von 1954 bis 1955 übte er das Amt des Dekans der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg aus. Am Pharmakologischen Institut der Universität Würzburg untersuchte Neumann zunächst die Chemie und Pharmakologie der herzwirksamen Glykoside. Ihm gelang auf diesem Gebiet die Reindarstellung eines neuen Wirkstoffs, der 1935 von der Firma Schering im Herzinsuffizienztherapeutikum Folinerin auf den Markt gebracht wurde. Auf toxikologischem Gebiet arbeitete er von 1925 bis 1945 mit Ferdinand Flury an gewerbetoxikologischen Projekten und in der chemischen Kampfstoff-Forschung. Als ordentlicher Professor widmete sich Wilhelm Neumann dann neben eigenen toxikologischen Arbeiten der Förderung der Toxikologie als Fachrichtung. Zu Beginn der 1950er Jahre befasste er sich mit tierischen Giften und erforschte die Toxikologie der Reizgase und der Luftverschmutzung. Von 1955 bis 1965 war Wilhelm Neumann Vorsitzender der DFG-Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe.
Die Arznei- und Kräuterbücher des Mittelalters enthalten eine große Zahl frauenheilkundlicher Rezepte. Da die Rezepte jedoch unsystematisch und weit verstreut vorliegen, konnten bislang nur bedingt qualifizierte Schlußfolgerungen - etwa über die Häufigkeit bestimmter Indikationen - gezogen werden. Die Verfasserin hat aus einem repräsentativen Querschnitt von 27 als Edition vorliegenden Arznei- und Kräuterbüchern rund 900 Rezepte quantitativ und qualitativ ausgewertet. Dabei wurde u.a. nach der Häufigkeit der einzelnen Indikationen, Anwendungen und Heilmitteln, nach der Wirksamkeit der empfohlenen Behandlungen, nach der Rolle der Patientin sowie nach überlieferungsgeschichtlichen Entwicklungen gefragt. Einige der interessantesten Ergebnisse: Die blutungsfördernden (emmenagogen) Rezepte stellen mit Abstand die größte Indikationsgruppe dar, wobei oft klar zwischen solchen Rezepten unterschieden wird, die eine Blutung zum Zwecke der Gebärmutterreinigung auslösen und solchen, die eine Menstruationsblutung herbeiführen wollen. Aus pharmakologischer Sicht ist die Grenze zwischen menstruationsfördernden und abortiven Rezepten fließend. Die Auswertung ihrer Wirksamkeit und ihres Kontextes zeigt, daß bei mehr als 10% der untersuchten Rezepte Kenntnisse über Abortivmittel und ihrer Anwendungen sicher vorausgesetzt werden können. Unter den treibenden Rezepten fand sich der größte Anteil an Verordnungen, die aus heutiger Sicht medizinisch wirksam sind. Bei den Gebärmutter- und Brusterkrankungen dagegen zeigt sich große Ratlosigkeit in Diagnose und Behandlung. Ein wichtiges Ergebnis ist die im Rahmen der Untersuchung aufgebaute Datenbank. Sie ist in Form zweier Tabellen abgebildet. Außerdem ist jedes Rezept im Wortlaut abgedruckt und mit einem Kommentar zu Indikation, Inhaltsstoffen, Anwendung, Parallelüberlieferungen und Besonderheiten versehen. Man kann nun frauenheilkundliche Rezepte nicht edierter Handschriften oder noch nicht ausgewerteter Editionen mit dem umfangreichen Datenbestand vergleichen, ohne sich durch Hunderte von Textseiten arbeiten zu müssen. Die Datenbank soll weiter ausgebaut und - sofern sich die nötige Unterstützung dazu findet - auch elektronisch zugänglich gemacht werden.
Scanzoni in Würzburg
(2003)
Die biographische Arbeit beschäftigt sich mit dem aus Prag stammenden Gynäkologen und Geburtshelfer Friedrich Wilhelm Scanzoni von Lichtenfels (1821-1891), der an der Universität Würzburg 40 Jahre lang gelehrt hat. Seine Arbeit war bedeutend für die Universität, er gründete eine neue Würzburger Frauenklinik, seine Lehrbücher und Forschungsarbeiten förderten entscheidend die Gynäkologie in Deutschland, und nicht zuletzt profitierte auch die Stadt Würzburg von seiner europaweiten Berühmtheit als Frauenarzt. Eingebettet in einen historischen und fachhistorischen Rahmen werden sein Leben, sein Werk und seine Wirkungsgeschichte dargestellt, dabei auch umstrittene Themen wie seine Einstellung zum Kindbettfieber aufgearbeitet. Besonders prägend für seine Krankheitslehre war die um 1850 durch die Arbeit Virchows neu aufblühende pathologische Anatomie. Scanzoni selbst beschritt forschend viele neue Wege, wie z.B. bei der Zangengeburt bei hinterer Hinterhauptslage. Seine zahlreichen Publikationen, darunter das bekannte Lehrbuch der Geburtshilfe, werden in ihrer Resonanz beleuchtet, aber auch die Höhen und Tiefen seines Weges von der individuellen Seite her betrachtet. Zahlreiche Quellen aus der internationalen Fachliteratur wurden eingearbeitet, wie auch Persönliches, darunter insbesondere der Adelsbrief in Bild und Text. Es entstand ein umfassendes Bild eines bedeutenden Arztes und Forschers, der nicht vergessen werden sollte.
Im Jahre 1846 gründete der Zahnarzt Carl Wilhelm Ludwig Schmedicke Deutschlands erste zahnmedizinische Fachzeitschrift mit dem Titel ,Der Zahnarzt'. Die vorliegende Dissertation gibt einen Einblick in die Darstellung der zahnärztlichen Chirurgie in dieser Zeitschrift und ermöglicht einen Vergleich mit den chirurgischen Therapievarianten der heutigen Zeit.
Der nahezu vergessene Beitrag von Hans Lungwitz (1881-1967) zur Reform des Gesundheitswesens kann - retrospektiv betrachtet - als äußerst bemerkenswert gelten. Schon die Art der Präsentation seiner sozialreformerischen Gedanken läßt aufhorchen: So äußert er sich nicht nur in Zeitschriftenartikeln zu diesem Thema, sondern nutzt auch sozialkritische Arztromane als „Medium“ zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Um seinen Ideen weitere Präsenz zu verschaffen, gibt er eine Denkschrift mit dem Titel ‚Die Verstaatlichung des Heil- und Fürsorgewesens’ heraus. Lungwitz behandelt in seinem sozialreformerischen Werk ein breites Themenfeld. Er beanstandet in seinen Schriften die Institution Ehrengericht, die einen übertriebenen bzw. falschen Ehrbegriff geschaffen habe, die Ärztekammern und deren Wahlmodus, aber auch andere Standesvertretungen wie beispielsweise den ‚Leipziger Wirtschaftlichen Verband’ und dessen Art der Interessenpolitik. Ferner beanstandet er die schlechten Honorarverhältnisse, bzw. die allgemeine Notlage der Ärzte, insbesondere in bezug auf das Kassenarztwesen. Er kritisiert aber auch die Ärzte selbst, indem er die Standesvertreter mehrheitlich als unfähig und die Mehrzahl der Mediziner als lethargisch gegenüber sozialpolitischen Belangen bezeichnet und ihren vermeintlichen Mangel an Kollegialität sowie ihren „Standesdünkel“ beklagt. Des weiteren werden die „Kurpfuscherei“ und ihre Gefahren, die unzureichenden hygienischen Verhältnisse und Fehler in der Sozialfürsorge thematisiert. Auch die ärztliche Ausbildung und das Verhalten des Staates gegenüber den Ärzten werden beleuchtet. Lungwitz verharrt jedoch nicht in bloßer Kritik, sondern unterbreitet überdies detaillierte Reformvorschläge. Bei einer Gegenüberstellung der Lungwitzschen Kritikpunkte am Gesundheitswesen, bzw. der hieraus resultierenden Reformvorschläge, und der zeitgenössischen Ärztepolitik wird deutlich, daß Lungwitz in Teilbereichen mit den allgemeinen Ansichten der organisierten Ärztevertreter übereinstimmt, wie z.B. in bezug auf die Bewertung der Honorarverhältnisse und die Geringschätzung kaufmännischer Ideale, die Mißstände im Kassenarztwesen, die „Kurpfuscherei“ und die Forderung nach „freier Arztwahl“. In anderen Bereichen ist er jedoch völlig anderer Ansicht als die zeitgenössische Ärzteschaft: Er fordert die Abschaffung der Ehrengerichte, eine Reform des Kammersystems und des ‚Leipziger Wirtschaftlichen Verbandes’, eine der Zeit angepaßte Umgestaltung des Medizinstudiums und eine Modifikation des Krankenkassenwesens. Überdies gibt es Bereiche, die von der allgemeinen ärztlichen Standespolitik zwar ebenfalls behandelt werden, denen bei weitem aber nicht der Stellenwert zugedacht wird wie in den Lungwitzschen Arbeiten. Als Beispiel hierfür können die Mißstände im Krankenkassenwesen oder in der Säuglingshygiene gelten. Nach und nach reift in Lungwitz eine Idee, wie man diesen zahlreichen Mißständen wirksam entgegentreten könne. Er sieht die Lösung in einer radikalen Reform des Gesundheitswesens. Lungwitz fordert – obwohl er anfangs diesem Gedanken eher skeptisch, wenn nicht gar ablehnend gegenüberstand – letztlich die Verstaatlichung des Gesundheitswesens und die Verbeamtung der Ärzte. Das Krankenkassenwesen solle unter staatlicher Organisation in einer Staats- und Reichsversicherung vereinigt werden, finanziert durch eine dem Gehalt angepaßte Gesundheitssteuer. Die Ärzte sollten Beamte der staatlichen Gesundheitsämter werden, der Eintritt in den Staatsdienst sei ihnen jedoch freizustellen. Bezahlt würden die staatlichen Ärzte mit einem Fixum, bestehend aus einem Grundgehalt, einer Dienstalterszulage und einer Leistungszulage, wobei sie die gleichen Rechte wie alle anderen Staatsbeamten, wie z.B. Anspruch auf eine Rente, erhalten sollten. Um die Betreuung der Kranken effektiver zu gestalten, wünscht Lungwitz, daß sich jeder Arzt um nicht mehr als 1.000 Versicherte zu kümmern brauche. Ferner schwebt ihm die Einführung von Diagnoseinstituten und Therapiezentren vor – um nur einen groben Abriß seiner Ideen zu geben. Lungwitz ist indessen nicht der einzige, der sich in der damaligen Zeit zu einer möglichen Reform des Gesundheitswesens äußert. Auch vor seiner Zeit wird der Gedanke der Verstaatlichung diskutiert, und auch Zeitgenossen von Lungwitz treten mit entsprechenden Veröffentlichungen hervor. Exemplarisch werden dem Lungwitzschen Verstaatlichungsmodell in dieser Arbeit die Vorschläge von Ernst Neumann gegenübergestellt. Hierbei wird deutlich, daß es bemerkenswerte Übereinstimmungen gibt, etwa in bezug auf die von beiden geforderte Verbeamtung der Ärzte und deren Honorierung mit einem Fixum bei zusätzlicher Vergütung bestimmter Einzelleistungen. Wenn man den Lungwitzschen Beitrag aus heutiger Sicht betrachtet und den Versuch unternimmt, seine Reformvorschläge für das damalige Gesundheitswesen im bestehenden Gesundheitssystem aufzuspüren, fällt auf, daß nicht wenige der von Lungwitz geforderten Veränderungen realisiert sind: Beispiele sind die Zulassungsbeschränkung zum Medizinstudium, die Ausweitung der wirtschaftlichen Existenzmöglichkeiten der Ärzte, die Zurückdrängung der Ehrengerichte und die Erweiterung des Krankenkassenwesens. Andererseits sind viele der von Lungwitz geäußerten Kritikpunkte am Gesundheitswesen auch heute noch virulent, wie die ärztliche Honorarfrage, die extensive Behandlung im Kassenarztwesen durch einen zu hohen Patientendurchlauf in den Praxen, die Arbeit der ärztlichen Standesvertreter, die sogenannte „Cliquenwirtschaft“, der Mangel an Kollegialität unter den Ärzten und die praxisferne Ausbildung der Medizinstudenten. Die Suche nach einem Gesundheitssystem im europäischen Ausland, das eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Lungwitzschen Modell aufweist, führt zum ‚National Health Service’ in Großbritannien – ein System, das bei allen Nachteilen zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht als effizienter und à la longue besser finanzierbar gelten kann als das in der Bundesrepublik Deutschland bestehende Sozialversicherungssystem. Obwohl die einschlägigen Lungwitzschen Veröffentlichungen überaus positiv rezensiert wurden, erfuhr Lungwitz’ sozialreformerisches Werk von seinen Zeitgenossen nicht die erhoffte Beachtung. In der Retrospektive jedoch beweist Lungwitz mit Teilen seines sozialreformerischen Modells – bei allen Unzulänglichkeiten im Detail – einen bemerkenswerten Weitblick.
Bei der vorliegenden Dissertation handelt es sich um eine Ergobiographie, die sowohl den Menschen Gerhard Steinhardt, als auch sein wissenschaftliches Wirken beleuchtet. Gerhard Steinhardt wurde am 24.05.1904 in Damerkow in Pommern geboren. Er begann seine Studien in dem Fach Chemie, um sich dann der Zahnmedizin und später der Medizin in Heidelberg zuzuwenden. Steinhardt, der sich zur Wissenschaft und Lehrtätigkeit hingezogen fühlte, erhielt eine Assistentenstelle am Zahnärztlichen Institut der Universität Köln bei Prof. Zilkens und leitete die prothetische Abteilung. 1935 verlieh man Steinhardt für seine Habilitationsschrift „Untersuchungen über die Beanspruchung der Kiefergelenke und ihre geweblichen Folgen“ die Dozentur. Zwischen 1935 und 1937 war er unter Hofrat Prof. von Haberer Assistent an der Chirurgischen Universitätsklinik Bürgerspital in Köln tätig. 1937 folgte er dem Ruf des japanischen Kultusministeriums für 3 Jahre an die Staatliche Zahnärztliche Hochschule in Tokio. 1939 ernannte man Steinhardt zum apl. Professor. 1940 begann er seine Tätigkeit als Oberarzt unter Prof. Dr. Hofer an der Charité in Berlin. Nach 1945 verließ er Berlin und ließ sich als praktizierender Zahnarzt in Satrup bei Flensburg nieder. Doch sein Interesse an Lehrtätigkeit und Forschung wachte noch immer in ihm und so nahm er unter Prof. Hammer den Lehrauftrag für Kieferchirurgie an der Universität Kiel an. 1952 wurde Steinhardt Leiter der neugegründeten Kieferklinik am Städtischen Krankenhaus Bremen, Sankt-Jürgen-Straße. Die Berufung als oö. Professor und Klinikdirektor an die Julius-Maximilians-Universität Würzburg erfolgte 1957. 1961 nahm Steinhardt eine Gastprofessur an der Medizinischen Fakultät in Alexandria/Ägypten an. 1962 erreichte ihn der Ruf an die Universität Erlangen, wo er zum ao. Professor und Direktor der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten ernannt wurde. 1965 und 1967 wählte man Steinhardt zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Die Emeritierung von Prof. Dr. Dr. Gerhardt Steinhardt erfolgte 1973. Am 18. Juni 1995 verstarb Prof. Steinhardt in Feldafing bei München. Er erhielt mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen in nationalen und internationalen Zeitschriften über Themen wie Wurzelspitzenresektionen, Speicheldrüsenerkrankungen und Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten große Anerkennung. Sein Hauptaugenmerk galt jedoch der Physiologie und Pathologie des Kiefergelenkes.
Der Zahnersatz in Jacob Callman Linderers Schrift "Lehre von den gesammten Zahnoperationen" (1834)
(2003)
Jacob Callman Linderer war einer der bekanntesten Zahnheilkundler seiner Zeit. Am Übergang von der alten, nichtwissenschaftlichen zur modernen Zahnmedizin stehend, leistete er nicht nur auf dem Gebiet des Zahnersatzes Bedeutendes. Als 1834 sein wichtiges Buch ‚Lehre von den gesammten Zahnoperationen’ herauskam, arbeitete Linderer schon 40 Jahre als Zahnheilkundler bzw. -operateur. Auch in den Kapiteln über den Zahnersatz werden Linderers Erfahrungsfülle und sein großes praktisches Wissen und Können deutlich. Obwohl er sich oft auf andere zahnärztliche Autoren beruft, die in der Regel aus dem französischen Kulturraum stammen, hat man bei Linderer den Eindruck, dass er sich bei seinen Ausführungen vor allem auf seine eigene Erfahrung verlässt. Nach einem Überblick über die Forschungslage zu Jacob Callman Linderer und die Geschichte der Zahnheilkunde vom 16. bis zum 19. Jahrhundert werden dann in eigenen Kapiteln das Leben und die Werke Linderers erörtert, vor allem seine ‚Lehre von den gesammten Zahnoperationen’ (1834). Nach der Edition der Kapitel zum Zahnersatz aus dieser Schrift folgt ein Kommentar dieser Textabschnitte. Zuerst gibt Linderer einen Überblick über die Geschichte des Zahnersatzes, beginnend bei den Römern, endend im 19. Jahrhundert. Zweck dieses historischen Abrisses bei Linderer ist das Faktum, dass er sich selbst als legitimen Vollender und Fortentwickler der Geschichte vom Zahnersatz herausstellen kann. Linderer beherrschte die Möglichkeiten des Zahnersatzes in vollem Umfang. Bedeutend für ihn war der Zahnersatz nicht nur für kosmetisch-ästhetische Zwecke, sondern auch zur Wiederherstellung des natürlichen Kau- und Sprechvermögens. Linderer verwendete für seine Ersatzzähne und -gebisse die verschiedensten Materialien wie Walrosszähne und Porzellan. Er nennt die Möglichleiten des Zahnersatzes aus Elfenbein und aus Menschenzähnen. In einem weiteren Kapitel diskutiert Linderer die verschiedenen Fixierungsarten des Zahnersatzes. Sollen nur einzelne Zähne ersetzt werden, bietet sich als beste Lösung der Zahnersatz mit Stiftzähnen an. Beim gleichzeitigen Ersatz mehrerer Zähne sollen diese auf Platten befestigt werden. Weitere Abschnitte beschäftigen sich mit der Verbindung von künstlichem Ober- und Untergebiß mit Federn und mit den für den Zahnarzt des 19. Jahrhunderts sehr wichtigen Techniken des Lötens, die damals schon sehr fortentwickelt waren. Es wird herausgearbeitet, daß Jacob Callman Linderer die vielfältigsten Methoden und Techniken des Zahnersatzes des 18. und frühen 19. Jahrhunderts voll beherrschte und diese auch entscheidend fortentwickelte. Jacob Callman Linderer kann daher mit Recht als Pionier des Zahnersatzes und der wissenschaftlichen Zahnmedizin des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts gelten.
Ludwig Crons Zahnextraktionsschrift, ein kleines Lehrbuch für Wundärzte in der Ausbildung, beruht insbesondere auf der langen Erfahrung des Autors als praktizierender Wundarzt und Leibchirurg. Dies wird immer wieder deutlich, vor allem auch an den sehr zahlreichen Fallbeispielen, mit denen er seine Aussagen belegt. Cron ist als geschickter Zahnheilkundiger in der Lage, sehr anschaulich, kenntnisreich und detailliert die verschiedenen Bereiche der Zahnextraktion darzustellen und auf diese Weise den zahnmedizinisch-wundärztlichen Nachwuchs sachkundig zu unterrichten. Diese praktische Unterrichtung ist ja eines seiner Hauptziele, die er mit seiner Schrift verfolgt. Seine Ausführungen beruhen auch auf der zeitgenössischen zahnärztlichen und chirurgischen Literatur, die er in opulenter Weise ausschöpft und auswertet. Dies ist ein Hinweis darauf, daß sich Ludwig Cron sehr gut in der damaligen Literatur seines Fachgebietes ausgekannt haben muß und sehr belesen war. Hie und da streut er auch lateinische Sentenzen in seinen Text ein. Dies ist jedoch kein Hinweis darauf, daß er als Wundarzt die damalige Wissenschaftssprache zumindest passiv beherrschte. Ziel der lateinischen Einsprengsel wird eher der Wunsch des Autors sein, bei seinen Lesern als besonders gelehrt zu erscheinen. Es ist zu betonen, daß der Autor als Kompilator zahnmedizinischen Wissens zu bezeichnen ist und eigentlich wenig Neues für sein Fachgebiet geleistet hat. Er ist auf der Höhe des zeitgenössischen zahnmedizinischen Wissens, ohne jedoch innovativ zu sein. Dies intendiert Cron aber auch gar nicht. Vielmehr ist es sein Anliegen, ein kompetenter Lehrer des Chirurgennachwuchses und Vermittler praktischen Wissens zu sein. Die Extraktionsschrift Ludwig Crons ist von großer Bedeutung für die zahnmedizinhistorische Forschung. Denn sie gibt z. B. viele Hinweise zum damaligen chirurgischen Standeswesen. Ludwig Cron spricht sich immer wieder energisch gegen die zeitgenössischen Quacksalber und Scharlatane aus, die als Marktschreier von Ort zu Ort zogen, auf den Marktplätzen den Star stachen oder Zähne zogen und durch dieses Verhalten das Ansehen der seriösen Wundärzte in Frage stellten. Auf der anderen Seite betont der Autor häufig die Seriosität seines wundärztlichen Berufs, die ihm sogar die hohe Position eines fürstlichen Leibchirurgen eingebracht habe. Der Medizinhistoriker erfährt durch die analysierte Schrift sehr viel über weitere Aspekte der Zahnheilkunde in der Zeit um 1700: über Extraktionsinstrumente, über die verschiedenen Methoden der Extraktion von Zähnen im Unter- und im Oberkiefer, über die Lagerung des Patienten beim Zahnziehen, über Komplikationen nach dem Eingriff (Geschwülste, heftige Blutungen) und wie diese zu beherrschen sind, über Zahnkrankheiten als Todesursache und über die (angeborenen) Deformationen der Zähne und des Gebisses. Es fällt auf, daß der Autor als Beleg für seine Aussagen oft anschauliche Beispiele aus der Antike heranzieht (Prusias, Pyrrhos, Plutarch). Über die Auflage und die Verbreitung von Ludwig Crons Zahnextraktionsschrift kann heute nichts mehr gesagt werden. Analysiert man den Inhalt des Werkes, kommt man zur Auffassung, daß das vom Autor anvisierte Lesepublikum aus Wundärzten in der Ausbildung bestand. Diesen sollte ein solides Wissen beigebracht werden, auch um zu verhindern, daß diese Klientel dereinst auf das Niveau der marktschreierischen Zahnbrecher herabsinkt. Mit dieser Schrift hat Ludwig Cron sicher dazu beigetragen, dem Stand der Zahnheilkundigen einen Weg zu weisen, der erfolgreich werden sollte: den langen Weg zur Konsolidierung und Verselbständigung des Zahnärztestandes, der ohne solide Ausbildung nicht zum Ziel geführt hätte.
Edition einer Hörermitschrift über eine von Rudolf Virchow 1852/53 während seiner Würzburger Jahre gehaltenen Vorlesung über Specielle pathologische Anatomie. Thema hier waren seine teilweise revolutionären Entdeckungen im Bereich der Organsysteme Herz, Arterien, Venen, Milz, Nervensystem, Niere, GI-Trakt, Leber, Lunge und Pankreas. Vergleich mit anderen, früher veröffentlichten Hörermitscriften.
Bei der vorliegenden Dissertation handelt es sich um eine Ergobiographie, die sowohl den Menschen Friedrich Schröder, als auch sein wissenschaftliches Wirken beleuchtet. Friedrich Schröder wurde am 14. April 1912 in Frielendorf bei Kassel geboren. Nach seinem Zahnmedizin- und Medizinstudium in Marburg und München, war er sowohl in Hamburg, unter Prof. Schuchardt`s Leitung, als auch in Düsseldorf und Bonn als Oberarzt in der Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in den jeweiligen Universitätskliniken tätig. Nach seiner Habilitation im Jahre 1960 war er vom 1. Dezember 1963 bis zum 30. April 1981 Leiter der Kieferchirurgischen Abteilung der Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten in Würzburg. Neben zahlreichen Ehrenmitgliedschaften in in- und ausländischen Fachgesellschaften wurde ihm am 22. September 1981 das Bundesverdienstkreuz verliehen. Über 100 Veröffentlichungen im in- und ausländischen Schriftum entspringen seiner Feder. Seine besondere Hingabe galt jedoch den Spaltpatienten. Die Würzburger Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie wurde somit zum Zentrum der Spaltchirurgie in Bayern. Am 28. Juli 1996 verstarb Prof. Dr. Dr. Friedrich Schröder in Würzburg.
Professor Johannes Sobotta (1869 - 1945) forschte und lehrte als Anatom in Berlin, Würzburg, Königsberg und Bonn. Sein 1904 erstmalig erschienener "Atlas der deskriptiven Anatomie des Menschen" wurde in 14 Sprachen übersetzt und gehört auch in der 21.Auflage noch immer zur Standard-Literatur der medizinischen Ausbildung. Die vorliegende Dissertation gibt einen umfassenden Einblick in Sobottas Lebenswerk unter besonderer Berücksichtigung seiner Würzburger Zeit.
António Caetano de Abreu Freire Egas Moniz wurde im Jahre 1874 in Avanca,im Norden Portugals geboren. Hier verbrachte er den größten Teil seiner Kindheit, bevor er im Gymnasium von Viseu zur Schule ging, die er schließlich mit dem Abitur abschloß.1891 schrieb er sich an der Universität Coimbra ein. Hier absolvierte er das Studium der Medizin, das er 1899 mit Auszeichnung beenden konnte. 1901 heiratete Egas Moniz die ursprünglich aus Brasilien stammende Elvira de Macedo Dias. Im Jahre 1902 begann Moniz seine universitäre Laufbahn als Dozent in Coimbra. Nach mehreren Frankreichaufenthalten an Kliniken in Bordeaux und Paris wurde er 1911 an den Lehrstuhl für Neurologie nach Lissabon berufen. Durch seine wissenschaftlichen Werke - die zerebrale Angiographie und die Leukotomie - wurde er jedoch weit über die Grenzen Portugals hinaus bekannt. Moniz’ politische Laufbahn fand ihren Höhepunkt zunächst in seiner Tätigkeit als Botschafter in Spanien und schließlich in der Funktion des Außenministers (1918). In den 20er Jahren widmete sich Moniz wieder verstärkt seiner wissenschaftlichen Karriere. 1927 gelang ihm die erste zerebrale Arteriographie am Lebenden. Seine Ergebnisse stellte er kurze Zeit nach der ersten gelungenen Aufnahme in Paris vor. Die Leukotomie - ein Aufsehen erregendes psychochirurgisches Verfahren - entwickelte Moniz dagegen erst Mitte der 30er Jahre. Moniz leitete seinen langjährigen Mitarbeiter Almeida Lima an, das Verfahren an einer ersten heterogenen Gruppe von 20 psychisch auffälligen Patienten zu erproben. Technisch wurde zunächst eine Durchtrennung der weißen Hirnsubstanz mittels Alkoholinjektionen angestrebt, die letztlich durch eine Läsion mit der Hilfe eines eigens entwickelten Schlingenwerkzeugs, des Leukotoms, abgelöst wurde. Auch diesmal stellte Moniz seine Ergebnisse einem Pariser Fachpublikum vor, schrieb darüber hinaus die Monographie „Tentatives operatoires de certaines psychoses“, in welcher er nicht nur die Operationsmethode erklärte und die Ergebnisse zusammenfaßte, sondern auch Fallbeschreibungen der einzelnen Patienten dokumentierte. Die gespaltenen Reaktionen der Fachwelt reichten von enthusiastischer Anerkennung bis hin zu totaler Ablehnung. Auch die Verleihung des Nobelpreises im Jahre 1949 ließ Moniz Kritiker nicht verstummen. Bis heute dauert die Diskussion um die Leukotomie und um ähnliche psychochirurgische Eingriffe an, ohne daß es bis dato zu einer einheitlichen Bewertung von Moniz’ Operationsversuchen gekommen wäre. Anhand der uneinheitlichen Bewertungen von Moniz’ angeleiteten und dokumentierten Behandlungsversuchen läßt sich ablesen, wie stark die ethische Sichtweise dem jeweils vorherrschenden Zeitgeist unterworfen war. So fällt auch aus heutiger Sicht eine Bewertung unter Zugrundelegung historischer Rahmenbedingungen anders aus, als unter ausschließlicher Berücksichtigung aktueller ethischer Kriterien und Leitlinien: Aus heutiger Perspektive lassen sich überzeugende Argumente finden, die Moniz’ Eingriffe in ethischer Hinsicht eindeutig desavouieren. Es läßt sich - schon angesichts der heterogenen Zusammensetzung, der geringen Gesamtzahl der Leukotomierten und der in keiner Weise standardisierten Ergebnisinterpretation - zweifelsfrei nachweisen, daß zu keinem Zeitpunkt ein Wirksamkeitsnachweis erbracht werden konnte. Ferner widerspricht Moniz’ Auswahl der Patienten auf der Grundlage ihrer Verfügbarkeit zumindest aus heutiger Sicht dem Prinzip des Informed Consent. Ein Blick auf den historischen Kontext läßt eine Bewertung vergleichsweise milder ausfallen. Die Konzepte von Gesundheit und Krankheit sind - ebenso wie ihre ethische Bewertung - dem jeweiligen Zeitgeist unterworfen. Auch das Informed Consent-Prinzip läßt sich nicht ohne weiteres in jene Zeit übertragen ohne nach dem in der damaligen Gesellschaft vorherrschenden Bild des Psychiatriepatienten zu fragen. Ebenso gilt es, die zur fraglichen Zeit verfügbaren Behandlungsoptionen zu berücksichtigen. Im Laufe der Zeit hat sich nicht nur die Grundeinstellung zur Leukotomie sondern auch die Haltung zu den verantwortlichen Personen gewandelt. Angesichts der sich in jüngerer Zeit mehrenden positiven Stimmen, die ein Wiederaufleben psychochirurgischer Eingriffe für gerechtfertig halten, erscheint es keinesfalls abwegig, daß unsere Gesellschaft schon bald herausgefordert sein wird, die Diskussion erneut aufzunehmen.
Bis heute wurden acht Handschriften der Wundarznei des Heinrich von Pfalzpaint entdeckt. Nach einer Revision der „Breslauer Handschrift“ wurde am Medizinhistorischen Institut der Universität Würzburg bereits mit einer textkritischen Gesamtedition aller bisher bekannten Pfalzpaint-Texte begonnen. Was nun die Konzeption und die Makrostruktur der vorliegenden Studie angeht, hat sich die Grobgliederung in einen allgemeinen Teil, einen Kommentar zur ‚Wündärznei‘ und einen pflanzenmonographischen Abschnitt bewährt. Somit kann sowohl über den Pfalzpaintschen Text ein schneller Zugriff auf den alphabetisch geordneten Pflanzenteil erfolgen. Aber auch der umgekehrte Weg ist möglich, da in den einzelnen Monographien stets sämtliche Synonymnamen sowie die Indikationsbereiche mit genauer Kapitelnummer angegeben wurden. Durch Erstellen eines Kommentars konnten zunächst zahlreiche wundärztliche Begriffe geklärt und der Textinhalt in eine heute verständliche Sprache gebracht werden. Dabei muß festgehalten werden, daß die am Ende der ‚Wündärznei‘ positionierten Pestrezepte mit großer Wahrscheinlichkeit nicht von Pfalzpaint stammen, sondern zu einem späteren Zeitpunkt angehängt wurden. Textaufbau, Schreibstil, verwendete Fachtermini und das Fehlen in Pfalzpaints Register sprechen für diese Annahme. In der vorliegenden Studie wurden alle arzneilich verwendeten Pflanzen registriert, auch wenn es nicht möglich war, jede mit absoluter Sicherheit zu identifizieren. Hier hat sich das bereits in der Einleitung erwähnte Differenzierungsschema bewährt. Es ermöglicht, daß man schon bei Betrachtung der Pflanzenkapitel anhand der Identifikationsklassen I-V sofort erkennen kann, ob es sich um eine eindeutig identifizierte Pflanze handelt. Bei unsicherer Zuordnung erfolgt in der Monographie jeweils eine argumentative Abwägung der konkurrierenden Identifikationsmöglichkeiten. Nun möchte ich, um hinsichtlich der Identifizierung der Statistik zu genügen, noch einige Prozentangaben bereitstellen: Bei der Auswertung der fünf erwähnten Identifikationsklassen konnte festgestellt werden, daß fast zwei Drittel der verwendeten Pflanzen (65%) bereits über den Namen zu identifizieren waren. Durch Pfalzpaints Nennung von Synonymen, botanischen Beschreibungen und Indikationen wurde es weiterhin möglich, weitere 18% sicher zuzuordnen. In 25 Fällen (15%) konkurrierten mehrere Lösungsansätze, und es mußte eine eindeutige Identifizierung unterbleiben. Von den 171 bearbeiteten Pflanzen sind heute noch 20% (34 Drogen) offizinell im Europäischen Arzneibuch, Nachtrag 2001, verzeichnet; hier seien beispielhaft die Enzianwurzel, der Tormentillwurzelstock, die Gewürznelken und die Salbeiblätter genannt. Beim Vergleich mit dem „Leitfaden Phytotherapie“ von Schilcher/Kammerer fällt auf, daß etwa 40% des Pfalzpaint-Repertoires heute noch verwendet werden und daß weitere 17% zwar erwähnt, aber mit einer Negativmonographie belegt sind. Bei etwa 15% der Arzneipflanzen handelt es sich um importierte Drogen (z.B. Mastix, Zitwer, Ingwer), die stets eindeutig identifiziert werden konnten. In diesem Zusammenhang vermute ich - gestützt auf das ‚Circa instans‘ -, daß durch den Import und die damit verbundenen Handelsgeschäfte die Identifizierung bereits beim Kauf erfolgte (auch wenn es sich möglicherweise um Fälschungen wie z.B. beim Safran handeln konnte). Was machte die Bearbeitung der ‚Wündarznei‘ des Heinrich von Pfalzpaint so interessant und einmalig? Zum einen enthält der Text einen überraschenden Reichtum an wundchirurgischen Arbeitsweisen - angefangen mit der Versorgung einer einfachen Schnittwunde bis hin zu progressiven operativen Verfahren: ich erinnere an die Nasenersatzplastik, an die Hasenschartenoperation oder an das Vorgehen bei Darmoperationen. Bei der Nasenersatzplastik handelt es sich um eine Erstbeschreibung eines hochkomplexen Verfahrens, was erkennen läßt, daß Pfalzpaint ein Meister im Umgang mit der Sprache ist und erstmals solch schwierige Techniken zu erklären vermag. Auch auf dem Gebiet der Arzneistoffkenntnis und der galenischen Herstellungstechnik von Salben, Pflastern und anderen Arzneiformen kennt sich Pfalzpaint sehr gut aus. Auch durch die politische Situation bedingt, nämlich durch die Belagerung der Marienburg, erhält man Einblick in die medizinische und arzneiliche Versorgung von Kranken in Notzeiten. Alle diese Aspekt machen die ‚Wündärznei‘ Heinrich von Pfalzpaints zu einem wichtigen Dokument des medizinischen Systems des Spätmittelalters.
Die historische Entwicklung des Apollonia-Kults wird anhand einer Sammlung von mehr als 200 Kleinen Andachtsbildern über einen Zeitraum von 500 Jahren dargestellt. Mit der Entwicklung der Sonderpatronate im Spätmittelalter, die der Heiligen das Zahnwehpatronat einbrachte, verbreitete sich der Apollonia-Kult in kurzer Zeit über ganz Europa. Das Kleine Andachtsbild der hl. Apollonia als eine verbreitete und volkstümliche Bildkunst erweist sich als reiche Informationsquelle über religiöse Bräuche und Gewohnheiten im Zusammenhang mit dem Zahnschmerz.
Ein Glossar zu den « Quaestiones disputatae circa tractatum Avicennae de generatione embryonis et librum meteorum Aristotelis ». Es handelt sich um das Vorlesungsskript des Würzburger Scholastikers Berthold Blumentrost aus dem Jahre 1347. Er setzt sich in diesem Werk mit Avicennas Embryologie auseinander und zieht die aristotelische Meteorologie in sein Unterrichtsprogramm mit ein. Das Glossar erfasst alle Wörter dieses Vorlesungsskriptes in alphabetischer Reihenfolge und beinhaltet ausführliche Informationen über Berthold Blumentrost und dessen Werke.
Die Zahnheilkunde führte zu Zeiten Hans Körners (1862-1929) ein Eigenleben innerhalb der Medizin, wie kein anderes der medizinischen Spezialfächer. Nicht einmal eine akademische Ausbildung hielt man in Deutschland für die Ausübung dieses Berufes für nötig. Promotionswillige Studenten hatten nur in dem Fachbereich Philosophie die Möglichkeit zur Promotion, da die Studierenden der Zahnheilkunde anfangs der philosophischen und nicht der medizinischen Fakultät angehörten. Nur durch die Promotion war es den akademisch ausgebildeten Zahnärzten möglich, sich von den Dentisten zu unterscheiden. Körners Tätigkeit fiel in eine Zeit, in der die Bedeutung der Zahnheilkunde für die Volksgesundheit nur langsam erkannt wurde. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Schaffung zahnmedizinischer Kliniken und eigenständiger akademischer Fachbereiche fehlte in der breiten Öffentlichkeit. Trotz dieser Hindernisse, die in Halle zusätzlich auch durch den schlechten Ruf seines Vorgängers geprägt waren, nahm Körner die Aufgabe des Aufbaus des zahnärztlichen Unterrichts und der Schaffung eines zahnmedizinischen Institutes in Halle, unbeirrt von Rückschlägen, in Angriff. Als er im Jahre 1896 das Institut übernahm, war noch nicht einmal ein Laboratorium für Prothetik vorhanden, so dass er in seiner eigenen Wohnung den Studenten Räume zur Verfügung stellte, damit sie dort ihre technischen Arbeiten ausführen konnten, deren Wert für die Ausbildung zum Zahnarzt er schon damals richtig erkannt hatte. Die Mehrzahl seiner Publikationen behandeln die Beziehung der Zahnheilkunde zur Gesamtmedizin. Sie beinhalten die unterschiedlichsten Gebiete des zahnärztlichen Alltags. Es sind interessante Ansätze vorhanden, die aber häufig nur auf einer empirischen Grundlage basieren. Unter seinen zahlreichen Publikationen sind keine bahnbrechenden Ergebnisse zu finden. Körner hat einfach seine Beobachtungen niedergeschrieben, seine eigenen Schlüsse daraus gezogen und diese in der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt. Körner profitierte von der allgemeinen Aufbruchsstimmung der in Deutschland heranwachsenden Zahnärzteschaft. So war es ihm möglich, auch für Halle Forderungen nach Anerkennung der Zahnmedizin als selbständiges Spezialfach der Medizin und einer Promotionsmöglichkeit für Zahnärzte zu stellen.
Beans, roots and leaves
(2001)
The author presents the first detailed review of the pharmacological therapy of parkinsonism from ancient times until the near present (1980). It is not clear whether parkinsonism as it is now defined – a progressive neurodegenerative disorder of the basal ganglia characterized by sharply reduced striatal dopamine levels, particularly in the striatum – has always affected a significant minority of aged persons, but suggestive evidence to this effect in the older literature is reviewed. The major discussion commences, however, with the administration of various plant alkaloids to parkinsonian patients in the second half of the 19th century. Antiparkinsonian therapy since this time may be divided into a number of phases: 1. The employment of alkaloids derived from solanaceous plants: initially hyoscyamine, then hyoscine/scopolamine and atropine. The discovery and characterization of these alkaloids, and the gradual recognition that other pharmacologically useful solanaceous alkaloids (such as duboisine) were identical with one or other of these three compounds, is discussed. 2. With the outbreak of encephalitis lethargica following the First World War, parkinsonian patient numbers increased dramatically, leading to a multiplicity of new directions, including the use of another solanaceous plant, stramonium, of extremely high atropine doses, and of harmala alkaloids. 3. The so-called “Bulgarian treatment” was popularized in western Europe in the mid-1930s. It was also a belladonna alkaloid-based therapy, but associated with greater efficacy and fewer side effects. This approach, whether as actual plant extracts or as defined combinations of belladonna alkaloids, remained internationally dominant until the end of the 1940s. 4. Synthetic antiparkinsonian agents were examined following the Second World War, with the aim of overcoming the deficiencies of belladonna alkaloid therapy. These agents fell into two major classes: synthetic anticholinergic (= antimuscarinic) agents, such as benzhexol, and antihistaminergic drugs, including diphenhydramine. These agents were regarded as more effective than plant-based remedies, but certainly not as cures for the disease. 5. A complete change in direction was heralded by the discovery in 1960 of the striatal dopamine deficit in parkinsonism. This led to the introduction of L-DOPA therapy for parkinsonism, the first approach directed against an identified physiological abnormality in the disorder. 6. Subsequent developments have thus far concentrated on refinement or supplementation of the L-DOPA effect. Recent attempts to develop neuroprotective or -restorative approaches are also briefly discussed. The thesis also discusses the mechanisms by which the various types of antiparkinsonian agent achieved their effects, and also the problems confronting workers at various periods in the design and assessment of novel agents. The impact of attitudes regarding the etiology and nature of parkinsonism, particularly with regard to symptomatology, is also considered. Finally, the history of antiparkinsonian therapy is discussed in context of the general development of both clinical neurology and fundamental anatomical, physiological and biochemical research. In particular, the deepening understanding of the neurochemical basis of central nervous system function is emphasized, for which reason the history of dopamine research is discussed in some detail. This history of antiparkinsonian therapy also illustrates the fact that the nature of experimental clinical pharmacology has markedly changed throughout this period: No longer the preserve of individual physicians, it is now based firmly on fundamental laboratory research, the clinical relevance of which is not always immediately apparent, and which is only later examined in (large scale) clinical trials. It is concluded that antiparkinsonian therapy was never irrational or without basis, but has always been necessarily rooted in current knowledge regarding neural and muscular function. The achievements of L-DOPA therapy, the first successful pharmacological treatment for a neurodegenerative disorder, derived from the fruitful union of the skills and contributions of different types by laboratory scientists, pharmacologists and clinicians.